Im Interview
Bischof Willhelm Krautwaschl über Krieg, Krisen und die Karwoche

Im Interview mit meinbezirk.at: Bischof Wilhelm Krautwaschl im Ostergespräch 2022. | Foto: Jörgler
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Zum Osterfest hat sich meinbezirk.at ausführlich dem steirischen Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl unterhalten – über Gott, den Krieg in der Ukraine und den Dialog mit den Katholiken und Katholikinnen in der Steiermark.

MeinBezirk.at: Die Lage auf der Welt wirkt gerade dramatisch. Wohin geht diese Reise ...?
Bischof Wilhelm Krautwaschl:
Ich bin kein Wahrsager. Was ich anbieten kann, ist Hoffnung, gerade zu Ostern, angesichts dessen, was wir feiern: Der Tod ist nicht das Ende des Lebens, sondern das Ende des Sterbens. Ich habe einen befreundeten Bischof in Lemberg, der schickt mir nahezu jeden Tag Bilder der Hoffnung. Das letzte Bild war das einer Trauung, ein Paar, das noch geheiratet hat, bevor er in den Krieg ziehen musste. Das zeigt mir, dass Menschen, die in einer außergewöhnlichen Situation sind, aus dem Glauben eine besondere Kraft schöpfen können.

Kann man von diesen Menschen lernen?
Ganz sicher. Gerade angesichts der Fragen, die sich bei uns gerade stellen, die Teuerungen, die Probleme, bei denen es aber nie um Leib und Leben geht: Vielleicht verlangt das der Herrgott gerade von uns, dass wir die Fundamente unseres Daseins ausgraben, die nicht nur aus "schaffe, schaffe, Häusle baue" bestehen.
So manches kommt in diesen aktuellen Fragen hoch. Vielleicht haben wir schon in den Jahren zuvor, weil es uns so gut gegangen ist, nicht miteinander beschäftigt, sondern nebeneinander gelebt. Die Spaltung der Gesellschaft ist nicht durch Corona gekommen, die war schon vorher da.

Welche Fragen stellen sich jetzt?
Können wir auch auf einem geringeren Standard leben? Das sind wir nicht gewohnt, das wird uns aber abverlangt werden. Da geht es nicht nur um Krieg und Corona, da gehört die Klimafrage dazu, die Sanktionen, die Inflation – das alles trifft auf eine Generation der "work-life-balance. Ein Unwort, weil es impliziert, dass Arbeit nicht zum Leben gehört. Was ist wirklich "notwendend", ist es Ziel, wirklich alles in diesem Leben zu erreichen? Ist uns die Perspektive für unser Sein abhanden gekommen?

Wie könnte man es besser machen?
Wir müssen wieder schauen, was uns verbindet, wir brauchen gemeinsame Ziele, zwar mit unterschiedlichen Einstellungen, mit unterschiedlichen Ideologien, aber gemeinsam. Gerade in der Ukraine-Frage merke ich in Österreich da wieder einmal eine Welle der Solidarität.

Wie lange wird die Solidarität halten, wann kippt das?
Man kann in allem das Negative sehen, da sind wir halt gelernte Österreicher – die Diskussion um die tollen Autos, die Ukrainer in Wien  haben, ist ein solches Beispiel. Da werden wir einen langen Atem brauchen.

Wo sind wir als Gesellschaft falsch abgebogen?
Weil wir halt alle stark als "Ich" unterwegs sind, wie am Beispiel der Klimakrise. Es soll sich alles ändern, nur "ich" nicht. Gerade wir Europäer tun immer so, als ob wir etwas Besseres wären, dabei haben wir da als westliche Welt schon einiges an Negativem abgeliefert. Da lehrt mich mein Glaube etwas anderes: Was kann ich in meinem Bereich meinen Teil gut machen, meinen Beitrag leisten? Wir sind leider schon eine Zeitlang so unterwegs, dass wir den Nächsten nicht mehr im Blick haben.

