Familienflüsterer Dr. Streit
So gelingt die "Patchworkfamilie"

Der Familienflüsterer erklärt, wie Patchwork-Familien funktionieren können. | Foto: Pixabay
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In der Patchworkfamilie haben alle ihren Platz: Familienflüsterer Philip Streit gibt Tipps für ein gelingendes Familienleben mit neuen Partnerinnen und Partnern.

GRAZ. Die Eltern leben gemeinsam mit ihrem Kind, doch dann erkaltet die Liebe und sie trennen sich. Vielleicht verlieben sie sich dann neu, in einen anderen Mann, eine andere Frau. Dadurch steht die Entstehung einer Patchworkfamilie - übersetzt "Stückwerkfamilie" im Raum. Wie kann das neue Leben mit dem Kind und der neuen Partnerin oder dem neuen Partner nun gelingen?

Kinder sind in dieser Situation besonders herausgefordert. Oft reagieren sie mit Ablehnung auf die neue Partnerin beziehungsweise den neuen Partner oder auch den Elternteil. Mitunter werden diese dann auch abgewertet oder beleidigt. So ist die Patchworkfamilie für alle Beteiligten eine Herausforderung, auch für die neue Partnerin beziehungsweise den neuen Partner und die Eltern.

Jeder bekommt seinen Platz

Wesentlich ist, den Kindern klar zu machen: Die leiblichen Eltern bleiben immer ihre leiblichen Eltern, auch wenn eine neue Person hinzukommt. Es geht darum, dass jeder in dem neuen Gefüge seinen Platz bekommt. Denn oft stehen hinter dem ablehnenden Verhalten von Kindern Ängste – Angst, den eigenen Papa oder die eigene Mama an die neue Partnerin oder den neuen Partner zu verlieren, keinen Platz mehr zu haben.

Grundsätzlich ist es wichtig, langsam vorzugehen. Es ist ein No-Go, die neue Partnerin beziehungsweise den neuen Partner zu schnell in die Familie einzuführen, etwa weil man himmelhochjauchzend verliebt ist. Denn darauf können Kinder besonders sensibel reagieren und das geht meistens nicht gut. Patchwork ist harte Arbeit. In der Literatur finden sich üblicherweise vier Phasen zum Patchwork-Glück:

1. Schnuppern und Kennenlernen
Anfangs ist das neue Paar im Liebestaumel. Für die leiblichen Kinder ist die Situation herausfordernd, sie müssen sich neu orientieren. Ein erstes Zusammentreffen kann oft zur schmerzhaften Landung in der Realität werden. Die hinzugekommenen Personen strengen sich oft sehr an und werden abgelehnt. Dem leiblichen Elternteil kommt für das Kennenlernen eine Schlüsselfunktion zu. Entscheidend ist es, Platz und Raum für gegenseitiges Kennenlernen zu geben.

2. Positionsgerangel und Machtkämpfe
In dieser Phase geht es um Plätze, etwa wer neben Mama vorne im Auto sitzt. Es gilt in dieser Phase zu berücksichtigen, wer im System zuerst da war und wer im System nachrückt. Das braucht Mut für offene und ehrliche Auseinandersetzungen. Es ist eine große Aufgabe, vor allem für die Erwachsenen.

3. Es fügt sich: Beruhigung und Übergang
Nach einer gewissen Zeit lassen die Kämpfe nach. Die Lage beruhigt sich. Auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung entwickeln sich klare Abmachungen und Abläufe. Es gibt ein Konzept, wie Patchwork im Zusammenleben aussehen kann. Wichtig ist es, in dieser Phase Vereinbarungen genau einzuhalten und in einer wertschätzenden Kommunikation offen für allfällige Änderungen zu sein.

4. Etablierung – Wir sind so
Immer mehr gehen Vereinbarungen und Regelwerk in "Fleisch und Blut" über und Abläufe werden selbstverständlich. Etwa wenn der Sohn Kopfhörer aufsetzt, wenn er Heavy Metal hört und der Stiefvater neben ihm Klassische Musik hören möchte. Es entwickelt sich auch ein Ritual wie Herausforderungen zu lösen sind. Am Anfang steht die wertschätzende Beziehung, auch Resonanz genannt. Auf der Basis von Empathie und Mitgefühl können Anpassungen erfolgen.

Zu beachten ist auch, dass die neue Partnerin beziehungsweise der neue Partner nun ein Teil der Familie ist, aber nicht automatisch das Recht hat, das Kind zu erziehen. Das muss dieser erst vom leiblichen Elternteil verliehen bekommen. Es kann eine Zeit lang dauern, bis die nötige Basis dafür gegeben ist.

Sensibler Umgang und genügend Zeit

Wenn das Kind die neue Partnerin oder den neuen Partner nun ablehnt, ist es wichtig, damit sensibel umzugehen und allen Beteiligten genügend Zeit zu geben. Schließlich haben Trennungskinder meistens den Wunsch, dass die leiblichen Eltern wieder zusammenkommen. Manchmal reagieren sie dann mit Rückzug oder mit Protest – dann sagen sie den Eltern vielleicht, dass diese nicht mehr ihre Eltern sind oder Ähnliches.

Wichtig ist es dann, dass vor allem die leiblichen Eltern eine starke Elternschaft entwickeln und als Mutter oder Vater klar und souverän agieren. Lassen Sie keine Zweifel an Ihrer Liebe zu Ihrem Kind, aber auch nicht daran, dass Sie die Regeln aufstellen. Das ist auch eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass die dazukommende Partnerin oder der dazukommende Partner einen adäquaten Platz bekommt. Wenn das Kind der neuen Partnerin oder dem neuen Partner gegenüber nun unangemessenes Verhalten zeigt, gilt es darauf mit Widerstand zu reagieren.

Tipps für die Patchworkfamilie

  1. Die leibliche Mutter bleibt immer die Mutter des Kindes, der leibliche Vater bleibt immer der Vater. Sie sind für ihre Kinder da.
  2. Die neue Partnerin oder der neue Partner kann das Kind nur erziehen, wenn er das Recht zu erziehen verliehen bekommt.
  3. Ein respektvoller Umgang mit allen ist wichtig, alle Positionen werden gehört. Erwachsene haben mehr Verantwortung und Freiräume als Kinder.
  4. Geht es langsam an, Schritt für Schritt. Habt Geduld bis echte Begegnung möglich ist.
  5. Wenn Kinder unangemessen reagieren, gilt vor allem für den leiblichen Elternteil und auch andere Erwachsene: Sprecht keine Drohungen aus, sondern lebt "Neue Autorität“ – nach der Devise: Dich schätze ich, gegen dein Verhalten leiste ich Widerstand. Lasst euch nicht zu Machtkämpfen verführen, sondern bleibt bei eurer klaren Botschaft.
  6. Habt Vertrauen und seid zuversichtlich, dass sich alles fügen wird.

So kann das Entstehen einer Patchwork-Familie ein aufregendes und schönes Erlebnis werden.

Der Experte für Familienfragen: Philip Streit. | Foto: Konstantinov
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Der Experte

Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater. Seit 1994 leitet er das Institut für Kind, Jugend und Familie in Graz, das unter 0316 77 43 44 für dich da ist. Hast du Fragen, wie du dein Leben gestalten sollst, brauchst du Rat? Deine Fragen an Dr. Philip Streit gerne jederzeit an: redaktion.graz@regionalmedien.at


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