Überhangrecht des Nachbarn
Heckenschneiden, Obsternte und Ästewirrwarr
Die ersten Keime sprießen, die Zeit des Heckenschneidens ist gekommen. Somit auch die Chance auf potentielle Streitereien zwischen Nachbarn mit üppigem Gewächs. Welche Seite des Zauns muss sich um den grünen Wildwuchs kümmern und wann darf ich Selbstjustiz üben und Hand anlegen?
Es ist ein Paradefall von Jusstudierenden des ersten Semesters: Das Überhangrecht. Als "Überhang" bezeichnet man jene Teile einer Pflanze, die von einem fremden Grundstück auf das eigene ragen. Bereits in den Gesetzen des Alten Roms, um ca. 450 vor Christus, war das Thema brisant und bedurfte einer rechtlichen Bestimmung. Im Wesentlichen gilt diese bis heute. So regelt § 422 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) Folgendes "Jeder Eigentümer kann die in seinen Grund eindringenden Wurzeln eines fremden Baumes oder einer anderen fremden Pflanze aus seinem Boden entfernen und die über seinem Luftraum hängenden Äste abschneiden oder sonst benützen. Dabei hat er aber fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen."
Selbsthilferecht auf eigene Kosten
Das Überhangrecht besagt also, dass der beengte Nachbar, alles, was auf seinen Grund ragt und ihn nervt, entfernen oder – wenn es ihm schmeckt – pflücken und essen darf. Allerdings hat er dabei keine Möglichkeit, dem anderen die Kosten für eine Entfernung aufzubrummen. Es sei denn die überhängenden Pflanzenteile stellen eine Gefahr dar, dann muss der Pflanzeneigentümer die Hälfte der Kosten übernehmen. Und seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2004 muss beim selbstjudizierenden Schneiden, Pflücken oder Wurzelausreißen möglichst pflanzenschonend vorgegangen werden.
Keine Pflicht des Heckenzähmens
Umgekehrt bedeutet das im Gesetz verankerte Selbsthilferecht aber auch, dass der Nachbar mit übergrünem Daumen nicht verpflichtet ist, seine Pflanzen zu bändigen. Auch hat man kein Recht auf Sonne und kann den Nachbarn nicht zu einem Stutzen des schattenbringenden Gewächses zwingen. Eine Grenze erfährt das wilde Wuchern nur dann, wenn die Pflanzen die Sicht auf die Straße oder den Gehweg beeinträchtigen und damit die Verkehrssicherheit behindern. In diesem Fall kann die Behörde eingreifen und die notwendigen Schritte anordnen. Ansonsten gilt: Wachsenlassen erlaubt.
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