Neues Hochtemperaturenzym für umweltfreundliche Synthesen hergestellt
Einer Grazer Forscherin vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) ist es gelungen, ein neues Hochtemperaturenzym für die organische Synthese herzustellen; eine Nitrilreduktase. Nun geht es darum, das umweltfreundlich arbeitende Enzym so anzupassen, dass es für die chemische Industrie noch interessanter wird.
Nachdem immer mehr Antibiotika an Wirksamkeit verlieren und Bakterien ungeahnte Widerstandskräfte entwickeln, sucht die Pharmaindustrie nach Alternativen. Vielversprechend scheinen sogenannte „Pyrrolpyrimidine“ zu sein. Sie können das Vervielfältigen des Erbguts bei Mikroorganismen unterbinden. Genau genommen hindern sie bestimmte Enzyme daran, neues bakterielles Erbgut herzustellen. Damit hätte man eine Möglichkeit in der Hand, Keine zu bekämpfen, die gegen klassische Antibiotika resistent sind. Ein neues, bei acib hergestelltes Hochtemperaturenzym ist in der Lage, Pyrrolpyrimidine an diese neuen Anforderungen anzupassen.
Das Forschungsprojekt rund um neue Nitrilreduktasen ist großer Schritt fürs acib und ein großer Schritt für die organische Synthese. Denn acib-Forscherin Birgit Wilding ist es gelungen, erstmals mit Hilfe eines Hochtemperaturenzyms ein Nitril zu einem Amin zu reduzieren - umweltfreundlich und hoch spezifisch. Der Reaktionsschritt wird in der organischen Synthese häufig verwendet und ist auf klassische Weise nur unter hohem Aufwand und wenig umweltfreundlich durchführbar. Das ist aber noch nicht alles – das verwendete Enzym zeichnet sich gleich durch mehrere Vorteile aus.
„Wir haben ein Enzym aus Geobacillus kaustophilus verwendet“, erklärt die acib-Forscherin. G. kaustophilus ist ein „thermophiler“ Mikroorganismus, dem Hitze quasi nichts ausmacht. Das mache das Enzym besonders widerstandsfähig. Also habe man die Geninformation für das Enzym in Escherichia coli – die Standard-Produktionsbakterien in der Biotechnologie – eingebaut und von diesem das Enzym herstellen lassen. Mit Hilfe von Hitze und Ultraschall lässt sich das Enzym nach der Produktion in hoher Reinheit abtrennen; ohne komplizierte Reinigungsprozesse.
Ein weiterer Vorteil ist das Einsatzspektrum der Nitrilreduktase. Die kann nämlich besonders gut solche Nitrile umwandeln, die wiederum Ausgangsprodukte für Substanzen mit Wirkung gegen Bakterien und sogar Tumore sind. Das Enzym kann somit ein Schlüssel sein zu neuen Medikamenten oder zu Ersatzsubstanzen für nicht mehr wirksame Antibiotika. Vor allem von Pyrrolpyrimidinen erwartet sich die Forschung viel – mit dieser Substanzklasse kann das neue acib-Enzym gut umgehen.
Zuletzt glänzt das Enzym aus G. kaustophilus mit einer höheren Reaktionsgeschwindigkeit als für Nitrilreduktasen bisher üblich. Nun geht es daran, diese versprechenden Ansätze zu verbessern. „Wir haben bereits 22 wichtige Substrate getestet, von denen sich aber noch nicht alle umsetzen lassen. Wir wollen nun das Enzym so verbessern, dass es den Anforde-rungen der Pharma- und chemischen Industrie gerecht wird“, erklärt Birgit Wilding.
Über acib
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) ist Österreichs Kompetenzzentrum für industrielle Biotechnologie. Es ist ein Zusammenschluss von derzeit acht Universitäten und 30 Projektpartnern, darunter bekannte Namen wie BASF, DSM, Sandoz, Boehringer Ingelheim RCV, Jungbunzlauer, F. Hoffmann-LaRoche, Novartis, VTU Technology oder Sigma Aldrich. Eigentümer sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die BOKU Wien sowie Joanneum Research.
Beim acib forschen und arbeiten derzeit rund 190 Beschäftigte an mehr als 30 Forschungsprojekten. Das Budget bis 31.12. 2014 macht ca. 60 Mio. Euro aus. Öffentliche Fördermittel (58% des Budgets) bekommt das acib von der Forschungsförderungsgesellschaft der Republik Österreich (FFG), der Standortagentur Tirol, der Steirischen Wirtschaftsförderung (SFG) und der Technologieagentur der Stadt Wien (zit).
Das Kompetenzzentrum acib – Austrian Centre of Industrial Biotechnology – wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies durch das BMVIT, BMWFJ sowie die Länder Steiermark, Wien und Tirol gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.
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