Welt-Mädchentag
Rosa Polaroidkamera versus rosige Aussichten – Austausch mit einer SOS-Kinderdorf Mädchen WG

Am 11. Oktober ist Welt-Mädchen-Tag. | Foto: SOS-Kinderdorf
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  • Am 11. Oktober ist Welt-Mädchen-Tag.
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  • hochgeladen von Anna-Maria Riemer

Zum Welt-Mädchentag rücken wir jene junge Frauen in den Fokus, die es im Leben nicht immer ganz so einfach haben. 

Am 11. Oktober erstrahlt der Grazer Uhrturm gemeinsam mit vielen anderen Wahrzeichen weltweit in pink. Grund dafür ist der Welt-Mädchentag genannt, ein von den Vereinten Nationen initiierter Aktionstag mit dem Ziel, auf die schwierige Situation von Mädchen in vielen Ländern der Welt aufmerksam zu machen.
Auch in Österreich kämpfen viele junge Frauen mit schwierigen Lebenslagen und Einschnitten in ihrer Kindheit. Eine Anlaufstelle ist das SOS-Kinderdorf, das allein in Österreich 555 Mädchen ein liebevolles Zuhause samt Tagesstruktur und stabilem, familiärem Umfeld gibt.

Heiß begehrte Kamera

„Einige Mädchen, die zu uns kommen, haben Dinge erlebt, die ein Mädchen in seiner Kindheit und Jugend, eigentlich nie erleben sollte. Schwerer Missbrauch, Vernachlässigung, häusliche Gewalt, Drogenkonsum. Oft ist es auch einfach ein psychisch labiles Elternhaus, welches seinem Kind nicht den nötigen Halt bieten kann", berichtet Ulrike Morianz, die selbst zweifache Mädchenmama und pädagogische Leiterin der WG-Messequartier vom SOS-Kinderdorf in Graz ist. Morianz hat schon viele Mädchen kommen und gehen sehen. 298 Mädchen sind ihr im Laufe der Arbeit bei SOS-Kinderdorf ans Herz gewachsen.

„Viele dieser jungen Mädchen plagt neben ihrer schwierigen Vergangenheit auch eine gewisse Zukunftsleere. Die coronabedingten Schwankungen sorgen für massive Unsicherheiten und machen die Chance auf eine gute Perspektive nicht leichter. Wir müssen aufpassen, dass unsere Mädels nicht in eine soziale Einöde triften. Die Absagenflut gewohnter Freizeitaktivitäten und im Ausbildungsbereich, Ängste um die eigene Familie, da halten sich die rosigen Aussichten derzeit ziemlich in Grenzen“, erzählt Morianz, mit Blick auf eine rosafarbene Polaroidkamera auf ihrem Tisch – ein heiß begehrtes Objekt in der Mädchen-WG.

Mädchen für alles

Für Lichtblicke und gelingenden Alltag sorgt auf jeden Fall Johannes Schantl, sozusagen "Mädchen für alles". Schantl, männlicher Sozialpädagoge in der WG-Messequartier von SOS-Kinderdorf in Graz, ermutigt die Mädels zum Kickboxen, trainiert mit ihnen gemeinsam, kocht mit ihnen Eierspeise zum Frühstück, putzt und kümmert sich um die Katzen und sämtliche Belange.
„Die Mädels gehen gern mit mir shoppen, fragen mich nach Rat in Sachen Liebeskummer und ich musste auch schon Händchen halten beim Arzt. Allerdings sagen auch sie mir gerne, welche Schuhe ich am besten tragen soll. Die hier zum Beispiel, die ich heut anhabe“, schmunzelt Schantl zu seinen Schuhen.
Die WG ist eine Art Schicksalsgemeinschaft mit vielen schweren Rucksäcken im Gepäck und bemüht sich Rastplatz, Refugium zu sein, für Kinder, Jugendliche, die das richtige Kindsein nur eingeschränkt bis gar nicht erleben durften.

