Flughafen-Vorstand Jäger
Am Flughafen heißt es jetzt warm anziehen

Flughafen-Vorstand Julian Jäger: Bei einem Blackout, der sich über Tage zieht, wäre auch bei uns kein Betrieb.  | Foto: Markus Spitzauer
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  • Flughafen-Vorstand Julian Jäger: Bei einem Blackout, der sich über Tage zieht, wäre auch bei uns kein Betrieb.
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Der Flughafen Wien hat in den letzten sieben Jahren den Energieverbrauch um 40 Prozent und den CO2-Ausstoß um 70 Prozent reduziert. Bereits 2023 will man komplett CO2-neutral sein. Wie das gelingen soll? Flughafen-Vorstand Julian Jäger erklärt dies und weitere Pläne zum Thema Nachhaltigkeit, sowie Herausforderungen im Bereich Personal, gegenüber den RegionalMedien Austria. 

ÖSTERREICH. Flughafen-Vorstand Julian Jäger über das Energiesparprogramm am Airport Wien, Job-Chancen am Flughafen, Blackout-Szenarien, und die Pläne für CO₂-neutrales Fliegen. 

RegionalMedien Austria: Die Airports Group Europe, eine indirekte Tochtergesellschaft des IFM Global Infrastructure Fund, konnte ihr Aktienpaket am Flughafen bis 6. Oktober um 1.498.803 Aktien aufstocken, das sind 1,78 Prozent des Grundkapitals. Damit hält IFM 41,78 Prozent der Aktien, wenn die aufschiebenden Bedingungen erfüllt sind. Der IFM Global Infrastructure Fund wird von einer Treuhandgesellschaft auf den Cayman Islands geführt, wie heimische Medien zuletzt aufdeckten. Wer die eigentlichen wirtschaftlichen Eigentümer sind und woher diese ihr Geld beziehen, ist unklar. Wissen Sie, wer dahinter steckt?
Julian Jäger: Hier ist anzumerken, dass es 2014, zum Einstieg von IFM, keine rechtliche oder faktische Möglichkeit gab, Aktionäre daran zu hindern, ihre Anteile an andere zu verkaufen und das damalige IFM-Angebot anzunehmen. Parallel läuft eine Prüfung dieses Übernahmeangebots durch das österreichische Arbeits- und Wirtschaftsministerium nach dem Investitionskontrollgesetz. Darüber hinaus kann ich Angelegenheiten unserer Eigentümer nicht kommentieren. 

Bundesmuseen und Öffis müssen wegen des Energieproblems ihre Heizung senken, Geschäfte und öffentliche Gebäude drehen die Lichter ab. Welchen Beitrag leistet der Flughafen Wien? Wird die Heizung gesenkt bzw. über Klimaanlage weniger stark gekühlt?
Die Strategie, unseren Energieverbrauch zu senken, verfolgen wir schon seit zehn Jahren und hier haben wir bereits viel erreicht: So konnten wir den Energieverbrauch um 40 Prozent und die CO2-Emissionen um 70 Prozent reduzieren. Seit 2022 betreiben wir am Flughafen Österreichs größte Photovoltaik-Anlage auf 24 Hektar. Diese Anlage wird noch weiter ausgebaut, daneben betreiben wir noch sieben weitere Anlagen auf Dächern von Parkhäusern und Betriebsgebäuden. Damit produzieren wir rund ein Drittel unseres Stroms im Jahr selbst. Wir kommen da auf 24 Megawatt Peak, mit der Erweiterung kommen noch einmal auf sieben Megawatt Peak dazu. An sonnigen Tagen produzieren wir mehr, als das gesamte Flughafen-System verbraucht. Um diese Energie künftig auch speichern zu können, errichten wir demnächst eine Wasserstoffanlage. Der übrige Strombedarf wird durch „grünen Strom“ gedeckt. Von OMV beziehen wir CO2-neutrale Fernwärme und unseren Fuhrpark stellen wir sukzessive auf E-Mobilität um. Mit diesen und weiteren Maßnahmen ist es uns gelungen, dass wir ab 2023 unseren Flughafenbetrieb CO2-neutral führen werden. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der damit einhergehenden Situation in der europäischen Gasversorgung werden wir auch, dort wo möglich, die Gebäudetemperaturen etwas anpassen. Das ist je nach Bereich aber unterschiedlich zu betrachten, die Passagiere sind in der Regel ja warm angezogen, da sie ja von draußen kommen. Es geht eher darum, was man den Mitarbeitern zumutet, die zehn bis zwölf Stunden im Terminal arbeiten. Auf Grade möchte ich mich da nicht festlegen, aber natürlich ist das Ziel, dass wir unseren Energieverbrauch um 15 Prozent senken, wie es auch Vorgabe der EU ist. 

