Streit um das Kastner-Dach
Wo der Welterbe-Titel schon aberkannt wurde

Die Grazer Innenstadt mit ihrer unvergleichlichen Dachlandschaft trägt den Status "Unesco-Welterbe" - Das Dach des Kaufhauses "Kastner & Öhler" im Hintergrund könnte diesen Status gefährden.  | Foto: Alois Fischer
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  • Die Grazer Innenstadt mit ihrer unvergleichlichen Dachlandschaft trägt den Status "Unesco-Welterbe" - Das Dach des Kaufhauses "Kastner & Öhler" im Hintergrund könnte diesen Status gefährden.
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In der wieder neu aufgeflammten Diskussion um das "Kastner-Dach" und die potenzielle Gefahr, den Welterbe-Status zu verlieren, drängt sich die Frage auf, wie wahrscheinlich dieser Schritt ist und wie oft der Titel tatsächlich schon entzogen wurde. Dazu hat MeinBezirk mit Florian Meixner, Experte bei der Unesco für Welterbe und Kulturgüterschutz gesprochen.

GRAZ. Ein Dach im Herzen von Graz spaltet gerade akut wieder die Gemüter zwischen Stadtpolitik und Wirtschaft: Seit dem Umbau des Traditionshauses Kastner & Öhler in der Innenstadt wartet auch das Dach auf die Adaptierung, um sich wieder in die schützenswerte Dachlandschaft der Grazer Altstadt zu integrieren. Laut aktuellen Medienberichten könnte dies aber "noch dauern", wie Kastner & Öhler-Geschäftsführer Martin Wäg in einem Interview mit der Kronen Zeitung betonte und gleichzeitig die Bau- und Projektplanung für die Innenstadtentflechtung scharf aufs Korn nahm, was wiederum Bürgermeisterin Elke Kahr erzürnte - MeinBezirk berichtete. Sie sieht den Status der Stadt als Welterbe gefährdet.

Komittee tagt wieder im Juli

"So wie sich die Lage aktuell darstellt, ist das Thema nicht am Tapet des internationalen Komitees", kann Florian Meixner, bei der Unesco für Welterbe und Kulturgüterschutz verantwortlich, fürs Erste einmal beruhigen. Es drohe demnach nicht unmittelbar eine Eintragung in die "List of World Heritage in Danger", landläufig als "Rote Liste" titutliert. Auch die Aufnahme in diese Liste sei laut Meixner nicht als Drohung zu verstehen, sondern lediglich als "Aufforderung an die nationalen Staaten etwas zu unternehmen."

Im konkreten Fall sei auch positiv anzumerken, dass es beim Umbau und Bau des Daches enge Abstimmungen zwischen den Bauherren und "der Unesco gegeben hätte, es ist klar definiert, wie es einmal ausschauen soll." Wie lange allerdings der Geduldsfaden der Unesco in dieser Angelegenheit noch sei, stünde auf einem anderen Blatt Papier. "Das ist die souveräne Entscheidung des Welterbe-Komittee", so Meixner. Dieses tagt übrigens einmal im Jahr, und zwar das nächste Mal Ende Juli in New Delhi.

Was Meixner in diesem Zusammenhang bedauert, ist die Tatsache, dass Fälle wie jene des Kastner-Dachs rechtliche Lücken verdeutlichen. "Es gibt keine rechtliche Handhabe für die Umsetzung der Konvention auf nationaler Ebene. Das Völkerrecht steht nicht allein."

Von Liverpool bis in den Oman

Zuletzt verlor 2021 die britische Hafenstadt Liverpool den Status "Unesco-Welterbe". Das Komitee beschloss, „Liverpool – eine maritime Handelsstadt“ von der Welterbeliste zu streichen, da die Expertinnen und Experten den außergewöhnlichen universellen Wert der Stätte durch zahlreiche Bauprojekte beschädigt sah. Damit ist Liverpool seit Bestehen der Welterbekonvention die dritte Stätte, deren Titel aberkannt wurde. 

2021 verlor Liverpool den Titel als Welterbe-Stadt: Das Unesco-Komitee sah den außergewöhnlichen universellen Wert der Stätte durch zahlreiche Bauprojekte beschädigt. | Foto: pixabay
  • 2021 verlor Liverpool den Titel als Welterbe-Stadt: Das Unesco-Komitee sah den außergewöhnlichen universellen Wert der Stätte durch zahlreiche Bauprojekte beschädigt.
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In Liverpool war der tatsächlichen Aberkennung ebenso eine jahrelange Vorgeschichte vorausgegangen: Schon seit 2012 war der Welterbestatus der Stadt aufgrund schwerwiegender Eingriffe im Rahmen des Bauprojekts „Liverpool Waters“ gefährdet gewesen. Der Verzicht auf Änderungen an der Planung und neue Infrastrukturprojekte im historischen Hafengebiet, wie der bereits genehmigte Bau eines Fußballstadions am Bramley-Moore-Dock, führten letztlich zur Aberkennung des Titels.