Eine schöne Woche

„Manchmal ist der Zorn und die Wut auf die ganze Welt so groß, da bekommen wir Betreuer natürlich auch einiges ab. Wir sind auch schon einfach mal gemeinsam Auto gefahren und haben einfach laut Musik gehört.“ Erfolg heißt für Schantl und auch für Morianz: „Wenns´s guten Kontakt zu Mama oder Papa gibt, falls die Vorgeschichte es zulässt. Oder auch eine gelungene Schulwoche, ein unterschriebener Lehrvertrag. Eine Woche, ohne besondere Vorkommnisse, Notarzt und Polizei. Es ist schön, tut gut, einfach mal zusammen Spaß zu haben. Und den gibt’s auch.“

Foto: SOS-Kinderdorf

Schantl versucht den Mädels positive Energiequellen aufzuzeigen, sie zu motivieren.
„Ich versuche sie auch mal rauszuholen, aus ihrer digitalen Welt, mit Tik Tok, Snap Chat und Co. Kanu fahren, Bogenschießen und auch Klettern taugt ihnen zum Beispiel voll.“
Was brauchen die Mädels vor allem? „W-Lan, Pizza und Handy“, lacht Schantl: „Nein, ganz im Ernst, jemanden zum Zuhören. Oder einfach nur jemanden, der für sie da ist. Ein sicheres Umfeld, stabile Beziehungen. Beziehungsabbrüche haben sie schon genug hinter sich.“

Gehör schenken

Heidi Fuchs, Geschäftsleiterin von SOS-Kinderdorf, appelliert zum Welt-Mädchentag: „Es ist 2020 und wir reden noch immer darüber, dass Mädchen mehr Platz und mehr Schutz im öffentlichen Raum brauchen. Mädchen brauchen Zufluchtsorte wenn das Zuhause kein sicherer Ort für sie ist. Sie und überhaupt junge Menschen brauchen altersgerechten Schutz in digitalen Räumen und Ansprechpersonen, die sich für ihre Lebensrealitäten ehrlich interessieren.“

Was brauchen die Mädchen von heute, um morgen starke Frauen sein zu können? Fuchs dazu:
„Als Heidi sag ich, Heidi und die Berge. Ich hatte das große Glück, in einer stabilen Umgebung aufzuwachsen, tatsächlich mitten in den Bergen. Als Teil unserer Gesellschaft sag ich, wir müssen dafür sorgen, dass jedes Mädchen in einem friedlichen, liebevollen Umfeld großwerden kann, um später mal ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Wir brauchen eine offene und flexible Gesellschaft, die sich anhört was die vielen tollen jungen Menschen zu sagen haben. Wir sollten viel öfter den Meinungen der jungen Mädchen von heute Gehör schenken!"

An der Wand in der Mädchen-WG im Grazer Messequartier hängen einige Fotos, die die Mädchen mit ihrer rosafarbenen Polaroidkamera gemacht haben. Fröhliche Momentaufnahmen von Mädchen, die sich ein ganz normales Leben wünschen.

Beratungshotline

Cybermobbing, Datenschutz, Privatsphäre, unerwünschte Kontaktaufnahme – Das sind die digitalen Themen, mit denen sich österreichweit derzeit häufig Mädchen melden, erzählt Birgit Satke, Leitung der anonymen Beratungshotline "Rat auf Draht": „Grundsätzlich melden sich mehr Mädchen als Burschen über die schriftlichen Kanäle. 66 Prozent Mädchen, 26 Prozent Burschen, 8 Prozent unbekannt. Unsere Vermutung ist, dass Burschen etwas schreibfauler sind als Mädchen und Burschen deshalb eher das Telefon wählen, als eine schriftliche Anfrage zu schicken“. Im Jahr 2020 waren es außerdem die klassischen Teenager-Themen, wie Aufklärung, Liebeskummer, Selbstwert, Probleme in der Familie und in der Schule, weswegen sich Mädchen bei Rat auf Draht gemeldet haben, resümiert Satke. „Während des Lockdowns kamen aber auch vermehrt Anfragen von Mädchen, die sich aufgrund der Covid-Krise Sorgen um ihre Zukunft machen und Fragen zum Thema psychische Gesundheit.“

Am 11. Oktober ist Welt-Mädchen-Tag. | Foto: SOS-Kinderdorf
Foto: SOS-Kinderdorf
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