Die OMV hat im Mai bekanntgegeben, die allgemeine Luftfahrt am Flughafen Wien auf Abruf mit nachhaltigem Flugzeugtreibstoff zu beliefern. Wie ist der Stand damit?
Das wird immer mehr in Anspruch genommen. Es gibt von der EU im Fit for 55-Programm die Vorgabe, dass bis 2025 zwei Prozent E-Fuels beigemengt werden müssen und dieser Anteil wird sukzessive steigen. Auch wenn die Produktion von E-Fuels derzeit noch relativ energieintensiv ist, so ist mit dieser Beimengungsverpflichtung eine wichtige Weichenstellung gesetzt. Denn damit wird eine Nachfrage am Markt erzeugt, wodurch die Produktion wirtschaftlicher wird. Würde diese Produktion durch die Bereitstellung von Fördermitteln politisch unterstützt, könnten E-Fuels zu konkurrenzfähigen Preisen produziert und eingesetzt werden. Wir sehen jetzt schon viele Projekte von der OMV und anderen, die synthetisches, CO2-neutrales Kerosin produzieren werden. Ich glaube, das wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Das ist auch der deutlich schnellste Weg, um die gesamte Luftfahrt zur CO2-Neutralität zu bringen. Die Airlinebranche hat sich dazu komittet, ab 2050 CO2-neutral zu fliegen und E-Fuels sind dafür die richtige Technologie. Die Vorteile: Man braucht keine neue Infrastruktur und keine neuen Flugzeuge, E-Fuels können mit dem herkömmlichen Kerosin gemischt werden und das Verhältnis kann sukzessive immer weiter gesteigert werden. Das ist der Weg, in den nächsten zehn bis 15 Jahren hier wirklich substantiell weiterzukommen. 

Flughafen-Vorstand Julian Jäger: Bei einem Blackout, der sich über Tage zieht, wäre auch bei uns kein Betrieb.  | Foto: Markus Spitzauer
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Auch beim Flughafen Wien sucht man Personal. Wie viele Berufsbilder gibt es am Flughafen und wo gibt es die meisten offenen Stellen? 
Eines der Dinge, die unglaublich spannend am Flughafen sind, ist die Vielfalt an Berufsbildern. Zunächst gibt es natürlich auch bei uns die klassischen Aufgaben in der Verwaltung, in der Rechtsabteilung, Finanz- und Personalabteilung, Kommunikation und vieles mehr. Darüber hinaus bieten wir aber auch Jobs im Terminal und in der Bodenabfertigung, das sind jene Kollegen, die die Passagiere im Bus zum Flugzeug bringen, Gepäck zum Flieger bringen, verladen und vieles mehr. Wir betreiben aber auch eine eigene Sicherheitsfirma, die die Sicherheitskontrollen am Flughafen durchführt, sowie eine eigene Reinigungsfirma. In der IT beschäftigen wir über 130, im Bereich Technik über 300 Menschen. Der Flughafen Wien ist also wirklich ein breit aufgestelltes Unternehmen. Wer also in der Luftfahrt tätig sein will, ist bei uns am Airport gut aufgehoben. Es ist sehr interessant und auch innerhalb des Unternehmens kann man sich sehr gut weiterentwickeln.
Wir suchen laufend in der Abfertigung, Security, aber auch in der Verwaltung und in der IT neue Leute. Aktuell suchen wir auch 60 Lehrlinge, verstärkt auch im IT-Bereich und in den technischen Berufen. Wir freuen uns sehr, dass immer mehr Mädchen eine Lehre bei uns machen. Führungspositionen werden überwiegend intern besetzt, gerade in den operativen Bereichen. Wenn ich jungen Menschen einen Rat geben würde, dann im operativen Bereich einen Ferialjob zu machen und sich später während des Studiums intern weiter zu entwickeln. Ich glaube, die Mischung aus einer guten Ausbildung und Praxis hier am Flughafen ist eine gute Chance, um hier Karriere zu machen. Die allermeisten Führungskräfte werden intern besetzt und da hat man auch eine gute Chance. Und eines spricht wohl auch für den Flughafen als Arbeitgeber: Wer länger als 12 Monate bei uns bleibt, bleibt meist sehr lange. 

