Heim oder daheim? Die große Frage der Pflege

Gemeinsame Aktivitäten, wie Kochen, in Seniorenwohnheimen geben den Bewohnern ein gutes Gefühl von Selbstständigkeit zurück. | Foto: meinbezirk.at
  • Gemeinsame Aktivitäten, wie Kochen, in Seniorenwohnheimen geben den Bewohnern ein gutes Gefühl von Selbstständigkeit zurück.
  • Foto: meinbezirk.at
  • hochgeladen von Verena Schaupp

Altersheim oder Pflege zu Hause? Mit dieser Frage sind viele Familien konfrontiert, wenn etwa ein Elternteil zum Pflegefall wird. Für viele ist es selbstverständlich, die Mutter oder den Vater selbst zu pflegen und zurückzugeben, was sie von ihnen im Laufe der Zeit an Fürsorge erhalten haben.

Schwerer Grad

Doch Pflege bedeutet auch große Verantwortung und wachsende Herausforderung. Über 50 Prozent der pflegenden Angehörigen laufen Gefahr, depressiv zu werden oder auszubrennen. Denn einerseits fühlt man sich in der Pflicht, das Familienmitglied pflegen zu wollen, andererseits stehen die Interessen des eigenen Lebens und die eigene Freiheit gegenüber. Dazu kommt oft die Scham, unbewusst nicht so bereit zu sein, wie man vielleicht sollte. Und schon steckt man im unentrinnbaren Teufelskreis der Belastung.

Entscheidungen treffen

Zweifelsohne ist es gut, ältere Menschen in vertrauter Umgebung zu lassen. Für viele gesellige Menschen ist aber – vor allem, wenn Gattin oder Gatte verstorben sind – ein Pflegeheim die wesentlich bessere Option. Um die richtige Entscheidung für alle Beteiligten zu treffen, heißt es, rechtzeitig innezuhalten und sich folgende Fragen zu stellen:
1) Welches Ausmaß an Pflege ist mir überhaupt zumutbar?
2) Welche Art von Pflege braucht der Angehörige?
3) Wie steht der Angehörige zu welcher Art der Pflege – zu Hause oder Heim?
4) Wie steht der Rest der Familie dazu?
5) Wie sind rechtliche Aspekte zu sehen, etwa Beitragszahlungen zur Pflege, Vermögen und Erbe?
6) Was erwarte ich mir, warum tue ich es?
7) Was erwarten andere?

Sollten dann die Anforderungen der Pflege auf einen zukommen, helfen diese Anregungen, um der Aufgabe gerecht zu werden:
1) Prüfen Sie sich selbst. Kann ich es schaffen? Wie viel Belastung ist mir zumutbar? Wie ist die Pflege mit meiner Arbeit zu vereinbaren? Was bedeutet dies für mein Verhältnis zu den anderen?
2) Prüfen Sie die Situation. Wo hat der zu Pflegende die beste Lebensqualität? Wo erfährt er Geborgenheit, Sicherheit, Autonomie und die Möglichkeit, noch selbstständig tätig zu sein? Wie lässt sich das mit den eigenen finanziellen Mitteln vereinbaren?
3) Bauen Sie ein Netzwerk auf. Schaffen Sie sich ein Netzwerk der Hilfe und der Unterstützung aus anderen Angehörigen. Wer kann wann was tun?
4) Aufgaben regeln. Klären Sie in diesem Netzwerk Ansprüche und Erwartungen. Kann es Eifersüchteleien wegen Erbe, Eigentum oder der Nähe zur Person geben?
5) Holen Sie professionelle Hilfe. Lassen Sie sich hier auch professionell beraten. Treffen Sie dann eine Entscheidung für private Pflege oder Heim. Lassen Sie sich dafür Zeit, solange Sie brauchen, aber treffen Sie eine feste Entscheidung.
6) Klären Sie Rechtliches. Setzen Sie mithilfe eines Rechtsanwaltes oder Notars Ihres Vertrauens einen Vertrag auf, damit Sie alles (Arbeitszeit, Engagement etc.) auch vertraglich geregelt haben. Tun Sie dies auch, wenn Sie glauben, Sie seien sehr gut miteinander und könnten es auch ohne Vertrag regeln.
7) Nehmen Sie Hilfe an. Nutzen Sie angebotene Hilfsmaßnahmen. Es gibt eine Vielzahl an Unterstützungsmöglichkeiten wie Pflegedienste, mobile Hilfsdienste oder Angebote geriatrischer Einrichtungen und Kliniken.
Diese Tipps sollen Ihnen helfen, die beste Entscheidung für alle Betroffenen zu finden und die Zeit mit Ihren Angehörigen positiv zu verbringen.

Haben Sie eine Frage?
Haben auch Sie eine Frage an Dr. Streit, dann schreiben Sie an: "WOCHE Graz", Gadollaplatz 1, 8010 Graz, kommentieren Sie auf Facebook, oder schicken Sie ein Mail an redaktion@woche.at (Stichwort: Familienflüsterer).

Familienflüsterer
Dr. Philip Streit

Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut sowie Lebens- und Sozialberater und beantwortet in der WOCHE Fragen aus dem Themenfeld Erziehung, Familie und Beziehung.

Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz. Es ist das größte Familientherapiezentrum in der Steiermark.
Telefon: 0316/77 43 44
www.ikjf.at

Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.