In Sachen Klima zum Beispiel?
Liebe deinen Nächsten heißt auch: Liebe die nachkommende Generation. Und da tut sich wirklich etwas, ich habe großen Achtung vor den jungen Menschen, die fürs Klima auf die Straße gehen. Sie machen uns aufmerksam, dass wir nur diese eine Welt haben. Und wir sollten uns die Frage stellen: Auf was kann ich verzichten in meinem Leben?

Was ist denn die ganz persönliche Antwort auf diese Frage?
Ich habe letztes Jahr mein privates Auto hergegeben. Nach sechs Monaten bin ich das erste Mal in die Verlegenheit gekommen, dass ich privat eines gebraucht hätte. Da bin ich dann halt mit einem "tim"-Auto gefahren. Und zu meiner Mutter nach Gleisdorf fahre ich mit der Bahn. Und ja, vieles gelingt mir auch nicht, das ist nur allzu menschlich. Menschen nehmen an mir Anstoß, weil ich etwas gemacht habe. Sie nehmen das so wahr und das ist zu akzeptieren.

Wie lautet Ihr Rezept?
Das ist wie in Beziehung, es geht auch ums Verzeihen, wir müssen versuchen, das wieder zu lernen. So wie es ein Priester in der Oststeiermark schon seit vielen Jahren Ehepaaren den Rat gibt, nicht unversöhnt einzuschlafen. Geduld ist da wichtig, hinzuhören, was der andere wirklich meint. Leider hört man eben oft gar nicht hin, sondern interpretiert in das Gehörte hinein, was man hören will.

Ein heikles Thema: die Missbrauchsfälle in der Kirche ...
Manchmal schauen wir als Gesellschaft halt nicht gut hin. In unserer Kirche, wo wir seit zehn Jahren ein massives Programm haben, das seinesgleichen sucht, mit Prävention, mit Schulungen und vielem mehr – und werden dafür geprügelt, was wir an Positivem tun. Im Gegensatz dazu rührt sich gesamtgesellschaftlich gar nichts. So als ob es nur bei uns Missbrauch gäbe. 

Warum bricht das trotzdem immer wieder auf?
Da schwappen auch immer wieder Dinge nach Österreich, aus Deutschland, auch aus Frankreich. Ich heiße das nicht gut, aber ein genaueres Hinschauen wäre wünschenswert. Wir müssen halt oft als Sündenböcke herhalten.

Wie spielt der synodale Prozess da hinein?

Das ist ein Segen, auch in unseren Breiten. Weil wir Haltungen einüben, uns die Frage stellen: "Wie kann ich dich hören?" Da geht es noch gar nicht um Konsequenzen, die kommen dann ohnehin. Gerade in einer Gesellschaft, die sich auseinander entwickelt, ist diese Haltung notwendig. Wie können wir als Kirche zum gesellschaftlichen Dialog beitragen, ist eine der großen Themen, die wir uns vornehmen.

Welche Punkte sind in diesem Prozess noch wesentlich?
Sechs Leitlinen wollen wir besonders anschauen: Was bedeutet es, heute Gottesdienst zu feiern? Wie steht es um die Rolle der Frau in der Kirche? Wie definieren wir die Rolle des Priesters? Wie steht es um die verschiedenen Berufsbilder wie etwa Religionslehrer? Wie gehen wir auf ausgegrenzte Gruppen – wie zum Beispiel die Geschiedenen – zu? Und wie gehen wir mit unseren Sakramenten um, wo brauchen die Menschen die Zusage der Nähe Gottes? Wir wollen da unsere Hausaufgaben machen.

Was können Sie uns in die Osterwoche mitgeben?
Am Mittwoch vor Ostern werden die heiligen Öle gesegnet – jene für die Taufe, die Firmung, die Krankensalbung, die Sterbesakramente. Um das geht es: Ums Leben. Und dafür braucht es einen Schutz, wir stehen für diesen Schutz Gottes ein.

Ihre Botschaft?
Gott ist mit uns. Vertraut darauf. Trotz aller Krisen, wir nehmen das sehr ernst – macht euch wieder auf die Suche nach Gott.

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