Sag zum Abschied leise Servus – Der Gummineger sperrt zu
Eine Institution ist nicht mehr: Der "Gummineger" in der Annenstraße sperrt nach 103 Jahren zu.
Im "Gummineger" in der Annenstraße stellen sich Kunden vergangenen Mittwoch an und warten darauf, ihre Anliegen loszuwerden. Einen Schaumstoffzuschnitt für die Sitzbank der Oma bestellt etwa ein junger Grazer. Diesen und andere Aufträge nimmt Heinz Siegl – wie schon die letzten 53 Jahre – entgegen. "Aber nächsten Mittwoch müssen Sie es abholen, denn dann bin ich wirklich nicht mehr da", sagt der Chef zu seinen Kunden. Nur noch am heutigen Mittwoch ist Heinz Siegl in seinem Geschäft anzutreffen. "Am Montag gebe ich der Hausverwaltung den Schlüssel zurück."
Lange Erfolgsgeschichte
Das Geschäft wurde 1915 gegründet und war seitdem in Familienbesitz. Regenmäntel, Gummistiefel, Dichtungen, Schaumstoffzuschnitte, Lieferungen für Krankenhäuser und Altenheime – seit 103 Jahren war der Gummineger die erste Anlaufstelle. "Wo bekomme ich das jetzt her?" Auf die Frage dieser Kundin weiß Siegl keine Antwort, aber ein paar Tipps gibt er ihr mit auf dem Weg. Nischenprodukte und die persönliche Beratung sowie großes Fachwissen waren laut ihm die Pfeiler für den Geschäftserfolg. "Aber solange es mir gut geht, will ich die Zeit nutzen und Europa bereisen. Sonst würde ich sicher bis zu meinem 80er weitermachen", erzählt der 75-jährige Geschäftsmann. Die Kinder üben andere Berufe aus und an einen Familienfremden wollte er das Geschäft nicht übergeben.
Wenn der Name irritiert
"Das Geschäft heißt seit 1928 so", sagt Siegl über den kontroversen Namen. Für ihn sei "Nigga" und nicht "Neger" ein Schimpfwort. Aber eigentlich hat man den Namen einem Mitbewerber zu verdanken. "Dessen Kautschuk stammte aus Amerika und er nannte es nach den amerikanischen Ureinwohnern 'Gummi-Indianer'. Meiner Mutter gefiel diese Idee und da unser Rohstoff aus Afrika stammte, benannte sie das Geschäft 'Gummi Neger'."
"Schlicht und ergreifend ja", beantwortet Siegl die Frage, ob es ihm schwer falle, aus seinem, wie er sagt, "zweiten Wohnzimmer" in die wohlverdiente Pension zu gehen. "Aber ich freue mich auch auf die kommende Zeit, keine Frage."
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