Nach der Pandemie hat die Reisebranche wieder angezogen. Jetzt warnen Experten vor der nächsten Welle, die Spitäler füllen sich wieder mit Covid-Patienten. Wie sieht die Lage am Flughafen im Herbst/Winter aus?
Mein Eindruck ist, dass das Reiseverhalten der Menschen durch die Pandemie nicht mehr stark beeinflusst wird. Aktuell liegen wir bei 80-90 Prozent vom Vorkrisenniveau. Was sich schon geändert hat, ist, dass kurze Geschäftsreisen, wie zum Beispiel nach Deutschland, weniger geworden sind. Aber insgesamt ist die Reiselust ungebrochen. Das Passagieraufkommen im Sommer war hoch, die Tourismusmärkte Südeuropa, Nordamerika, Middle East und der gesamte arabische Raum erfreuen sich großer Nachfrage. Es kamen auch wieder viele Touristen nach Österreich, was für die heimische Hotellerie sehr positiv ist. Auch für den Winter sind wir optimistisch: Die Nachfrage ist gut, vor allem für Langstreckenziele, wie zum Beispiel nach Bangkok. Wer also zu Weihnachten fliegen möchte, sollte sich besser mit der Buchung beeilen, die Ticketpreise ziehen etwas an. Wir bemerken aber auch anhand der Zahlen, dass sich in Österreich die nächste COVID-19-Welle aufbaut. Wir haben aber in den zwei Jahren Pandemie viel Erfahrung gesammelt, wie wir im operativen Betrieb damit umgehen und haben das gut im Griff. Das Gute an den Impfungen ist ja, dass die Verläufe weniger schwer werden. Daher habe ich auch die Hoffnung, dass sich die Intensivstationen nicht mehr so füllen, wie bei den letzten Wellen. Auch die Grippeimpfung ist wichtig und die werden wir auch im Unternehmen stark propagieren, sodass wir gut durch den Herbst kommen und sicherstellen, dass genug Personal vorhanden ist. 

Immer wieder fallen am Wiener Standort Flüge aus, wegen Pilotenstreiks in anderen Ländern. Flugstreichungen nehmen zu und trüben die Urlaubsfreude von Reisenden noch etwas länger. Dazu kommt, dass viele wegen steigender Flugticketpreise und Umweltgründen auf die Bahn umsteigen. Wie wirkt sich das auf den Flugbetrieb aus?
Dank der Kurzarbeit konnte der Flughafen Wien die sehr verkehrsarmen COVID-19-Krisenjahre ohne Stellenabbau überbrücken, seit April 2022 ist die gesamte Flughafenmannschaft - rund 5.000 Beschäftigte - wieder im Volleinsatz. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen hat der Airport keine Mitarbeiter abgebaut, Abgänge erfolgten lediglich im Rahmen der natürlichen Fluktuation. Damit sind wir gut durch den Sommer gekommen. Es ist vielleicht in Einzelfällen nicht ganz reibungslos gelaufen, aber Zustände mit langen Wartezeiten oder zahlreichen zurückgebliebenen Gepäckstücken, wie man sie an anderen Airports wahrnehmen konnte, gab es bei uns nicht. Auch in der Pünktlichkeit liegen wir im europäischen Vergleich ganz vorne. An dieser Stelle möchte ich mich auch ausdrücklich bei unserer Belegschaft für ihren großen Einsatz bedanken. Alle haben enorm engagiert und täglich, auch im Rahmen vieler Überstunden, dafür gesorgt, dass der Betrieb weitgehend reibungslos verlaufen ist. Teilweise hatten wir über 100.000 Passagiere pro Tag und nicht mehr Flugausfälle als 2019. Natürlich betrifft es auch uns, wenn bei Lufthansa in Deutschland gestreikt wird. Da ist es hilfreich, mit den Airlines am Standort eine gute Kooperation zu haben und ich denke, dass wir gemeinsam mit den Fluglinien das Gröbste fern halten bzw. gut abfedern konnten. 

