Sondersitzung Inflation
Misstrauensantrag, Forderung zu Millionärssteuer

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner beschuldigte die Regierung, die Menschen "im Stich zu lassen", und brachte einen Misstrauensantrag gegen die Regierung ein. | Foto: parlament.gv.at
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  • SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner beschuldigte die Regierung, die Menschen "im Stich zu lassen", und brachte einen Misstrauensantrag gegen die Regierung ein.
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Die Anti-Teuerungsmaßnahmen, welche diese Woche präsentiert wurden, boxt die Bundesregierung im Nationalrat durch. Bei der von der SPÖ einberufenen Sondersitzung zum Thema Teuerung, wo die Debatte auf emotionaler Ebene geführt wurde, brachten die Roten einen Misstrauensantrag gegen die Regierung ein, der allerdings abgelehnt wurde. ÖGB-Chef Rainer Wimmer brachte einen Entschließungsantrag für eine Millionärssteuer ein, der ebenfalls abgelehnt wurde. Weitere Entschließungsanträge wurden ebenfalls abgelehnt. Für Wirbel sorgte die SPÖ-Drohung, künftig Gesetze zu blockieren, wenn sich in Sachen Inflation nichts mehr tut.

ÖSTERREICH. Im April stiegen die Preise erneut um 9,8 Prozent. Im Vergleich zu Deutschland wird hierzulande im Supermarkt laut einer Studie von EZB/OeNB durchschnittlich um 13 Prozent mehr als in der Rest-EU bezahlt. Die Folgen der Teuerungswelle sind laut Caritas unter Berufung auf das Sora-Institut massiv: 201.000 Menschen sind stark von Armut betroffen, um ganze 40.000 Personen mehr als im Vorjahr.

Die Regierung hatte diese Woche ein Anti-Teuerungspaket angekündigt, das aber für viel Kritik sorgte: Darin enthalten sind etwa neue Regulierungen bezüglich einer höheren Übergewinnsteuer für Energieunternehmen und ein Lebensmittel-Preistransparenzgesetz für Supermärkte. Das Paket beinhaltet aber keine Überlegungen zu Einkommenserhöhungen, Einfrieren der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel oder einer Mietpreisbremse, kritisiert die SPÖ. Die von der Regierung ausgehändigten "Geldgeschenke" hingegen würden "verpuffen".

Rendi-Wagner fordert Teuerungsgipfel mit Sozialpartnern

Vor der Debatte im Nationalrat gab es eine Dringliche Anfrage bzw. Dringlichen Antrag mit dem Titel „Totalversagen der Bundesregierung im Kampf gegen die Teuerung“, wie die Parlamentskorrespondenz mitteilte. 

Die SPÖ bekräftigte am Freitag Forderungen im Kampf gegen die Teuerung: Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Einführung eines Mietpreisdeckels, und die Einsetzung einer Anti-Teuerungskommission. Die Partei fordert auch einen Teuerungsgipfel mit den Sozialpartnern, um Maßnahmen zur Senkung der Preise umzusetzen.

Menschen "im Stich gelassen"

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner beschuldigte die Grünen, "Komplizen" der ÖVP geworden zu sein, aus Angst, die Macht in der Regierung zu verlieren, wie sie im Hohen Haus meinte. Man habe in den letzten Monaten 31 Anträge an die Regierung gestellt, um effektivere Anti-Teuerungsmaßnahmen umzusetzen. Diese seien durchwegs abgelehnt worden. Mit dem aktuellen Paket würde sich kein einziger Preis senken, und auch die Inflation nicht beseitigt werden. Die Regierung lasse die Menschen im Stich.

Ordnungsrufe während der Kanzler-Rede

Während sich Bundeskanzler Karl Nehammer rechtfertigte und die bisherigen Maßnahmen, inklusive Abschaffung der kalten Progression, in Erinnerung rief, gab es lautes Gemurre im Saal. Die Zuhörerinnen und Zuhörer mussten zur Ordnung gerufen werden. Nehammer betonte, dass die Europäische Zentralbank (EZB) zuständig sei für die Bekämpfung der Inflation. Man habe auf nationaler Ebene eingesehen, dass die Entkoppelung von Strom- und Gaspreisen in Österreich nicht möglich gewesen sei.

