Im Vorzimmer der Macht
Manfred Handy ist als Portier der geheime Chef im Grazer Rathaus.
Ganz entspannt sitzt Manfred Handy in seinem Glaskasten im Eingangsbereich des Rathauses. Vor ihm steht ein Mann um die 40, der aufgebracht mit einem Zettel vor der Scheibe herumwinkt, mit erhobener Stimme versucht er die Scheibe, die ihn von seinem Gegenüber trennt, zumindest verbal vergessen zu machen. Manfred Handy lässt sich davon nicht beeindrucken. Er lächelt freundlich, während er hin und wieder verständnisvoll nickt.
"Man sollte schon gut mit Menschen können", beschreibt Handy sein Jobprofil als Rathausportier. "Es ist Teil der Arbeit, für die Probleme der Leute Verständnis zu zeigen." Auch wenn das oft nur heißt, dass man aufgebrachte Besucher einfach ausreden lässt.
Erster Ansprechpartner
Der Grazer ist seit 1990 im Rathaus und mittlerweile der längst dienende Portier. Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen ist er erster Ansprechpartner für Besucher, gibt Auskunft darüber, wo sich welche Dienststellen befinden und wann es Kontaktmöglichkeiten zu den Politikern gibt. Er muss die Türen des Rathauses täglich auf- und wieder zusperren und Mitarbeiter und Politiker rein- und wieder rauslassen – kurz gesagt: Er muss an seinen 24-Stunden-Diensten – von 6 bis 6 Uhr – den Überblick über 12.000 m² und 650 Räume behalten und in seinem dezenten, dunklen Anzug dafür sorgen, dass im Zentrum der Grazer Stadtpolitik alles seinen geregelten Lauf nimmt. "Es ist immer was los", so der 58-Jährige, "aber ich bin keiner, der sich schnell aufregt". Man glaubt ihm aufs Wort – auch, weil das freundliche Lächeln unterhalb seines Schnauzbartes Dauermieter zu sein scheint.
Überhaupt wirkt Handy zufrieden, wenn er von seiner Arbeit erzählt: "Es gibt immer Abwechslung und man lernt viele Leute kennen." Unter anderem den Dalai Lama oder Arnold Schwarzenegger – natürlich ganz zu schweigen von den vielen heimischen Politikern: Mit Bürgermeister Siegfried Nagl bleibt zum Beispiel immer wieder Zeit für ein kurzes "Tratscherl" und auch dessen Vorgänger Alfred Stingl kommt heute noch öfter bei ihm vorbei. "Es sind aber alle im Haus nett und es gibt keinen, der nicht grüßt", erzählt Handy, während er entspannt in seinem Glaskasten sitzt und auf seinen nächsten "Kunden" wartet.
Das Grazer Rathaus im Überblick
1550 wurde am heutigen Standort am Hauptplatz zum ersten Mal ein Rathaus erbaut.
Von 1805 bis 1807 wurde das Rathaus im klassizistischen Stil neu errichtet, 1869 wurde es erweitert.
Der Amtssitz des Bürgermeisters, der Gemeinderat und Teile der Stadtverwaltung sind in dem Gebäude untergebracht.
Ca. 10 Mitarbeiter und 6 Hausarbeiter kümmern sich um den laufenden Betrieb des Hauses.
Rund 270 Mitarbeiter sind insgesamt auf drei Stockwerken und einer Fläche von 12.000 m² im Rathaus untergebracht.
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