Tausende Haushalte gingen leer aus
Energiegutschein – AK klagt Republik

Verfassungswidrig? Der Energiekostenzuschuss war nicht allen Österreicherinnen und Österreichern ausgezahlt worden. | Foto: APA Picture Desk
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  • Verfassungswidrig? Der Energiekostenzuschuss war nicht allen Österreicherinnen und Österreichern ausgezahlt worden.
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Die Arbeiterkammer (AK) Vorarlberg klagt die Republik Österreich: Bei der Vergabe des Energiekostengutscheins schauten mindestens 760.000 Haushalte durch die Finger. 

ÖSTERREICH. Der Prozess um den Energiekostengutschein könnte richtungsweisend für Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher sein: Eine Vorarlbergerin, die leer ausging, klagte mit Unterstützung der AK Vorarlberg die Republik Österreich auf Auszahlung der 150 Euro Stromkostenzuschuss, wegen vermuteter Verfassungswidrigkeit. 

760.000 Menschen könnten betroffen sein

Am Bezirksgericht Feldkirch fand am Mittwoch der zweite mündliche Verhandlungstag statt. Die AK legte dar, dass es sich keinesfalls um einen Einzelfall handle, sondern dass Hunderttausende betroffen sein können. „Ein Urteil im Sinne der Klägerin hätte Signalwirkung für alle Betroffenen“, stellt AK Präsident Bernhard Heinzle klar. Um die weitreichenden Folgen des stark kritisierten Energiekostenausgleichsgesetzes (EKAG 2022) darzulegen, hat die AK Vorarlberg eine Berechnung angestellt. Demzufolge erhielten – konservativ berechnet – mindestens 760.000 Haushalte in Österreich nicht die ihnen zustehenden 150 Euro Energiekostenausgleich, obwohl sie alle Voraussetzungen dafür erfüllten.

Bewohner von WG, Wohnblöcken, Heimen betroffen

„Das Gesetz verspottet jene, die Strom zahlen, aber nicht Adressat der Rechnung sind.“ Grund dafür sei, dass die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Gutscheine an einen aufrechten, eigenen Stromliefervertrag – und damit einen eigenen Stromzähler  - gekoppelt waren. Viele Menschen in Österreich verbrauchen und zahlen Strom aber ohne einen eigenen Vertrag und Zähler, etwa wenn sie in geteilten Wohnhäusern, in Wohnblöcken mit nur einem Stromzähler, betreuten Wohneinrichtungen, Studentenwohnheimen oder WGs wohnen. Es liegen zwar eigene Haushalte vor, diese verfügen jedoch nicht über einen eigenen Stromliefervertrag. Die Stromkosten werden dann meistens über die Betriebskosten abgerechnet bzw. mittels Subzähler ermittelt und dann auf alle Haushalte im Gebäude aufgeteilt.

"Zuschuss für Stromzähler"

Das Gesetz sei damit „unsachlich, nicht treffsicher und somit verfassungswidrig“, legte die Klägerseite vor Gericht dar. „Es verspottet all jene, die zwar Stromkosten zahlen, aber nicht der Adressat der Stromrechnung sind. Aus dem Ziel der Bundesregierung, einen Zuschuss für die Verbraucher:innen im Land zu schaffen, wurde ein Zuschuss für Stromzähler.“

Bis zu 20 Beschwerden täglich

Das zeigen aber nicht nur die Berechnungen der AK, sondern auch die tatsächlichen Erfahrungen der Konsumentenschützer. So berichtete Paul Rusching, der damalige Energiereferent der AK Vorarlberg, dass er zu Beginn der Gutschein-Thematik bis zu 20 Beschwerde-Anrufe täglich erhalten hat. Sogar Vermieterinnen und Vermieter meldeten sich, da sie fanden, dass ihren Mieterinnen und Mieter der Gutschein zustehe. „Allein in den ersten vier Wochen nach Beginn der Gutschein-Aussendung hatte ich über 100 Anfragen auf dem Tisch, größtenteils wegen des Stromzählerproblems. In meinen bis dahin 23 Jahren als Energiereferent habe ich so einen Ansturm und so eine Entrüstung zum Thema Energie in der Gesellschaft nicht erlebt.“ Selbst bis heute erhält die AK noch vereinzelt Beschwerden wegen nicht ausbezahlter Zuschüsse.

Republik Österreich schickt trotz Ladung keine Vertreter

Ein Vertreter der Republik Österreich war abermals nicht zur Verhandlung erschienen – obwohl nach dem Nichterscheinen am ersten Verhandlungstag sogar eine Ladung erging. „Das lässt vermuten“, so die Klägerseite, „dass man sich auf Seiten der Verantwortlichen wohl bewusst ist, dass das EKAG 2022 nicht treffsicher ist und man sich keiner Befragung dazu stellen will, in der man das zugeben müsste. Schließlich wurde mit der Neuauflage, dem Stromkostenzuschussgesetz, ja an genau den Stellen, die im EKAG kritisiert werden, nachgebessert.“

Transparenz gefordert

Die Klägerseite beantragte, dass die Republik Österreich alle Berechnungen, Überlegungen, Daten und Fakten vorlege, welche die angebliche Treffsicherheit des EKAG belegen. Denn bislang hat sie keinerlei Informationen dazu zur Verfügung gestellt, weshalb der Anknüpfungspunkt der Zahlungspflicht aus einem Stromlieferungsvertrag „treffsicher“ sein soll. Dafür sind lediglich zwei Gründe denkbar sind: zum einen, dass die Republik diese Daten und Fakten gar nie erhoben hat, weshalb sie nicht zur Verfügung stehen, oder dass die Daten und Fakten die Argumentation der Klägerin stützen.

AK Präsident Bernhard Heinzle bekräftigte erneut die Unterstützung für die Klägerin: „Für uns steht außer Frage, dass der Frau der Energiekostengutschein und damit die 150 Euro zustehen. Deshalb tun wir, was in unserer Macht steht, sie zu ihrem Recht zu bringen. Darüber hinaus hätte eine Entscheidung im Sinne der Klägerin Signalwirkung für alle 760.000 Haushalte, die unrechtmäßig leer ausgingen.“

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