Songwriting am Schwarzlsee
Tobias Reitz - der Poet der Schlagerstars

Tobias Reitz | Foto: Ben Knabe

Du fängst mich auf und lässt mich fliegen“ und „Fehlerfrei“ sind nur zwei Beispiele für Lieder von Helene Fischer, deren Texte aus der Feder von Tobias Reitz stammen. Er schrieb und schreibt auch für Roland Kaiser, Florian Silbereisen, Andrea Berg, Mary Roos, Mireille Mathieu, Fernando Express und viele andere. Schaut man auf seine Website, liest sich die Liste der Interpretinnen und Interpreten, die seinen Texten eine Stimme geben, wie das Who is Who der Schlagerwelt. Wer ist nun aber dieser Poet der Schlagerstars?

Im März 2023 gab er einen Workshop über Songwriting an der Music Academy am Schwarzlsee in Graz. Er brennt für seine Arbeit und hat an diesem Tag seine Leidenschaft und sein großes Können mit viel Begeisterung an die Musikerinnen und Musiker weitergegeben.
Dabei hat er erzählt, dass er in Marburg an der Lahn geboren wurde und schon in seiner Jugend Schlager liebte. Diese Liebe blieb ihm über das Studium der Germanistik und Medienwissenschaften hinaus erhalten.
In der Celler Schule, einer Akademie für Textdichter, die er mittlerweile zusammen mit Edith Jeske leitet, lernte er viel über das Handwerk des Songtextens. Seine Liedertexte sind heute überall begehrt. Darüber hinaus unterrichtet er gerne und spielt Impro-Theater. Mit einem eigenen Plattenlabel verwirklicht er sich auch auf einer neuen Ebene. Er hat viele Auszeichnungen und Preise bekommen und sprüht nur so vor Ideen. Doch fragen wir ihn selbst!

Du hast eine Arbeit über die Lebensphilosophie von Rainer Maria Rilke verfasst. Welches ist dein Lieblingsgedicht von ihm?

Ich bin ein großer Rilke-Verehrer und mag vor allem die „Briefe an einen jungen Dichter“ gerne sowie seinen einzigen Roman. Sein Gedicht „Der Panther“ berührt mich sehr, weil alles unglaublich gut beobachtet und in Worte gefasst ist.

Was ist deine Lebensphilosophie?

In den „Briefen an einen jungen Dichter“ schreibt Rilke sinngemäß: „Wenn Sie die Antworten noch nicht haben, dann vielleicht, weil Sie sie noch nicht leben könnten. Leben Sie zuerst die Fragen! Vielleicht leben Sie dann eines Tages in die Antworten hinein.“
Diesen Appell habe ich sehr ernst genommen, weil ich ziemlich ungeduldig bin, und er kommt meiner Lebensphilosophie sehr nahe.
Das Motto „Leben und leben lassen“ ist mir sehr wichtig, genauso wie „Jeder in seinem Tempo“. Und ich suche nach der Schönheit – das kommt auch noch dazu!

Wie würde die Hookline deines Lebens lauten?

Bis hierhin vielen Dank!

Du hast Germanistik studiert, Bob Dylan hat den Literaturnobelpreis bekommen. Was macht Songtexte aus deiner Sicht besonders?

Songtexte haben je nach Genre völlig unterschiedliche Funktionen. Im Blues, im Punk und teilweise auch im Pop sind sie eine Art Ventil. Im Schlager hingegen haben sie viel stärker die Funktion, Menschen zu trösten und die Welt mit ein bisschen wärmeren Farben zu beleuchten.
Grundsätzlich sollte ein Songtext der Zuhörerin und dem Zuhörer ein Geschenk machen, das sie oder er sich selbst nicht machen kann, indem er etwas Wesentliches auf eine kleine poetische Formel bringt. Man soll sich in dem Text wiederfinden, er soll bestärken und trösten und vielleicht einen Impuls geben, der neu ist. So bekommt man beim Hören eine Art Zuhausegefühl.
Die Literatur hingegen ist viel stärker dazu da, eine konkrete Geschichte zu erzählen, um in eine andere Welt einzutauchen.

Welche Geschenke bekommst du selbst gerne von Liedern?

Trost finde ich als Thema ungemein wichtig. Ich glaube, Lieder werden aus Sehnsüchten heraus geschrieben. Das ist bei mir genauso.
Ich liebe diesen Eskapismus, ich liebe es, wenn ein Lied mir eine kleine Auszeit von der Welt schenkt. Deshalb schreibe ich selbst diese Art von Liedern auch am allerliebsten.
Manchmal bringen Songs etwas zum Ausdruck, das ich selbst so nicht hätte schreiben können.
Kreise“ von Johannes Oerding berührt mich sehr, auch „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros ist ein wunderbarer Song, weil in ihm so viele unterschiedliche Emotionen eingefangen werden.

