Nach Nehammer-Rede
Grüne gegen Kürzung der Sozialleistungen für Migranten
Auch Tage später reißt die Kritik an der "Rede zur Zukunft der Nation" von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nicht ab. Der kleinere Koalitionspartner stößt sich an mehreren Aspekten. So meldete sich nun Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) zu Wort und stellte sich gegen Nehammers Vorstoß, Sozialleistungen bei Zugewanderten zu kürzen.
ÖSTERREICH. Der Kanzler stellt sich demnach vor, dass nur jene Menschen, die bereits seit fünf Jahren in Österreich leben, Sozialleistungen in voller Höhe erhalten sollen. "Und wenn nicht, nur die Hälfte", so Nehammer.
Bedarf an Unterstützung ausschlaggebend
Laut Rauch solle jedoch für den Bezug der Bedarf an Unterstützung ausschlaggebend sein, nicht die Aufenthaltsdauer im Land oder das Ausmaß der Beschäftigung. Damit spielte Rauch auf den bereits schwelenden Konflikt in der Koalition an, der nach dem Vorstoß Kochers, Sozialleistungen für Teilzeitbeschäftigte zu kürzen, entbrannte.
So zitierte die Tageszeitung "Der Standard" nach einer Anfrage an das Sozialministerium:
"Den Bezug von Sozialleistungen für Zuwanderer und Zuwanderinnen in den ersten fünf Jahren zu beschränken wird nicht dazu führen, 10.000 Pflegekräfte aus dem Ausland für Österreich zu gewinnen, wie es Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner Rede als Ziel formuliert hat."
Rauch sprach dabei auch den Fachkräftemangel an und die Notwendigkeit, Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Österreich zu holen. "Es braucht daher attraktive Rahmenbedingungen, damit Menschen nach Österreich kommen und hier arbeiten möchten", so Rauch gegenüber dem "Standard".
Soziale Sicherheit nicht verhandelbar
Auch der Grüne Parlamentsklub stellt sich hinter den Sozialminister. "Die Ideen der ÖVP sind – soweit bekannt – rechtlich kaum umsetzbar, da es sich bei den meisten Leistungen um Versicherungsleistungen handelt", so ein Statement, das gestern in der ZIB2 zitiert wurde. Soziale Sicherheit sei für die Grünen nicht verhandelbar. Weiter hieß es:
"Es findet sich dazu auch nichts im Regierungsprogramm, eine Umsetzung steht also nicht zur Diskussion. Wir gehen davon aus, dass solche Vorstöße weder vor den Höchstgerichten in Österreich noch vor jenen der EU haltbar wären. Wir erinnern hier etwa auch an die Indexierung der Familienbeihilfe, die vom EuGH aufgehoben wurde."
Experten sehen Nehammers Vorstoß ebenfalls kritisch. Das EU-Recht würde streng vorgeben, wer welche Sozialleistungen zu erhalten habe, so Franz Leidenmühler, Europarechtsexperte der Johannes Kepler Universität Linz, im Ö1-Mittagsjournal.
Experten: Kürzung nur bei kleiner Gruppe möglich
Laut EU-Recht wäre eine Kürzung der Sozialleistungen nur bei jenen Menschen möglich, die aus einem Drittstaat kommen, sich nicht in einem Asylverfahren befinden, keine Angehörigen in EU-Staaten haben und noch keine fünf Jahre in Österreich leben. Das sei eine vergleichsweise kleine Gruppe, so Leidenmühler.
Auch bei subsidiär Schutzberechtigten wäre eine Kürzung der Sozialleistungen möglich. Das sind Menschen, die zwar nicht asylberechtigt sind, aber dennoch Recht auch Schutz haben. Das EU-Recht würde hier keine Gleichbehandlung vorsehen, so der Experte. Stattdessen seien Kernleistungen verpflichtend zu bezahlen. Dazu würden Mindestunterstützung bei Einkommen, Krankheit, Schwangerschaft oder Wohnen zahlen. Dabei sei Gleichbehandlung mit Inländerinnen und Inländern zu gewährleisten.
Doch auch Menschen aus Drittstaaten, die in Österreich arbeiten, hätten Anspruch auf Sozialleistungen. Das würde auch zutreffen, wenn sie kürzer als fünf Jahre in Österreich leben würden. Das sei nicht durch das EU-Recht festgelegt, sondern durch das österreichische Arbeitsrecht, so Leidenmühler.
Raab unterstützt Nehammers Vorstoß
Aus der eigenen Partei erhielt Nehammer jedoch Rückhalt. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) gab per Aussendung bekannt: "Eine Reform der Sozialleistungen würde sowohl illegale Migration und Einwanderung in unser Sozialsystem deutlich reduzieren als auch zu einer schnelleren Arbeitsmarktintegration führen."
Als Vorbild sehe Raab Dänemark. Dort sei die Höhe der Mindestsicherung an die Aufenthaltsdauer gebunden. Wenn es notwendig sei, müsste man auf europäischer Ebene über ein neues System für Sozialleistungen diskutieren, so die Ministerin.
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