Wirtschaftsstandort attraktiv machen, Inflation über mehrere Flanken bekämpfen: Bundeskanzler Karl Nehammer erinnerte auch an bisherige Maßnahmen der Bundesregierung. | Foto: parlament.gv.at
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Der Großhandelspreis sei ständig gesunken, wurde aber nicht weitergegeben. Daher setze man bei der Übergewinnsteuer an, um die Konsumentinnen und Konsumenten zu entlasten. Das würde zu einem Umdenkprozess bei den Unternehmen führen: Entweder sie zahlen di eSteuer, oder sie geben den niedrigeren Preis an die Kunden weiter, so der Kanzler, der an die Komplexität des Problems aufmerksam machte. Auch Preistransparenz sei eine Maßnahme, sodass Kunden in schnelleren Intervallen ihre Stromrechnung bekommen, als bisher.

Leichtfried: Regierungspläne blockieren

SPÖ-Vizeclubchef Jörg Leichtfried, der über eine "sozialpolitische und wirtschaftliche Katastrophe" sprach, erregte sich darüber, dass der Kanzler es nicht nachvollziehen könne, dass es eine "aufgeregte Diskussion" um die Inflation gebe. Es gebe Menschen, die sich das Essen nicht mehr leisten können. Eine Pressekonferenz ohne Ergebnisse sei keine Antwort darauf. Menschen, die in Armut fallen, die selbst arbeiten, müsse man Respekt erweisen, und effektive Maßnahmen gegen die Teuerung setzen. Dann brachte Leichtfried im Namen der SPÖ einen Misstrauenantrag ein, damit der Regierung das Vertrauen entzogen werde. Man werde als SPÖ Gesetzesvorlagen der Regierung nicht mehr unterstützen, wenn sich in Sachen Inflationsbekämpfung nichts mehr tue. "Selber bringt die Regierung monatelang nichts zustande, um die Inflation zu bekämpfen, will aber offensichtlich auch nicht, dass der Nationalrat aktiv wird", so Leichtfried. Der Misstrauensantrag wurde später abgelehnt.

FPÖ-Chef bezeichnet Nehammer als "dumm"

FPÖ-Obmann Kickl, der in seiner Rede das Neue Testament bemühte ("An ihren Früchten werden sie sie erkennen"), sprach von einer "Spur der Verwüstung", welche die Regierung durch dieses Land gezogen habe, um regierungsfähig zu sein. Die Regierung habe dabei "lauter faule Früchte produziert", wie Asylwerber statt Arbeitskräfte. Österreich sei Nummer Eins in Sachen Inflation.

FPÖ-Chef Herbert Kickl: Die Regierung hat"lauter faule Früchte produziert", wie Asylwerber statt Arbeitskräfte. Österreich sei Nummer Eins in Sachen Inflation.
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Die Aussage, dass die Kaufkraft in Österreich gestiegen sei, wie Nehammer zuvor betont hatte, sei ein "Ausdruck von Dummheit". Noch dümmer sei der, der diese Aussage in die Öffentlichkeit bringe, so Kickl mit Seitenhieb auf Nehammer (dafür bekam er von Parlamentspräsident Norbert Hofer keinen Ordnungsruf, weil er den Kanzler nicht direkt ansprach). Statt Kaufkraft gebe es in Österreich Armut, auch bei denen, die arbeiten würden. Auch Pensionisten habe Nehammer im Stich gelassen, sodass man in Österreich besser mit Asylantrag dastehe, als wenn man einen Pensionsantrag stelle. Auch eine "falsche Corona-Politik", die "50 Milliarden und mehr verschlungen'" habe, und die Inflation angetrieben habe, prangerte Kickl an. Schließlich kritisierte der FPÖ-Chef die EZB, weil der Kanzler auch dort dabei sei. Die Regierung freue sich über die Mehreinnahmen durch hohe Preise, weil ihr damit mehr Geld bleibe, klagte Kickl an. Die Energieversorger seien in Österreich "Rote und Schwarze". Er forderte einen Energiepreisdeckel und forderte die Regierung zum Rücktritt auf.

