Frohnleiten
Zwei Stolpersteine für die Familie Weiss
Am 3. Juli hat der Verein für Gedenkkultur in Kooperation mit der Stadtgemeinde Frohnleiten vor dem Rathaus zwei Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an Samuel Weiss und Katharina Weiss.
FROHNLEITEN. Man sagt, dass erst die Gründung der Kaltwasserheilanstalt im Jahr 1867 Frohnleiten in einen gut besuchten Ort verwandelte. Wo heute die Stadtgemeindeverwaltung angesiedelt ist, lebte ab 1918 der jüdische Wiener Arzt Samuel Weiss mit seiner Familie – das Haus wurde ihnen mit der Machtübernahme der NSDAP zwangsenteignet. Mit einer Stolpersteinverlegung wurde am Sonntag der Familie gedacht.
Eigentum einer jüdischen Familie
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Kaltwasserheilanstalt um einen großen Neubau erweitert. Die Nachfrage war groß, die Kurgäste reisten in Scharren an. Der Arzt Eduard Hohmann beantragte die Erweiterung des Kurbetriebes und erhielt die Bewilligung zur Errichtung und den Betrieb einer Wasserheilanstalt im Haus Frohnleiten Nr. 34 (heute: Frohnleiten, Bruckerstraße 2), die Benutzungsbewilligung erhielt er im Jahre 1905. Nach dem Tod Hohmanns erbte Betty Edle von Feyrer das "Sanatorium Austria" aufgrund des Einantwortungsbeschlusses vom 9. September 1909.
Sie verkaufte das Haus im Oktober 1918 an den Wiener Arzt Samuel Weiss, Doktor der gesamten Heilkunde. Damit ging das heutige Rathaus der Stadtgemeinde Frohnleiten in das Eigentum einer jüdischen Familie über. 1937 wurde das Sanatorium nach gut 30 Jahren im Betrieb geschlossen: Der Familie wurden die Konzessionsrechte entzogen, sie wurden ausgebürgert, ihr Vermögen verfiel dem Deutschen Reich.
Erben hatten keinen Zugang
Mit seiner Frau Katharina, geborene Haas, hatte Weiss drei Kinder: Maria Magdalena Weiss, geboren 1900, hielt sich zuletzt in Wien auf, wanderte im Jahr 1935 nach Jerusalem aus. Tochter Gertrude, später Friedländer, geboren 1902, war als praktische Ärztin tätig und ebenso zuletzt in Wien zu Hause. Sie heiratet den Juristen Walter Friedländer und wanderte mit ihm in die USA aus. Der Sohn Emmerich Weiss, geboren 1906, war Jurist und als Strafverteidiger tätig – bis zum Berufsverbot durch die NS-Gesetze.
Samuel Weiss verstarb am 16. März 1937, Katharina Weiss am 8. April 1938; noch bevor es zur grundbücherlichen Übertragung der Liegenschaftsanteile auf die Erbinnen und Erben kommen konnte. Durch ihren Tod erloschen die sanitätsbehördliche Konzession und die gewerbliche Witwenkonzession. Da die Nachfahren "Nichtarier" im Sinne der Nürnberger Rassengesetze waren, hatten sie keinen Zugang zum Erwerb neuer Konzessionsrechte.
Eigentum beschlagnahmt
Das Sanatorium war seit 30 Jahren als Saisonbetrieb geführt worden, daher erfolgte die Schließung am 7. November 1937, eine Weiterführung im Frühjahr war aufgrund der fehlenden Berechtigungen nicht mehr möglich. Katharina Weiss hatte testamentarisch ihren Sohn Emmerich als Universalerben für ihren Anteil eingesetzt, die beiden Schwestern erhielten den Pflichtteil. Die neue politische Situation wirkte sich ganz unmittelbar auf die Erbschaft der Geschwister aus, die Liegenschaft in Frohnleiten wurde nun von der Gebührenbehörde neu bewertet.
Im "Verzeichnis über das Vermögen von Juden" der Geschwister stellt ihr jeweiliger Anteil am Sanatoriumsgebäude und dem dazugehörigen Garten und Acker den mit Abstand wichtigsten Posten dar, für Emmerich Weiss und Gertrude Friedländer wurden noch das Inventar ihrer Wohnungen beziehungsweise ihrer Arztpraxen, wertvolle Bilder, Teppiche, Schmuck und persönliche Gegenstände angeführt. Das Verzeichnis für Maria Magdalena Weiss wurde von ihrer Schwester unterschrieben, der sie vor ihrer Ausreise nach Israel im September 1937 eine Vollmacht erteilt hatte.
Bereits im März 1938 wurde das Sanatoriumsgebäude beschlagnahmt "und ab 15.3.1938 von militärischen Formationen, SS und HJ zur Gänze in Anspruch genommen" (laut Aussage von Emmerich Weiss im Rahmen der Erhebung über sein Vermögen; Quelle: Österreichisches Staatsarchiv – Archiv der Republik).
Interesse an der Liegenschaft
Aus dem Kaufvertrag geht hervor, dass "Herr Franz Freiherr von Mayr-Melnhof bzw. dessen Zenralverwaltung" unmittelbar nach der Beschlagnahmung der Liegenschaft an dieser interessiert war. Weil die Geschwister aber bereits Österreich verließen und es nicht zu einem Kaufvertrag kam, kam es auch zu keiner ordentlichen Kaufabwicklung.
Im Juli 1938 erstellte die von Franz Mayr-Melnhof gegründete Gemeinnützige Steirische Wohnungsunternehmung Piberstein-Frohnleiten-Kaisersberg einen Kaufvertrag und ersuchte in Graz um Genehmigung für einen Kauf an.
Der Vertrag wurde nur wenige Tage späte storniert, da man vorhatte, aus dem Gebäude mehrere Kleinwohnungen für Arbeiterinnen und Arbeiter zu machen, das Gebäude dafür aber nicht vorgesehen sei. Sein Rechtsanwalt stellte ein Ansuchen um die Aufhebung der staatlichen Beschlagnahme der Liegenschaft, um auf diesem Weg die Eintragung des Eigentumrechtes für Mayr-Melnhof zu erreichen. Zu einem Kauf kam es nicht, wohl aber zur Pacht.
Am 7. Juni 1947 wurde die Beschlagnahmung aufgehoben, die Anmerkung aus dem Grundbuch gelöscht. Die Geschwister wurden wieder Eigentümerinnen und Eigentümer.
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