31. Oktober
Pfarrer Andreas Gerhold: "Reformation ist immer aktuell

- Andreas Gerhold, Pfarrer in der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Stainz – Deutschlandsberg, sieht die Reformation aus dem 16. Jahrhundert als beständigen Prozess.
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Der evangelische Pfarrer Andreas Gerhold über die Aktualität der Reformation, den Weg der Jugend im Religionsunterricht, Buchdruck und Digitalisierung als revolutionäre Technologien und das Zusammenfallen des Reformationstages mit Halloween am 31. Oktober.
BEZIRK DEUTSCHLANDSBERG. Der Reformationstag jährt sich am 31. Oktober zum 505. Mal. Martin Luther hat mit der Veröffentlichung der 95 Thesen in Wittenberg eine kirchenpolitische und zugleich gesellschaftspolitische Lawine losgetreten.
MeinBezirk.at hat den nahenden Reformationstag zum Anlass genommen, um mit Andreas Gerhold, Pfarrer in der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Stainz – Deutschlandsberg, die Aktualität der Reformation im 21. Jahrhundert zu beleuchten.
MeinBezirk.at: Auch wenn 1517 andere Themen im Fokus der Menschen gestanden sind, wie aktuell ist Reformation heute noch?
ANDREAS GERHOLD: Ich sehe darin eine ebenso dringliche Aktualität wie vor 505 Jahren. Reformation bedeutet „Veränderung, Erneuerung“, die sich eben nicht abnutzt wie das Papier, auf das die 95 Thesen gedruckt wurden.
Offensichtlich hat sich nicht viel verändert. Wir erleben eine weltweite Verarmung und ein signifikantes Steigen der Vermögen einiger weniger. Wir erfahren Krieg, Krankheit, eine religiöse Welle, die in Beliebigkeit abdriftet.
Zwischen 1517 und 2022 sehe ich also nicht so viel Unterschied, abgesehen von den technischen Möglichkeiten und den Lebensumständen, die sich in unserem Teil der Welt dann doch sehr verändert hat. Ob zum Besseren, ist eine offene Frage.
Die Bibel als "Bestseller"
MeinBezirk.at: Die Erfindung des Buchdruckes von Johannes Gutenberg war revolutionär und zugleich maßgeblich für die Massenverbreitung der von Martin Luther erstmals vom Lateinischen ins Deutsche übersetzten Bibel. Was hat die Menschen im 16. Jahrhundert so sehr daran begeistert, dass die Bibel quasi zu einem „Bestseller" geworden ist?
ANDREAS GERHOLD: Einmal war den Menschen der Kauf von Büchern generell nicht möglich. Bücher waren zu teuer, meist in Latein abgefasst und es gab nur geringe Auflagen für Bibliotheken und königliche Schriftsammlungen. Viele Menschen konnten nicht lesen und/oder schreiben. Der private Besitz der Bibel war den privaten Haushalten gar verboten.
Dann kam der Buchdruck: Damit waren große Auflagen möglich, auch in deutscher Sprache. Allerdings in deutschen Sprachablegern, die in Mainz verstanden wurden, in Wittenberg schon wieder nicht.

