Wenn der Kampf um Anerkennung beginnt
Streitigkeiten unter Geschwistern gehören dazu. Dr. Streit gibt Rat, wenn diese Eifersucht zu weit geht.
„Das gehört mir!“, „Nein, mir!“ – „Maaaama!“. Wer kennt diese Situation nicht? Streitigkeiten und Rivalitäten zwischen Geschwistern gehören seit jeher zum Alltag. Sie ziehen sich quer durch alle Kulturkreise, meint der Experte. Es geht dabei immer um das gleiche psychologische Grundbedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit.
Vom Thron gestoßen
Am größten sind die Eifersüchteleien dabei zwischen Geschwistern, wenn sie innerhalb von einem bis eineinhalb Jahren Abstand auseinander liegen. Der oder die Erstgeborene kann oft nicht mit der Aufmerksamkeit umgehen, die dem kleinen Geschwisterchen zuteil wird, und fühlt sich von seinem oder ihrem „Thron“ gestoßen. Ehe man sich versieht, fangen auch die geschwisterlichen Vergleiche untereinander an, die schnell zu sich aufschaukelnden Rivalitäten führen können. So lange diese Streitigkeiten in einem geordneten Rahmen ablaufen, können Eltern ihren Kindern eine Selbstregulation der Situation zutrauen. Wenn allerdings die Gefahr besteht, dass ein Kind körperliche oder psychische Schäden davonträgt, sind die Erziehungsberechtigten gefragt, einzugreifen. Diese Tipps können bei Geschwisterrivalität helfen:
1. Checken Sie sich selbst. Wie steht es um Ihre eigenen Rivalitäten, Verletzungen durch Geschwister und andere? Suchen Sie da den Ausgleich, Versöhnung und Balance.
2. Führen Sie klare Regeln ein. Wer von den Geschwistern hat welche Rechte? Haben Sie Mut zum Unterschied. Als Faustregel gilt: Ältere können etwas später schlafen gehen. Jedes der Geschwisterchen hat seine Einzigartigkeit und seinen besonderen Platz, dem auch Aufmerksamkeit gezollt werden sollte.
3. Schenken Sie Zeit. Dies ist vor allem bei Erstgeborenen wichtig, wenn das kleine Geschwisterchen nachkommt. Das Gleiche gilt auch für Sandwich-Kinder.
4. Haben Sie Verständnis. Wenn Ihr älteres Kind sagt, es möchte das kleine Geschwisterchen nicht haben, versuchen Sie, dem dahinterliegeden Bedürfnis Ihres Kindes nachzugehen.
5. Greifen Sie ein. Wenn tatsächlich die körperliche oder seelische Unversehrtheit des kleineren Geschwisterchens in Gefahr ist, schreiten Sie rechtzeitig ein.
6. Nutzen Sie Konflikte. Streitigkeiten können auch zu Lernprozessen führen, wie Geschwister wertschätzend miteinander umgehen können. Machen Sie dazu Folgendes: 1. Unterbrechen Sie die aktuellen, wechselseitig abwertenden Handlungen. 2. Hören Sie Ihren Kindern zu und lassen jeden seine Version erzählen, immer wieder. 3. Geben Sie jedem in Ihrer Familie besondere Aufgaben. Wenn jeder etwas Außergewöhnliches kann, entwickelt sich ein starkes Selbst und dieses muss nicht verzweifelt durch soziale Vergleiche wieder hergestellt werden.
7. Fördern Sie die Kooperation. Geben Sie Ihren Kindern gemeinsame Aufgaben, sodass sie zusammen etwas zu bewältigen haben.
8. Integrieren Sie. Ältere Geschwister können Aufgaben in der Pflege des erstgeborenen Kindes übernehmen, um sich verantwortlich und wertgeschätzt zu fühlen.
9. Seien Sie wachsam. Teilen Sie Ihren Kindern mit, dass Sie hier sind und jedes Kind für sich einen sicheren Platz in der Familie hat. Vermeiden Sie abwertende Vergleiche zwischen den Kindern. Schauen Sie dann darauf, dass die Geschwister respektvoll miteinander umgehen und sagen sie ihnen, wie sehr Sie jedes Kind lieben.
Dr. Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, sowie Lebens- und Sozialberater.
Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das größte Familientherapiezentrum der Steiermark.
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