Wenn das Internet ausfällt: Ein interdisziplinäres Experten-Team, geleitet vom Institut für Produktionswirtschaft und Logistik (BOKU Wien), hat mögliche Konsequenzen eines großflächigen Internetausfalls in Österreich analysiert. Fazit: Das Transportwesen, der Finanzsektor oder Sicherheitstechnik könnten, wenn überhaupt, nur eingeschränkt weiter funktionieren. Wie ist der Flughafen Wien dagegen gerüstet? Würden Flüge ausfallen?
Wir hatten vor einigen Jahren schon einmal einen größeren Stromausfall und haben da schon viele Erfahrungen gemacht. Wir sind bestmöglich geschützt, beziehen Strom über zwei völlig unabhängige Leitungen und haben eine leistungsfähige Notstromversorgung, mit der wir die betriebskritischen Systeme eine Zeit aufrecht erhalten können, bis die Flugzeuge in Wien gut gelandet sind. Diese Systeme werden auch laufend getestet, auch trainieren wir immer wieder verschiedene Sonderereignisse am Standort entsprechend unserer Kriseneinsatzpläne. Aber zieht sich ein Blackout über mehrere Tage hin, wäre auch bei uns kein Betrieb. 

Womit hat der Flughafen in den nächsten Monaten/Jahren Ihrer Meinung nach zu kämpfen?
Die Kostensteigerungen, ausgelöst durch die Energiekrise und Inflation, spüren wir, wie alle anderen Unternehmen, auch. Ich bin aber insgesamt vorsichtig optimistisch für das nächste Jahr. Derzeit sehen wir keine dramatischen Einbrüche bei den Buchungen. Was wir schon wahrnehmen, sind stärkere Spitzenzeiten, eine stärkere Saisonalität und eine Verschiebung hin zum touristischen Verkehr, Geschäftsreisen nehmen eher ab. Kurzfristig ist daher offen, ob und wie sich die aktuelle Krise auf die Nachfrage auswirken wird. Heuer gab es sicher auch einen Nachzieheffekt nach zwei Jahren Reiseeinschränkungen und die starken Steigerungen, wie wir sie heuer gesehen haben, erwarte ich für nächstes Jahr nicht. Langfristig bleibt die Luftfahrt aber eine Wachstumsbranche, das Mobilitätsbedürfnis der Menschen ist ungebrochen. Deshalb werden wir auch unser Projekt der Terminal-Süderweiterung, das wir während der Pandemie ausgesetzt haben, wieder angehen. Das wird unseren Passagieren deutlich mehr Qualität und ein noch besseres Einkaufs-, Gastronomie- und Aufenthaltserlebnis bringen. 

Werden die Ticketpreise weiter steigen?
Das glaube ich nicht. Sie sind aktuell auf einem sehr hohen Niveau. Die gesamte Branche muss  abwarten, wie sich die Krise auf die Nachfrage auswirken wird. Ich denke, dass es diesen Sommer einen gewissen "Nachzieheffekt" gegeben hat – die Auslastung war teilweise um drei bis fünf Prozent höher als 2019, und 2019 war ein sehr intensives Jahr. Ich glaube nicht, dass es diesen Effekt nächstes Jahr auch geben wird. Aber man hat gesehen, die Reiselust der Menschen ist ungebrochen. Die Leute wollen die Welt entdecken und auf Urlaub fliegen, und ich denke, das wird nächstes Jahr auch so sein. Darum gehe ich auch nächstes Jahr wieder von einem Wachstum aus. Wir sind grundsätzlich optimistisch und auf die kommenden Herausforderungen gut vorbereitet. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir ein sehr engagiertes Team haben. Wir haben die letzten zweieinhalb Jahre gut überstanden und ich glaube, schlimmer als das wird es nicht mehr.

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