Bereits weiter zurück liegt die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status in Dresden: Dort erkannte die Unesco 2009 dem bekannten Dresdner Elbtal seinen Status als Weltkulturerbe ab. Der Grund: Der Bau der seinerzeit umstrittenen Waldschlösschenbrücke, die das "Tal irreversibel zerschneide und somit die erhaltenswerte Kulturlandschaft zerstöre", so die Unesco in ihrer Argumentation. 

Das erste Mal wurde der Titel übrigens 2007 entzogen, und zwar im Fall des Naturschutzgebietes im Oman. Das Land hatte entschieden, die Fläche dieses  Naturschutzgebietes um 90 Prozent zu verkleinern. 1996 hatten in dem Gebiet noch rund 450 Arabische Oryx-Antilopen gelebt - Mitte der 2000er-Jahre waren es nur noch 65. Daher setzte die Unesco-Kommission den Schritt das Wildschutzgebiet im Oman wieder von der Weltkulturerbe-Liste zu streichen. 

Das zwischenstaatliche Welterbekomitee, das die einzige Entscheidungsinstanz im Rahmen der Welterbekonvention darstellt, streicht dann Stätten von der Liste, wenn deren „außergewöhnlicher universeller Wert“ (also die konkrete globale Bedeutung als Kultur- oder Naturerbe) nicht mehr vorhanden ist – wie dies etwa im Falle der drei erwähnten, gestrichenen Stätten festzustellen war. Dem seien so der Unesco-Experte Meixner "immer jahrelange, intensive Prozesse vorangegangen, um das abzuwenden."

Neben den Dächern von Graz zählt auch das Schloss Eggenberg zum Unesco-Welterbe.  | Foto: Roland Montaperti
  • Neben den Dächern von Graz zählt auch das Schloss Eggenberg zum Unesco-Welterbe.
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"Wäre ein Imageverlust"

Mit gemischten Gefühlen steht Sylvia Loidolt der aktuellen Debatte gegenüber. "Das Kaufhaus Kastner & Öhler ist eine Grazer Institution und aus der Innenstadt nicht wegzudenken. Das Café Freiblick mit seiner Dachsterrasse ist der Hotspot für Besucher schlechthin", so die Vorsitzende der Erlebnisregion Graz. "Wie so viele andere Unternehmen hatte auch die Firma Kastner & Öhler in den vergangenen Jahren mit der Pandemie und anschließend mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen." Daher sei es laut Loidolt "mehr als verständlich, dass auch so ein großes Unternehmen Zeit braucht, um derart kostenintensive Projekte umzusetzen."

Die Semriacherin Sylvia Loidolt (r.; hier mit Susanne Haubenhofer) über eine mögliche Aberkennung des Welterbe-Titels: "Aus touristischer Sicht wäre die Aberkennung des Welterbe-Titels ein Imageverlust, auch wenn Graz noch so unglaublich viel zu bieten hat." | Foto: KK/FB
  • Die Semriacherin Sylvia Loidolt (r.; hier mit Susanne Haubenhofer) über eine mögliche Aberkennung des Welterbe-Titels: "Aus touristischer Sicht wäre die Aberkennung des Welterbe-Titels ein Imageverlust, auch wenn Graz noch so unglaublich viel zu bieten hat."
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Aus touristischer Sicht wäre die Aberkennung des Welterbe-Titels ein "Imageverlust – doch Graz hat so unglaublich viel zu bieten: vom Schloss Eggenberg über den Schlossberg, die Altstadt mit der Stadtkrone und den wunderschönen Innenhöfen, dass aus unserer Sicht eine Aberkennung des Titels nur aufgrund der noch fehlenden Fertigstellung des Kastner Daches, die ja ohnehin noch erfolgen wird, nur sehr schwer vorstellbar ist", erklärt die Touristikerin.

Wo in Österreich Weltkulturerbe zu finden ist

Weltweit listet die Unesco  1.157 Welterbestätten in 167 Ländern von "herausragendem universellem Wert" – sie werden demnach ideell nicht als Besitz einzelner Staaten angesehen, sondern unter Aufsicht der 194 Länder der Erde gestellt, die die Unesco-Konvention ratifiziert haben. Österreich hat dies 1992 getan.
Zwölf Welterbe-Stätten gibt es zwischen dem Boden- und dem Neusiedlersee:  

  1. Salzburg
  2. Hallstatt-Dachstein / Salzkammergut
  3. Semmeringbahn
  4. Graz und Schloss Eggenberg
  5. Wachau
  6. Donaulimes
  7. Neusiedler See
  8. Schönbrunn
  9. Wien
  10. Pfahlbauten rund um die Alpen
  11. Nationalpark Kalkalpen
  12. Kurstadt Baden bei Wien

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