ORF-Sommergespräch
Kickl für "Gastarbeiter als Sofortmaßnahme" gegen Personalnot
Mit FPÖ-Chef Herbert Kickl war am Montagabend der dritte Parteivorsitzende bei den ORF-Sommergesprächen zu Gast. Seit nunmehr zwei Jahren steht Kickl an der Spitze der Freiheitlichen. Nach der Ibiza-Affäre, dem darauf folgenden Regierungsverlust sowie einer Wahlniederlage hat er die Partei wieder konsolidiert und auf Platz Eins in den Wahlumfragen geführt. Mit Moderatorin Susanne Schnabl sprach Kickl über die Zukunft der FPÖ, "blaue" Lösungen für aktuelle Krisen sowie seinen Anspruch auf die Kanzlerschaft.
ÖSTERREICH. Wie schon in den beiden vorangegangenen ORF-Sommergesprächen starteten Susanne Schnabl und ihr Gast auch diesmal im Plenarsaal des neu renovierten Parlaments. Dort fällt Kickl sonst oft und gerne durch vermeintlich provokante und zugespitzte Zwischenrufe auf – danach gefragt, erklärt der FPÖ-Chef: "Ich bin ein milder Mensch und deswegen regt mich das so auf, was in der Politik teilweise aufgeführt wird." Als Form der Provokation würde er seinen politischen Stil jedoch nicht bezeichnen, vielmehr pflege er eine sehr bildhafte Sprache, was bei den Menschen auf viel positive Resonanz stoße, so Kickl.
Auch als Kanzler würde er an seinem Umgangston nichts ändern: "Ich bin nicht in die Politik gegangen, um mich zu verstellen." Von solchen Politikern gebe es ohnehin viel zu viele, "wir brauchen wieder echte Persönlichkeiten, deshalb werde ich meine Ecken und Kanten behalten", meinte der FPÖ-Chef.
"Gastarbeiter als Sofortmaßnahme" gegen Personalnot
Vom zweiten Aufnahmeort der ORF-Sommergespräche zeigte sich Kickl wenig begeistert. Dem nunmehr schon bekannten Besprechungszimmer 23 attestierte er den "herben Charme eines Stasi-Verhörzimmers". Die Fragen der ORF-Moderatorin beantwortete er in Folge einmal mehr, einmal weniger bereitwillig – zunächst zur in Österreich grassierende Personalnot: Die sei in gewissen Bereichen, etwa in der Gastronomie oder im Tourismus, das "Ergebnis einer ganz grundlegend verfehlten Corona-Politik", so Kickl.
Dass sich die in vielen Bereichen aufklaffende Personallücke ohne gezielte Arbeitsmigration schließen lässt, glaubt der FPÖ-Chef nicht. "Wenn wir den Bedarf, den wir an Arbeitskräften in bestimmten Bereichen haben, aktuell nicht anders decken können, dann ist logischerweise die Notwendigkeit gegeben, Menschen ins Land zu lassen". Allerdings nur "zeitlich begrenzt und nach unseren Vorgaben" als eine "Sofortmaßnahme", betonte Kickl und berief sich auf die Bezeichnung "Gastarbeiter" – "weil wenn der Bedarf nicht mehr gegeben ist, können die Leute nach Hause gehen".
Das gilt laut Kickl auch für die Pflege sowie den gesamten Gesundheitsbereich. Arbeitsmigration sei "maximal eine Übergangslösung, aber das löst das Problem nicht an der Wurzel". Vielmehr müsse man mehr Menschen im eigenen Land für die Pflege gewinnen, etwa durch eine bessere Bezahlung. Auch das Modell einer Pflegelehre sowie die Attraktivierung der Pflege zu Hause nennt Kickl als Teile eines freiheitlichen Maßnahmenpakets.
Kickl für Mindestlohn von 2.000 Euro brutto
Zum Verhältnis der FPÖ zu den rechtsextremen Identitären meinte Kickl: "Wenn die Identitäten eine politisches Projekt oder eine Initiative betreiben, die aus unserer Sicht in Ordnung ist, warum soll ich das nicht unterstützen?"
Beim Thema Teuerung wiederholt der FPÖ-Chef seine Forderung nach einem Mindestlohn von "in etwa 2.000 Euro brutto". Politiker-Gehälter will er hingegen einfrieren lassen. Dass dies in der eigenen Partei nicht bei allen auf Wohlwollen stößt, sieht der FPÖ-Chef nicht als Hindernis.
Was die ebenfalls an die Inflation angepasste Parteienförderung anbelangt, spricht sich Kickl allerdings gegen ein Einfrieren aus. Parteien seien Wirtschaftsunternehmen mit Angestellten, die bezahlt werden müssen, erklärt der Freiheitliche seine Position.
Ermittlungen gegen FPÖ-Politiker und Klimakrise
In der FPÖ-Spesenaffäre sieht Kickl vor allem den früheren Parteichef Heinz-Christian Strache in der Verantwortung. Auf die Anmerkung der Moderatorin, dass auch andere hohe FPÖ-Funktionäre unter Verdacht stehen, verweist Kickl auf die Unschuldsvermutung. Sollte sich ein schwerwiegender Vorwurf wie jener der Untreue bewahrheiten, "dann wird man das mit den entsprechenden Leuten auch besprechen müssen", meinte er.
Gefragt nach der Strategie der FPÖ gegen die Klimakrise plädierte Kickl für "Hausverstand und Verhältnismäßigkeit". So sei der FPÖ-Chef zwar "natürlich" für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, allerdings gegen eine "Komplettumstellung des Systems". Allenfalls will der FPÖ-Obmann die Bevölkerung selbst entscheiden lassen, inwieweit sie das will. Sollte die FPÖ nach der nächsten Wahl in Regierungsverantwortung kommen, will sich Kickl überhaupt für verbindliche Volksabstimmungen starkmachen.
FPÖ nur mit Kickl
Obwohl bereits sämtliche anderen politischen Kräfte des Landes eine Koalition mit der FPÖ unter ihm als Parteichef ausgeschlossen haben, glaubt Kickl, der Richtige zu sein, um die Freiheitlichen in den nächsten Wahlkampf zu führen. "Ich hoffe, dass wir stärkste Partei werden, und zwar so stark, dass sich eine Zweier-Konstellation nur mit uns ausgeht", gibt Kickl sein Wahlziel aus. Denn dann, so ist sich der FPÖ-Chef sicher, werden auch die anderen Parteien ihre Position gegenüber der FPÖ lockern. Das habe sich zuletzt sowohl in Niederösterreich als auch in Salzburg gezeigt.
Der Sommergespräche-Fahrplan für 2023:
7. August: Beate Meinl-Reisinger, NEOS
14. August: Werner Kogler, Die Grünen
21. August: Herbert Kickl, FPÖ
28. August: Andreas Babler, SPÖ
4. September: Karl Nehammer, ÖVP
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