Bombenblindgängerkataster
So "bombensicher" sind die Grazer Baustellen
Immer wieder stößt man auch in Graz bei Grabungen auf Bombenblindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Wie gefährlich das Kriegsmaterial wirklich ist und wie "bombensicher" die Grazer Baustellen sind, wissen Entminungsdienst-Chef Wolfgang Korner und Sicherheitsbeauftragter der Stadt Gilbert Sandner.
GRAZ. Auch fast acht Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs lauert im Boden eine Gefahr, die es besonders bei Bauvorhaben zu beachten gilt: Bombenblindgänger. Baustellen gibt es in Graz derzeit reichlich, besonders umfassende Grabungsarbeiten finden seit einigen Wochen etwa im Bereich der Neutorgasse statt. Nachdem man hier im April Reste des alten Stadttores ausgegraben hat, ist die Annahme nicht ganz fern, man könnte auch auf eine "explosive Überraschung" stoßen.
Bombenalarm in Graz
Das letzte mal hörte man im Dezember vergangenes Jahr von einer amerikanischen Fliegerbombe, die bei Grabungsarbeiten auf einer Baustelle im Bezirk Eggenberg gefunden wurde. Eine Autobahnsperre und Evakukuierungen forderte nur wenige Tage davor eine 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe neben einer Autobahnbrücke der A2 im Bereich Graz beziehungsweise Feldkirchen. In Puntigam gab es wiederum im Juli Bombenalarm bei Baggerarbeiten.
115 Fund- beziehungsweise Wahrnehmungsmeldungen von Kriegsmaterialien verschiedenster Art und aller Gefährlichkeitsgrade wurden dem zuständigen Entminungsdienst des Bundesheers vergangenes Jahr in der Steiermark übermittelt, allein in Graz waren es heuer drei Einsätze. "Es passiert mehr, als die Öffentlichkeit mitbekommt", verrät Entminungsdienst-Chef Wolfgang Korner. Die Fliegerbombenblindgänger, Streubomben und Granaten haben dabei auch heute noch Gefährdungspotenzial – "Nur weil das Kriegsmaterial 70 Jahre wo herumliegt, lösen sich Innen— und Außenteil nicht in Luft auf."
In den allermeisten Fällen werden die Blindgänger von den Expertinnen und Experten des Bundesheers entschärft, abtransportiert und später unschädlich gemacht. In besonders schwierigen Fällen, so etwa bei fünf Prozent der Einsätze, müssen die Relikte an Ort und Stelle vernichtet werden. In Graz war das zuletzt 2011 notwendig: "Das war am Grazer Bahnhofsvorplatz, 250 Kilogramm, Standardbombe Englisch", erinnert sich Korner. Die Sprengung sorgte damals für umfangreiche Evakuierungen und eine mächtige Explosion, die im ganzen Stadtgebiet zu hören war.
Hier gibt es Bombenblindgänger
Der Bereich des Hauptbahnhofes ist besonders von Kriegsmaterial aus dem Zweiten Weltkrieg belastet, weiß Gilbert Sandner, Sicherheitsbeauftragter der Stadt Graz: "Blindgänger gibt es dort, wo Infrastruktur war, die man zerstören wollte." Zu sehen ist diese Verteilung am Bombenblindgängerkataster auf der Website der Stadt. 1999 hat das Referat Sicherheitsmanagement und Bevölkerungsschutz aus Kriegsarchiven die damals verfügbaren Luftbilder aus dem Zweiten Weltkrieg gekauft, auswerten und den Kataster erstellen lassen, in dem die möglichen Verdachtspunkte eingezeichnet sind.
2014 wurden der Bombenblindgängerkataster komplett erneuert, eine weitere Aktualisierung wird aktuell angestrebt. Die Online-Karte ermöglicht es der Bevölkerung, selbst nachzuschauen, ob man in einer Zone lebt, in der mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, auf ein Kriegsrelikt zu stoßen. Eine ergänzende Auswertung kann jederzeit kostenlos angefragt werden. "Das macht dann Sinn wenn, es ein Bauvorhaben gibt und ist eine Empfehlung von unserer Seite, Verpflichtung gibt es aber keine", sagt der Sicherheitsbeauftragte.
Online Karte: Bombenblindgängerkataster
Information über die Gefahrenzonen in Graz: www.sicherheit.graz.at.Grünes Licht für des Großteil der Stadt
Wie "bombensicher" lebt es sich nun aber wirklich in Graz? Die vorhandenen roten Flecken auf der Stadtkarte haben ja durchaus bedrohlichen Charakter... "Der Großteil des Stadtgebietes –über 77 Prozent – liegt in der grünen Zone. Hier liegen keine Hinweise auf Kampfmittel vor", erklärt Sandner. 4,8 Prozent des Stadtgebietes befindet sich in der roten Zone, mit dem Vorhandensein von Kampfmitteln ist hier also zu rechnen.
"Die Sorge muss aber generell nicht groß sein, beim Graben in die Luft gesprengt zu werden – ich hab keinen Erfahrungsbericht darüber, dass im Nachgang wo etwas passiert wäre", beruhigt der Sicherheitsbeauftragte. Die Neutorgasse liegt übrigens in der grünen und gelben Zone. "Die Wahrscheinlichkeit, dass man hier auf Blindgänger stößt, ist sehr gering."
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