Wie lautete der allererste Songtitel, den du je geschrieben hast?

Ich glaube, einer der ersten Titel hieß „Weil du das Leben für mich bist“. Damals war ich 16 – aber der Text wurde nie zum Song. Als Grundschüler habe ich schon kleine Gedichte und Liedertexte verfasst. Im Gymnasium – in der 5. oder 6.Klasse – sollten wir ein Gedicht zum Thema Herbst schreiben. Das war wohl das erste Mal, dass ich auch etwas von mir Gedichtetes vorgelesen habe.
Santo Domingo, die Sterne und du“ für den Fernando Express war 2002 das erste veröffentlichte Lied.

Du hast für so gut wie alle Schlagergrößen geschrieben. Besonders wichtig in deiner Karriere waren die Texte für Helene Fischer. Besuchst du noch Konzerte von ihr?

Ja, im Mai werde ich sie bei einem Konzert besuchen! Es ist ganz wichtig zu schauen, was die Künstlerinnen und Künstler aus dem machen, was ich ihnen angeboten habe, und die Reaktionen des Publikums zu beobachten. Es ist auch spannend, die künstlerische Entwicklung der Interpretinnen und Interpreten zu verfolgen. Helene Fischer bietet da ja ein Maximum an Dynamik.

Wie geht es dir, wenn du deine Liedertexte hörst?

Super! Es ist total beglückend. Aber der Kopf schaltet sich in so einem Konzert nicht ab.
Es ist entspannter, wenn keines der Lieder in einem Konzert von mir stammt: dann kann ich wieder der 14-jährige Fan-Boy von einst sein, der die Songs noch nicht analytisch gehört hat, sondern ganz kindlich-unschuldig.

Ina Regen und die Paldauer haben u. a. zuletzt Songs mit Texten von dir veröffentlicht. Auf welchen CDs darf man aktuell etwas von dir erwarten?

Mein Schwerpunkt ist zur Zeit eine junge Künstlerin namens Luna Klee. Da kommen zwei neue Singles - „Dann bist es du“ und „Du fühlst dich gut an“ - und im nächsten Jahr ein neues Album.
Sie ist gerade mein Herzblutprojekt, da ich auch Produzent bin und die CD auf unserem eigenen Label veröffentlicht wird.
Außerdem habe ich Neues für die Kastelruther Spatzen geschrieben, für Fernando Express, Anita Hofmann, Alexandra Hofmann, Art Garfunkel Jr., Eloy de Jong, Hansi Hinterseer, Ross Antony, Monika Martin und noch andere mehr.

Monika Martin ist ja Grazerin. „Träumer“ heißt ein besonders schöner Songtitel, den du für sie geschrieben hast. Wie kam es dazu?

Zuerst gab es die Musik von Alfons Weindorf, zu der ich den Text geschrieben habe. Monika war die ideale Interpretin dafür, weil sie die Message des Songs glaubwürdig rüberbringen kann. Es ist ein Song über die Sehnsucht nach einer besseren Welt, aber auch den Glauben daran, dass die Welt besser sein könnte – vielleicht sogar besser werden könnte.
Ich mag an Monika, dass sie ein untrügliches Gespür dafür hat, was passt und was nicht. Oft findet sie Lieder mit „Kante“ umso interessanter. Unsere Zusammenarbeit funktioniert schon über 10 Jahre lang sehr gut und wurde auch für ihre neue CD fortgesetzt.

Was verbindet dich sonst noch mit der Steiermark?

Ich komme immer wieder gerne zum Almenland Songwriting Camp in Fladnitz an der Teichalm, das jedes Jahr im Oktober stattfindet. In der Raabursprunghalle gibt es dann ein großes Abschlusskonzert, bei dem auch schon Ina Regen, Alle Achtung und Julian Grabmayer aufgetreten sind. Es hat mir riesigen Spaß gemacht, dieses Abschlusskonzert zu moderieren.
Ich finde die Steirerinnen und Steirer freundlich, charmant, geradeheraus und bodenständig. Es ist für mich ein Highlight, jedes Jahr zu euch zu kommen.

Du hast bei dem Workshop an der Music Academy im März sehr gute Steirischkenntnisse bewiesen. Wann gibt es den ersten Text im steirischen Dialekt von dir?

Noch dieses Jahr! Er wurde zusammen mit Julian Grabmayer und Flo Gruber beim Almenland Songwriting Camp im letzten Jahr geschrieben. Der Song heißt „Amerika“ und soll noch heuer veröffentlicht werden. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass die Steirer Julian und Flo dem Dialekt den Feinschliff gegeben haben. Da übe ich noch!

Du unterrichtest also auch Songwriting. Welche Fähigkeiten sollte man mitbringen, wenn man wirklich gute Texte schreiben will?

