"Gelebte Utopie"
Grazer Terrassenhaussiedlung gilt als Vorzeigeprojekt

Brutalistisch, strukturalistisch und partizipativ: Die Grazer Terrassenhaussiedlung ist weit über Österreichs Grenzen hinweg bekannt. | Foto: Alexander Krischner, 2018
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  • Brutalistisch, strukturalistisch und partizipativ: Die Grazer Terrassenhaussiedlung ist weit über Österreichs Grenzen hinweg bekannt.
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Die Terrassenhaussiedlung in Graz-St. Peter gilt als international bekannte Ikone der Wohnbauarchitektur. Nun liefert das Buch "Gelebte Utopie" eine Sammlung von architekturhistorischen und -kritischen Texten über die Siedlung, gibt Einblicke in die Lebenswelten der Bewohnerinnen und Bewohner und bietet auch für Laien interessante Zugänge. Wir haben mit dem Herausgeberduo Eugen Gross und Andrea Jany gesprochen. 

GRAZ. Sie kann mit Fug und Recht als "Old Lady" bezeichnet werden, die sich ihren unangefochtenen Status erarbeitet hat: Schließlich gilt die 1965 geplante und zwischen 1972 und 1978 errichtete Terrassenhaussiedlung in Graz-St. Peter mittlerweile als unumstrittene Größe im Bereich der Wohnbauarchitektur der Nachkriegszeit, die auch für den gegenwärtigen Wohnbau weitreichende Anknüpfungspunkte bietet.

Zwischen Skepsis und Begeisterung

Das "internationale Vorzeigeprojekt", wie Wohnbauforscherin und Mitherausgeberin Andrea Jany die Siedlung bezeichnet, ist weit über die Grenzen von Graz und Österreich hinaus bekannt. Dementsprechend ist sich Jany sicher, dass es kaum Studierende der Architektur gibt, die noch nicht von diesem besonderen Wohnbau gehört haben.

Wohnbauforscherin Andrea Jany weiß um die internationale Bedeutsamkeit der Grazer Siedlung. | Foto: Andrea Jany
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Dass das Projekt auf derart einhellige Begeisterung stößt, war jedoch nicht immer so, wie Janys Herausgeberpartner Eugen Gross schildert. Der 1933 geborene Architekt und Publizist war selbst Mitglied der 1959 gegründeten "Werkgruppe Graz", von der die Terrassenhaussiedlung geplant und umgesetzt wurde. Im Gespräch mit MeinBezirk.at erläutert Gross, dass die "frühen Grünen" am Beginn sehr begeistert reagiert hätten, da sie das Potenzial einer in die Natur integrierten Wohnanlage erkannt haben. Dementsprechend wurde etwa honoriert, dass die günstige Lage am Fuß des Ruckerlbergs genutzt wurde, um die Grünzone wieder in die Stadt hineinlaufen zu lassen.

"Die Siedlung war ein experimentelles Projekt, als wir sie als junge Architekten gestartet haben - aber wir haben uns drüber gewagt", erläutert Eugen Gross.  | Foto: Eugen Gross
  • "Die Siedlung war ein experimentelles Projekt, als wir sie als junge Architekten gestartet haben - aber wir haben uns drüber gewagt", erläutert Eugen Gross.
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Diesem Enthusiasmus standen jedoch auch verhaltene Reaktionen gegenüber, die besonders der Verwendung von Sichtbeton mit Skepsis begegneten. Dieser graue Beton wurde, wie Gross erklärt, mit Asphalt assoziiert und deshalb abgelehnt. Im Rahmen von soziologischen Untersuchungen konnte jedoch festgestellt werden, dass diejenigen, die die Siedlung tatsächlich besucht und bewohnt haben, auch die Attraktivität der Anlage erkannt haben.

Der Sichtbeton ist ein zentrales Merkmal der Siedlung. | Foto: Alexander Krischner, 2010
  • Der Sichtbeton ist ein zentrales Merkmal der Siedlung.
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Internationale Berühmtheit 

Mittlerweile gehört diese Konfliktsituation längst der Geschichte an, da die Siedlung in Graz und insbesondere auch im Ausland derart bekannt ist, dass es sowohl von nationalen als auch von internationalen Delegationen zahlreiche Anfragen für Exkursionen und Besichtigungen gibt: "Wenn man Interesse an Architektur hat, ist die Terrassenhaussiedlung immer ein Highlight in Graz", ist sich Andrea Jany sicher.

Brutalistisch, strukturalistisch und partizipativ 

Ihren ikonischen Status verdankt die Siedlung zum einen der brutalistischen Ausgestaltung, womit die bautechnische Verwendung des "béton brut" (zu Deutsch: roher Beton bzw. Sichtbeton) gemeint ist. Darüber hinaus tragen aber auch die strukturalistische Darstellung und der partizipative Beteiligungsprozess, im Rahmen dessen die Bewohnerschaft in die Planung involviert wurde, zur Vorreiterrolle der Terrassenhaussiedlung bei.

In einem partizipativen Prozess wurde auf die Miteinbeziehung der Bewohnerinnen und Bewohner großen Wert gelegt. Das Bild stammt von einem Fest im Hof der Terrassenhaussiedlung zwischen 1978 und 1982. | Foto: Werkgruppe Graz
  • In einem partizipativen Prozess wurde auf die Miteinbeziehung der Bewohnerinnen und Bewohner großen Wert gelegt. Das Bild stammt von einem Fest im Hof der Terrassenhaussiedlung zwischen 1978 und 1982.
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Neben dieser Miteinbeziehung der Bewohnerinnen und Bewohner fasziniert aus heutiger Sicht auch die Tatsache, dass die über 2.000 Pläne von Hand angefertigt wurden und viele technisch fortgeschrittenen Möglichkeiten noch nicht genutzt werden konnten.

Wie wollen Menschen wohnen? 

Gemeinsam haben all diese unterschiedlichen Aspekte, dass sie sich der Frage widmen, wie Menschen wohnen wollen. In dieser intensiven Auseinandersetzung mit der Gesellschaft bestand eine wesentliche Grundintention des Projekts, wodurch sich die Anzahl von 24 verschiedenen Wohnungstypen erklären lässt. Dazu gehört auch der Typus "Haus im Haus", bei welchem es sich um mitunter dreietagige Wohnungen handelt, die dem Wunsch nach einem Einfamilienhaus entsprechen.

Mittlerweile hat sich die Terrassenhaussiedlung einen unangefochtenen Status erarbeitet. Das Bild stammt von einem Fest im Hof der Terrassenhaussiedlung zwischen 1978 und 1982.  | Foto: Werkgruppe Graz
  • Mittlerweile hat sich die Terrassenhaussiedlung einen unangefochtenen Status erarbeitet. Das Bild stammt von einem Fest im Hof der Terrassenhaussiedlung zwischen 1978 und 1982.
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Auch heute wird dieses Angebot noch begeistert angenommen, wie der Umstand verdeutlicht, dass freie Wohnungen fast gar nicht am freien Markt zur Verfügung stehen, sondern immer sofort belegt sind. Andrea Jany ist sich daher sicher, dass die Siedlung eine Wohnqualität bietet, die vom gegenwärtigen Grazer Wohnbau kaum erreicht wird. 

Zur Buchpräsentation:
Die Präsentation zum Buch "Gelebte Utopie. Die Terrassenhaussiedlung der Werkgruppe Graz" findet am 24. November um 19 Uhr im Haus der Architektur mit dem Herausgeberduo Eugen Gross und Andrea Jany statt. 

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