Maurer bekam Ordnungsruf für ihre Ausdrücke

Die Grüne Clubobfrau Sigrid Maurer sprach von "Heuchelei" und "Hetze" in Richtung FPÖ, und bekam dafür einen Ordnungsruf des Parlamentsvorsitzenden. Die Partei habe ja bereits mitregiert - man sehe, was dabei herausgekommen sei. Maurer sprach auch von "Polemisierung" in Hinblick auf den von der SPÖ ausgegebenen Namen der Sondersitzung (Titel "Totalversagen der Bundesregierung im Kampf gegen die Teuerung!", Anm. ). Sie vermisse konstruktive Zusammenarbeit. Maurer rief, wie zuvor Nehammer, in Erinnerung, was die Regierung an Sozialleistungen bereits umgesetzt habe und rechtfertigte das Maßnahmenpaket gegen die Teuerung. 

Kritik an "Gießkanne" der Regierung durch die Neos

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger erinnerte daran, dass ihre Partei im Hinblick auf die Covid-Politik immer sehr kritisch gewesen sei. Österreich sei gut durch die Krise gekommen, weshalb es im Vorjahr eine Aufholjagd in der Wirtschaft gegeben habe, die zu einem "jähen Ende" gekommen sei, für die Russland mit dem Überfall auf die Ukraine und die damit verbundenen Preiserhöhungen verantwortlich sei. Wie mit dieser Teuerung umgegangen habe, prangerte sie jedoch an.

Neos-Chefin Meinl-Reisinger: "Die Regierung hat diese Teuerung angefeuert."  | Foto: parlament.gv.at
  • Neos-Chefin Meinl-Reisinger: "Die Regierung hat diese Teuerung angefeuert."
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Auch kritisierte Meinl-Reisinger, dass die Regierung diese Teuerung angefeuert habe und erinnerte an eine "expansive Förderungspolitik" mit Gießkanne, von er man wisse, dass es zu einer Überförderung gekommen sei. Die Regierung habe diese aber weiter befördert, indem sie weiter Geld der Steuerzahler ausgegeben habe, als "gebe es kein Morgen", anstatt, dass man die schwächsten Haushalte unterstützt hätte. Die Neos-Chefin kritisierte die FPÖ, dass diese die ungarische Regierung als Vorbild nehme, und das, obwohl Ungarn wirtschaftlich schlechter dastehe, als viele andere EU-Länder. Und sie kritisierte die ÖVP, die Energieversorger nicht schon längst mehr geschröpft habe. Meinl-Reisinger forderte höhere Löhne und Senkung der Lohnnebenkosten. Dass sich Österreich immer noch nicht von den russischen Energielieferungen getrennt hat, kritisierte die Neos-Chefin ebenfalls.

Rainer Wimmer, Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen, brachte schließlich einen Entschließungsantrag für die Einführung einer Millionärssteuer in Österreich ein.

Was bisher geschah

Im Gegensatz zu den meisten EU-Staaten steigt die Inflation hierzulande weiter an. Die Bundesregierung musste sich Kritik gefallen lassen, zu wenig zu tun bzw. auf falsche Maßnahmen (Stichwort Gießkanne) zu setzen, und reagierte diese Woche nach einem misslungenen  und zahnlosen Lebensmittelgipfel, dem der Bundeskanzler fernblieb, mit einem Bündel an Vorhaben. Die wichtigsten Maßnahmen:

  • Öffentliche Gebühren des Bundes werden auch 2024 eingefroren – die Gemeinden sollen gleichziehen. 
  • Senken die Energieerzeuger die Preise nicht, werden die Konzerne rascher als bisher zur Kasse gebeten. Über die Gemeinden soll der Gewinn an die Kunden rückverteilt werden, wenn sie die Gebühren nicht erhöhen - Johannes Mayer von der E-Control gibt zu bedenken, dass das Geld nicht automatisch bei den Konsumenten ankommen werde. 
  • In einem Transparenzbericht muss der Lebensmittelhandel seine Einkaufspreise veröffentlichen. Die Bundeswettbewerbsbehörde wird mit mehr Befugnissen und Ressourcen ausgestattet. An eine vorläufige Streichung oder Senkung der Mehrwertsteuer ist jedoch nicht gedacht. 

Opposition, Sozialpartner, aber auch Experten sehen die Maßnahmen kritisch und zu wenig effizient. Das Momentum Institut empfiehlt eine Mietpreisbremse für alle Mietsegmente – auch rückwirkend – und, die Übergewinnsteuer auf Branchen auszuweiten, wo Profite größte Inflationstreiber sind. Trotz Ankündigung zur Bekämpfung der Kinderarmut brachte die Opposition einen Misstrauensantrag gegen die Regierung ein.

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