Man sollte Lust darauf haben, Menschen zu unterhalten und zu berühren. Das halte ich für eine wirkliche Notwendigkeit. Man sollte auch Fantasie mitbringen sowie eine gewisse Sprachvirtuosität und man sollte ein Gespür für Musik und den Einklang von Text und Musik mitbringen.
Wenn man dann noch einen Beruf daraus machen will, sollte man besessen und bescheuert sein, weil man sehr viel Kraft investieren muss, um sich in dieser Branche durchzusetzen und zu behaupten, und weil man sehr viel in Vorleistung gehen muss.
Das kann man nur, wenn Musik ein persönliches Heiligtum ist und wenn man bereit ist, dafür ganz viel hintanzustellen.

Stephen King beschrieb einmal, wie seine Muse aussieht und wie sie sich bei ihm aufs Sofa hinlungert. Wie sieht deine Muse aus?

Es ist hilfreich, wenn man seine Muse als externe Figur sehen kann, weil man dann nicht alles auf sich bezieht, sondern auch erkennt, dass es Kräfte gibt, auf die man selbst nicht so viel Einfluss hat.
Meine Musen sind ganz oft die Künstlerinnen und Künstler, für die ich schreibe. Ich schaue mir Fotos und Videos von ihnen an und versuche immer, mich quasi ein wenig in sie zu verlieben. Wenn ich es nicht schaffe, mich für zumindest einen Nachmittag in sie zu verlieben, dann weiß ich, dass es das falsche Projekt für mich ist.
Wie aber verliebt man sich für einen Nachmittag in die Amigos oder die Kastelruther Spatzen? Da verliebe ich mich einfach in die Idee, wie sehr solche Acts von Menschen gebraucht werden, und ich versuche, die Gründe zu verstehen. Sie sind, wie auch viele andere, Seelenretter für ganz viele Menschen.
Das ist Muse genug, das muss reichen!

Du findest also deine Ideen und Themen in diesen Kontakten zu den Künstlerinnen und Künstlern?

Der direkte Kontakt ist nicht das Wesentliche. Manchmal kann er sogar fast schädlich sein, weil Stärke, Aura und Charisma auf der Bühne genauso wichtig sind wie eine leichte Unantastbarkeit. Auch Künstlerinnen und Künstler, die den Menschen sehr nahe sind, sind doch auf eine gewisse Weise erhöht, weil die Menschen zu ihnen aufsehen wollen.
Für meine Arbeit ist es oft gut, ein bisschen auf Abstand und bei der Wahrnehmung des Publikums zu bleiben. Ich brauche das Gefühl, dass ich meine Artists ein wenig anbeten kann. Ich muss zwischendurch immer noch zum Fan-Boy werden und etwas an ihnen finden, das mich total fasziniert – und das ich an mir selbst nicht finden kann.

Wie hat sich das Streamen auf deinen Beruf ausgewirkt?

Finanziell ordentlich – aber leider in die falsche Richtung. Für 116 000 Streams des Songs „Du fängst mich auf und lässt mich fliegen“ habe ich in der GEMA-Abrechnung 1,28€ bekommen.
So etwas ist bei Neuveröffentlichungen für Musikautorinnen und -autoren eine Katastrophe, daher setze ich mich für eine Verbesserung der Situation ein, um auch für junge Musikschaffende eine Perspektive zu schaffen.

Wie kannst du dich von beruflichem Stress erholen?

Mit gutem Essen, ausreichend Schlaf, Yoga oder anderen Arten von Sport, mit meinem Hund, meiner Familie und immer wieder einer Auszeit für mich selbst.

Was bedeutet Glück für dich?

Ich möchte mit einem Österreicher antworten: Peter Cornelius war einmal in einer Fernsehshow von Dieter Thomas Heck zu Gast, der ihn fragte, ob die Zeit, in der er einen Hit nach dem anderen produzierte, für ihn die glücklichste Zeit gewesen sei. Damals antwortete Peter Cornelius sinngemäß: „Man denkt, dass sie das gewesen ist. Das Problem ist nur, dass du dann, wenn du Erfolg hast, eigentlich immer damit beschäftigt bist, den nächsten Erfolg zu generieren und zu funktionieren. Heute schaue ich darauf zurück und denke: hätte ich doch damals wahrgenommen, welches Glück ich hatte!“
Glück ist ganz häufig vorhanden, aber man sieht es nicht. Ich empfinde es als unsere Aufgabe, es auch wahrzunehmen. Glück ist oft eine Frage des Mindsets – und Glück ist oft sehr, sehr flüchtig.
Ich zähle jeden Abend, wenn ich schlafen gehe, die Dinge auf, für die ich dankbar bin. Das fängt immer damit an, dass ich gerade in einem warmen Bett liege, das in einem warmen Haus in einem friedlichen Land steht. Wir können lernen wahrzunehmen, von wie viel Glück wir auch an dem alltäglichsten unserer Tage umgeben sind.

Vielen Dank für das schöne Gespräch!

Link zur Website: Tobias Reitz

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