Theaterkritik
Die Bühne wird zum Massengrab

Einmal quer durch die Apokalypse: Percy Shelley (Mathias Lodd), Mary Shelley (Henriette Blumenau) und Lord Byron (Florian Köhler). | Foto: Lex Karelly
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  • Einmal quer durch die Apokalypse: Percy Shelley (Mathias Lodd), Mary Shelley (Henriette Blumenau) und Lord Byron (Florian Köhler).
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Ein apokalyptisch-surrealistisches Durcheinander der Sonderklasse: Mit "Der letzte Mensch" ist das Schauspielhaus Graz gestern in die neue Saison gestartet. 

Angst vor Untoten darf man nicht haben, wenn man sich für die Adaption von Mary Shelleys Schauerroman "Der letzte Mensch" ins Schauspielhaus wagt. Denn Alexander Eisenach zieht in seiner Adaption des dicken Schinkens, der 1826 erschien und nicht gerade auf Begeisterung beim Publikum stieß, alle Grusel-Register. Und benutzt ganz nebenbei jeglichen Schnickschnack, den die Bühne zu bieten hat: Von wabernden Nebelschwaden über Raumschiffe, die im Boden versinken bis hin zum Feuerwerk ist an diesem Premierenabend alles dabei. 

Handlung, wer braucht das schon?

Mit dem originalen Roman, den die Autorin von "Frankenstein" nach dem Tod ihrer engsten Angehörigen schrieb, ist in dieser Version allerdings nicht mehr viel übrig geblieben. Anstelle einer Geschichte über eine tödliche Seuche, die nach und nach alle Menschen auf der Erde dahinrafft – kein Wunder, dass der Roman gerade eine Renaissance erfahren hat – erwartet die Premierenbesucher ein Durcheinander aus Assoziationen. Eine Grusel-Szene reiht sich an diesem Theaterabend an die nächste. Einzig roter Faden sind die Figuren: Mary Shelley (grandios hysterisch: Henriette Blumenau), Lord Byron (ein dramatisch lamentierender Florian Köhler) und Percy Shelley (Mathias Lodd) stolpern durch eine Apokalypse, die sich wahrlich sehen lassen kann. 

Was braucht es für einen anständigen Weltuntergang? Richtig! Zombies.  | Foto: Lex Karelly
  • Was braucht es für einen anständigen Weltuntergang? Richtig! Zombies.
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Raumschiff und Zombietanz

Eisenach imaginiert einen langgezogenen Weltuntergang (gut zweieinhalb Stunden dauert das Stück), in dem von fleischfressenden Untoten über einen gesanglich nicht allzu gut aufgestellten Gevatter Tod bis hin zur Flucht von der Erde über ein im Theaterboden verstecktes Raumschiff nichts fehlen darf. Doch ungezügeltes Chaos ist nicht das einzige Ziel des Abends: Hinter der dystopischen Inszenierung steckt auch jede Menge Kritik. An der Art und Weise, wie die "Letzten" Menschen mit ihrem Planeten umgehen. Oder an einer Gesellschaft, für die Leistung und Produktion einfach mehr Mehrwert hat, als die hysterische Mary Shelley, die stellvertretend für die Kunst zwischendurch von der Bühne verbannt wird.

Durchhaltevermögen gefragt

Wie mit einem solchen Stück umgehen? Die Zuschauer haben ihren eigenen Weg gefunden: In der Pause pilgern einige Richtung Ausgang. Das sei ihnen zu hysterisch, ist zu hören. Kein Wunder, dass die Ränge zur zweiten Halbzeit deutlich leerer sind. Doch die, die durchhalten, werden auch zum Abschluss mit spektakulären Szenen der Zerstörung belohnt. Es gilt, nicht nach einer linearen Handlung zu suchen, sondern sich einfach vom Bühnengeschehen einsaugen zu lassen. Durchhaltevermögen ist zum Auftakt der neuen Saison im Schauspielhaus gefragt  – und zahlt sich auch aus. Noch selten hat wohl ein Stück eine Bühne so schön in ein Massengrab verwandelt. 

Mehr Information: 

Der letzte Mensch. Nach dem Roman von Mary Shelley. 
Regie: Alexander Eisenach.
Mitwirkende: Lisa Birke Balzer, Henriette Blumenau, Fredrik Jan Hofmann, Florian Köhler, Mathias Lodd, Alexej Lochmann, Raphael Muff, Clemens Maria Riegler.

Weitere Vorstellungen: am 21. und 23. September sowie am 6., 8., 9., 13. und 21. Oktober, jeweils 19.30 Uhr, außerdem am 26. September um 15 Uhr
Tickets:schauspielhaus-graz.com

Einmal quer durch die Apokalypse: Percy Shelley (Mathias Lodd), Mary Shelley (Henriette Blumenau) und Lord Byron (Florian Köhler). | Foto: Lex Karelly
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