- Martin Luther schlägt 1517 die Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg. Ob es sich wirklich so zugetragen hat wie auf diesem Gemälde von Ferdinand Pauwels aus dem Jahr 1872 dargestellt bleibt offen.
- Foto: Pauwels/gemeinfrei
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Und dann kam Luther, zuerst mit der Übersetzung des griechischen Neuen Testaments und etwas später mit der Übersetzung des Alten Testaments aus dem Hebräischen. 1534 konnte die erste „Lutherbibel“ von Hans Lufft in Wittenberg gedruckt werden, diese noch in prächtiger Ausstattung, aber nicht lange danach in einer billigeren, leistbaren Ausgabe.
MeinBezirk.at: Und der sprachliche Ausdruck?
ANDREAS GERHOLD: Luther hatte das Geschick, aus den verschiedenen deutschen Dialekten diejenigen Wörter, Sprachbilder, Satzstellungen zu verwenden, die über die regionalen Sprachgrenzen verstanden wurden. Er hat somit eine Vorform einer allgemeinen deutschen Alltagssprache geprägt.
MeinBezirk.at: Heute ist man über die sozialen Medien quasi überall in Echtzeit miteinander vernetzt. Ist die Digitalisierung von heute mit dem revolutionären Effekt des Buchdruckes von damals vergleichbar?
ANDREAS GERHOLD: Auf alle Fälle. Die Geschwindigkeiten im Alltag waren längst nicht so groß wie sie heute sind. So galt eine Zustellzeit eines Buches von drei, vier Tagen oder auch einer Woche als zeitgerecht.
Entscheidend aber für die Verbreitung der Thesen Luthers und damit den richtigen Schub seiner Anliegen war die große Auflage, die durch den Buchdruck möglich geworden ist. Mehrere tausend Stück pro Tag waren für die Druckereien kein Problem. Heute gedruckt, morgen gelesen: für das 16. Jahrhundert praktisch in Echtzeit verbreitet.
MeinBezirk.at: Sie unterrichten Religion an mehreren Schulen im Bezirk Deutschlandsberg. Wie kann man der Jugend das Wesen der Reformation zeitgemäß nahe bringen?
ANDREAS GERHOLD: Durch die Verknüpfung der Anliegen der Reformation mit ihrer eigenen „reformatorischen“ Biographie. Die Reformation waren ja nicht nur die 95 Thesen zur Erneuerung der Kirche.
Mit der Reformation wurden weitere Lebensthemen aufgebracht: Stellung der Familien, die Rolle der Frau: Katharina von Bora, die Gattin Luthers, galt und gilt als außerordentlich selbständige Begleiterin ihres Mannes. So wurde auch die Bildung der Bevölkerung vorangetrieben. Luthers „Kleiner Katechismus“ ist ein Glaubenslehrbuch für zuhause. So findet auch in den Biographien der Schülerinnen und Schüler eine fast tägliche Veränderung statt. Diese in die Richtung einer „Erneuerung“ zu lenken, diesen Weg mit den jungen Menschen ein Stück mitzugehen, das ist meine Aufgabe als Religionslehrer.
MeinBezirk.at: Heute sucht die Kirche in der Ökumene vielmehr das Verbindende als das Trennende. Auch die 500-Jahr-Feier zur Reformation ist im ökumenischen Sinn gefeiert worden. Wie erleben Sie das Zusammenwirken der römisch-katholischen Kirche und der evangelischen Kirche speziell in unserem Bezirk?
ANDREAS GERHOLD. In den 32 Jahren meines Dienstes als Pfarrer hat sich die Ökumene vom Besonderen zum Anerkannten gewandelt. Vieles ist selbstverständlich geworden, wie ökumenische Gottesdienste, Eröffnungen, Segnungsfeiern, die Zusammenarbeit in der Seelsorge, bei den Blaulichtorganisationen und anderes mehr.
Es stimmt auch meine ökumenische Seele traurig, dass für die Priester nur sehr wenig Zeit bleibt für einen intensiveren Dialog. Weil sie mit ihren eigenen Aufgaben in größeren Wirkungsräumen schon sehr ausgelastet sind. Aber das Anliegen, miteinander einen Diskurs weiterzuführen, auch neues Verbindendes zu entdecken, bleibt aufrecht. Von beiden Seiten. Das setzt mich auch für die ökumenische Zukunft in unserem Bezirk und darüber hinaus in eine positive Stimmung.
MeinBezirk.at: Den 31. Oktober verbinden viele eher mit Halloween als mit dem Reformationstag. Wie sehen Sie diese Überschneidung?
ANDREAS GERHOLD: Da beide Traditionen verschiedene Wurzeln haben, ihre Bedeutungen gänzlich entgegengesetzt sind, Halloween auch auf keine Erneuerung aus ist, ist es für mich nur eine Datumsüberschneidung.

- Der Krabbelgottesdienst für die ganz Kleinen findet am 30. Oktober um 10 Uhr in der Evangelischen Christuskirche in Deutschlandsberg statt.
- Foto: Veronik
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Die Personen, die sich damit beschäftigen, wissen genau, was sie wollen und können ihre eigene Entscheidungen treffen, wo sie am 31. Oktober lieber hingehen wollen: zur Halloween-Party oder zur Feier der Reformation in die Kirche.
Da kann ich gleich einen Hinweis geben: den Gottesdienst zum Reformationstag feiern wir am 31. Oktober um 19 Uhr in der Evangelischen Friedenskirche in Stainz. Wer immer kommen möchte ist herzlich eingeladen!
Gottesdienste der evangelischen Pfarre A.B. Stainz – Deutschlandsberg.
30. Oktober: Gottesdienst für die ganz Kleinen mit ihren Familien. Der Krabbelgottesdienst! Am 30. Oktober um 10 Uhr in der Evangelischen Christuskirche in Deutschlandsberg.
31. Oktober: Gottesdienst zum Reformationstag am 31. Oktober um 19 Uhr in der Evangelischen Friedenskirche in Stainz.
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