Häfen-Reportage
Grazer Architekten weltweit als Gefängnisbauer gefragt

Das Erstlingswerk: 2004 eröffnete die von "hohensinn architektur konzipierte Justizanstalt Leoben – damals als "Luxushäfen" kritisiert. | Foto: Freisinger
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  • Das Erstlingswerk: 2004 eröffnete die von "hohensinn architektur konzipierte Justizanstalt Leoben – damals als "Luxushäfen" kritisiert.
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Niemand will hinein, (fast) alle wollen schnell wieder hinaus, richtig Freude hat keiner mit dem Thema. Die Rede ist von den schwedischen Gardinen, dem Knast oder, auf gut wienerisch, vom Häfen, kurz: Wir reden vom Gefängnis.

Grazer Gefängnisarchitekten

Irgendwer muss die ungeliebten Gebäude dennoch bauen – und da führt die Spur überraschenderweise nach Graz, am Grieskai sitzen echte "Häfen-Experten".  Aber zurück an den Anfang: 1998 gründete Josef Hohensinn das Büro "hohensinn architektur", seit 1999 ist Karlheinz Boiger an Bord. Und an die Anfänge der Gefängnisarchitektur kann er sich bestens erinnern: "Anfang der 2000er-Jahre hat die Bundesimmobiliengesellschaft den Neubau der Justizanstalt Leoben ausgeschrieben." Ein absolutes Novum, den seit vielen, vielen Jahrzehnten wurde in Österreich kein Gefängnis mehr gebaut, die Karlau etwas gibt es seit dem 19. Jahrhundert, seit damals wurde sie immer wieder nur adaptiert. Auch die Strafanstalt Jakomini wurde bereits 1890 erbaut.

Gefängnis war "viel zu schön"

"hohensinn architektur" gewann die Ausschreibung – und stand vor einer riesigen Herausforderung: "Wir hatten ja keine Erfahrung, mussten uns das alles in einem gemeinsamen Prozess mit den Justizwachebeamten und dem Ministerium erarbeiten." Wesentlicher Partner war damals vor allem Major Josef Adam, gemeinsam entwickelte man für Leoben eine neue Ausrichtung, erstmals gab es einen Wohngruppen-Vollzug, das Architektenteam arbeitete viel mit Glas, Lichtdurchlässigkeit und offenen Flächen. Genau dafür hagelte es nach der Eröffnung 2004 auch jede Menge Kritik, erinnert sich Boiger: "Viele, auch die Medien, haben das skeptisch betrachtet." Das Gebäude sei viel zu schön für den Zweck, den es erfüllen sollte, hieß es damals, schnell war die Rede vom "Luxushäfen". Boiger entgegnet die Kritik mit zwei wesentlichen Punkten: "Einerseits sprechen wir gerade in Leoben von Häftlingen, die nach rund zwei Jahren wieder ins normale Leben zurückkehren, da macht ein würdevoller Umgang im Sinn der Resozialisierung durchaus Sinn." Noch schwerer wiegt das zweite Argument: "Uns ging es vor allem auch darum, für die Justizwachebeamten, die ja oft ein Leben lang im Gefängnis verbringen, ein gutes Arbeitsumfeld zu schaffen." Mit Erfolg übrigens, Leoben weist vergleichsweise weniger Krankenstände auf als andere Justizanstalten.

Gefängnis, eine komplexe Aufgabe

Was war nun das besondere am Gefängnisbau? "Das ist eine hochkomplexe Planung, ein Gefängnis ist ja eine Stadt in der Stadt." Sprich: Es gibt eine Krankenstation, eine Kirche, Turnsäle, eine Bibliothek, ein Kino, Werkstätten und vieles mehr. "Dabei muss immer gewährleistet sein, dass es getrennte Wege gibt: für die Häftlinge, das Personal, die Besucher", erläutert Boiger die Besonderheiten.
Damit hat das Büro "hohensinn" natürlich jede Menge Know-how gesammelt und ist mittlerweile international gefragt. "Es gibt ja weltweit nur eine Handvoll Architekten, die sich mit dieser komplexen Materie auskennen", so Boiger. So trägt das Gefängnis Heidering in Berlin die Handschrift der Grazer Architekten, in Argentinien hat man eine Machbarkeitsstudie für elf Gefängnisse erstellt, bei einer Ausschreibung in Belgien war das Team vertreten, bei einer großen Konferenz in Australien sind Boiger und Co. als Referenten angefragt. Und: Auch den Wettbewerb für die Erneuerung und Erweiterung der Justizanstalt Jakomini in der Conrad-von-Hötzendorfstraße hat das Büro "hohensinn" gewonnen. Allerdings wurden die Mittel dafür eingefroren, für den aktuellen Justizminister hat dieses Projekt offenbar keine Priorität.

Das macht "hohensinn architektur" noch

Natürlich ist der Gefängnisbau nur eine Facette der Tätigkeit des Grazer Architekturbüros. Vor allem im Hotelbereich gibt es umfassende Aktivitäten, unter anderem stehen das Domhotel in Linz oder das Falkensteiner in Schladming auf der Referenzliste. Den Österreich-Pavillon bei der Expo 2015 hat man ebenso konzipiert wie das Gemeindezentrum Lannach, den Bahnhof Zeltweg oder das Stadion Bad Aussee.
In Graz gehen unter anderem das Wasserwerk Andritz, die Volksschule Viktor Kaplan (ausgezeichnet mit dem Holzbaupreis 2017) oder das "Reininghaus Quartier 7" auf ihre Kappe. Vorrangiger Werkstoff des Architektenteams ist dabei – aus Überzeugung – Holz.

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