Polarisierung
"Zuagraste": Für die einen Segen – für andere ein Fluch

In Maria Wörth hat fast die Hälfte der Einwohner einen Zeitwohnsitz | Foto: Georg Paganal
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  • In Maria Wörth hat fast die Hälfte der Einwohner einen Zeitwohnsitz
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Es ist ein Thema, das während der Pandemie an Bedeutung gewonnen hat: Der Zweitwohnsitz. Das Thema Zweitwohnsitz polarisiert in den Gemeinden. Durch die Aussage von Neos-Chefin Beate ´Meinl-Reisinger bei den ORF-Sommergesprächen, wo sie die Kompetenz der Bauordnung, die in Österreich bei den Ländern und in den Gemeinden liegt, in Frage gestellt hat, ist das Thema noch einmal neu entbrannt.

ÖSTERREICH. Laut Statistik Austria gibt es in Österreich rund 1,2 Millionen gemeldete Nebenwohnsitze, die im Wettstreit mit den Bedürfnissen nach leistbaren Eigenheimen bei der lokalen Bevölkerung stehen. Vor allem private Ferienappartement-Entwickler, die meist bereit sind, mehr zu zahlen als gemeinnützige Bauträger, treiben die Wohnpreise in die Höhe. Folge: Die Einheimischen weichen in Ballungsräume aus, was den Wirtschaftsstandort schwächt. Bau- und Immobilienwirtschaft fordern eine Neuausrichtung der Wohnungspolitik: Geförderter und freifinanzierter Wohnungsneubau müsse so austariert sein, dass die kontinuierliche Produktion von Wohnungen bedarfsorientiert gestaltet wird.

Zum jüngst strapazierten Thema Flächenfraß fordert Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl eine ehrliche und sachliche Diskussion: "Es kann nicht sein, dass in Wien über Flächenverbrauch und -widmung geschimpft wird, während es sich am Wochenende die Städter in ihrem Zweitwohnsitz am Land gemütlich machen.“ Positive Auswirkungen: Die Abgaben von "Zuagrasten" möbeln das Gemeindebudget auf und sie beleben die Gemeinden.

Was die Raumordnung machen kann

Ansatzpunkte gibt es viele, allein die Kompetenzfrage macht das Erreichen der Ziele oft schwierig. Auf Landesebene findet die Raumordnung für das ganze Bundesland oder Teilregionen Anwendung. Umsetzen muss vieles aber die Gemeinde mit Entwicklungskonzepten, dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan. Die Kompetenz beim Bau und der Genehmigung von Zweitwohnsitzen liegt also eindeutig bei den Gemeinden. Im Salzburger Raumordnungsgesetz ist zum Beispiel festgelegt, dass maximal 16 Prozent der Wohnungen in einer Gemeinde Nicht-Hauptwohnsitze sein dürfen. Blickt man in die Seengemeinden wie Sankt Gilgen oder in die Skigebiete wie Maria Alm oder Saalbach Hinterglemm zeigen die Daten der Statistik Austria, dass dort über 50 Prozent der Wohnungen keine Hauptwohnsitze sind, was auf einen hohen Anteil an Ferienwohnungen schließen lässt.

Strategien der Gemeinden

Die Einstellungen zu Zweitwohnsitzen und Strategien, wie Gemeinden mit diesen umgehen, sind unterschiedlich. Einige sehen sie als Chance, andere als Plage. Die Gemeinde Bad Hofgastein setzte im Sommer 2020 für die Suche nach illegalen Zweitwohnsitzen beispielsweise einen Detektiv ein. Die zwei Ennstaler Gemeinden Ramsau und Haus im Ennstal haben 2020 sogar eine zweijährige Bausperre für Neuprojekte beschlossen, da der Boom an Zweitwohnsitzen immer stärker wurde. Allein in Ramsau am Dachstein leben rund 2.800 Menschen mit Hauptwohnsitz, es existieren im Gegenzug aber bereits 1.400 Zweitwohnsitze. Bauplätze für Einheimische oder leistbare GBV-Wohnungen sind in solchen Gemeinden eher schwer zu finden.

Besteuerung nicht einheitlich

Auch beim monetären Thema zeigen sich große Unterschiede – nicht nur föderaler Natur. Ein großes Thema in diesem Zusammenhang sind die  Zweitwohnsitzabgaben. Diese sind regional unterschiedlich. In Wien und im Burgenland gibt es sie nicht, in Niederösterreich und der Steiermark wird sie immer wieder diskutiert, in Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg gibt es sie. Sie zählt dort zu den Tourismusabgaben, die unter anderem auch die Ortstaxe und die Gästetaxe umfassen. Mit dieser Abgabe wird versucht, den finanziellen Beitrag von Menschen, die nicht im Ort wohnen, aber die Infrastruktur trotzdem nutzen, anzuheben.

In Abwanderungsgemeinden sind Zweitwohnsitzabgaben und diverse kommunale Abgaben (obwohl keine vollständige Nutzung vorliegt) ein willkommener Beitrag zum Budget. Ob die Einnahmen aber die Ausgaben in der Ver- und Entsorgungsinfrastruktur decken, ist eine offene Frage. Auch eine steigende Kaufkraft durch eher wohlhabende Zweithausbesitzinnen und -besitzer kann in Abwanderungsgebieten ein Vorteil sein, der sich positiv auf die lokale Wirtschaft auswirkt.

Leerstände füllen

Ein weiterer positiver Effekt betrifft den Leerstand. Ein leerstehendes Gebäude ist aus Sicht mancher Gemeinden problematischer als ein wenig genutztes, aber erhaltenes Gebäude. Eine Revitalisierung leerstehender Althäuser in von Abwanderung betroffenen Gebieten kann ebenso als Vorteil gesehen werden. Menschen, die beinahe abwandern und dann doch den Zweitwohnsitz in der Heimatgemeinde belassen, könnten zudem die potenziellen Rückkehrer von morgen sein.

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