Gottesdienste
Ausgangssperre wegen Corona, wie läuft es mit dem Heim-Gottesdienst?

Der häusliche Abendmahlstisch
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Die Aufforderung, alle Sozialkontakte extrem einzuschränken, trifft auch gläubige Menschen sehr schwer. Nach dem Treffen von Bundeskanzler Sebastian Kurz mit VertreterInnen der staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften wurde letzte Woche vereinbart, Gottesdienste auszusetzen bzw. zu dezimieren. Das Land Tirol, vertreten durch Landeshauptmann Günther Platter, hat heute als erstes Bundesland eine auf wenigen Ausnahmen beschränkte Ausgangssperre verordnet. Später ist die Bundesregierung diesem Beispiel gefolgt und dehnte die Sperre auf ganz Österreich aus. Wenn gläubige Menschen, Christen, Muslime, Juden, ihre gemeinschaftlichen Gottesdienste und Gebetsversammlungen nicht mehr ausüben können, was tun sie dann?

Die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (staatlich anerkannt seit 1955) trifft es zum Glück nicht so hart. Ihnen wurde von der österreichischen Kirchenleitung gestattet, einen Gottesdienst in kleinem Rahmen in ihrem Heim zu organisieren und abzuhalten. Nur wie funktioniert das mit dem heiligen Abendmahl (Sakrament der heiligen Kommunion), wenn kein Priester da ist?

Das Wort „Priestermangel“ kennt die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nicht. Durch die Wiederherstellung des heiligen Aaronischen und Melchisedekischen Priestertums im Jahre 1829, kann dieses mit der Vollmacht, welche die amtlichen Träger des Priestertums besitzen, an andere Brüder in der Kirche weitergegeben werden. Die Voraussetzung dafür ist nicht etwa ein abgeschlossenes Theologiestudium, sondern die persönliche Bereitschaft, Jesus Christus nachfolgen zu wollen, in Wort und in Tat. Diese Bedingung kann fast jeder erfüllen, wenn er ein aufrichtig gläubiger Mensch ist. So kann es in einer einzigen Kirchengemeinde je nach Größe 20, 50, 100 oder mehr Priester geben. Junge Männer ab 12 Jahren können das Aaronische Priestertum übertragen bekommen. Ältere ab 18 Jahre bekommen das Melchisedekische Priestertum übertragen und werden in einem Amt darin ordiniert. Die Vollmacht, im Namen Gottes zu handeln, ist somit in fast jeder Familie der Heiligen der Letzten Tage vorhanden.

Ein Beispiel zum Heim-Gottesdienst.

Familie Egger wohnt in Oberhofen in Tirol. Der Vater und fünf seiner Söhne tragen das heilige Priestertum. Von den sieben Kindern lebt jedoch nur noch der jüngste Sohn zuhause. Auch er ist Träger des heiligen Priestertums. Wie hat nun diese Familie ihren ersten Sonntag im Rahmen der Ausgangssperre erlebt? Der Vater erzählt:

Nach einem gemütlichen gemeinsamen Frühstück haben wir ein Programm für den Gottesdienst erstellt. Der sogenannte Abendmahlstisch wurde im Wohnzimmer vorbereitet. Auf ihm befanden sich in diesem Fall drei Schalen mit Wasser (anstatt Wein) und ein Teller mit einem Stückchen Brot. Das ganze wird vor und nach dem Segen mit einem weißen Tuch abgedeckt.

Die Versammlung wurde von mir geleitet. Nach dem Singen des Liedes „der Herr ist mein Licht“ sprach meine Frau Inge ein Gebet. Danach wurde mit dem Lied „Süß ist dein Werk“ die Zeit des Abendmahles eingeleitet. Nach dem Lied teilte und segnete unser Sohn Jakob das Brot zur Erinnerung an das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Wir Heilige der Letzten Tage glauben, dass durch die Auferstehung Jesu der Tod gebrochen ist und jeder Mensch nach seinem Ableben und einer gewissen Zeit in der sogenannten Geisterwelt mit einem herrlichen, unsterblichen Körper auferstehen wird.

Nachdem das Brot allen drei Familienmitgliedern gereicht wurde, segnete ich das Wasser zur Erinnerung an das Sühnopfer Jesu, welches im Garten Gethsemane und am Kreuz vollzogen wurde. Auch hier glauben die Heiligen der Letzten Tage, dass durch das sühnende Blut Christi, das aus jeder Pore seines Leibes drang, als er die Konsequenzen der Fehler und Schwächen der Menschen auf sich genommen hatte, jeder Mensch, so er an Jesus Christus glaubt und von seinen Fehlern umkehrt, rein gemacht wird. Diese Voraussetzungen ermöglichen es, nach der Auferstehung in die Gegenwart Gottes gelangen zu können. Das so gesegnete und geheiligte Wasser reichten wir uns untereinander zum Trinken. 

Das Abendmahl ist wohl der heiligste Part des Gottesdienstes, auch an diesem Sonntag. Die Verheißung darin ist, dass der Geist Gottes die Gläubigen begleiten und ihnen Trost und Erkenntnis zukommen lassen wird. Gerade in Zeiten wie diesen, ist dies eine wunderbare Verheißung. Nach dem Abendmahl gaben, unser Sohn, meine Frau und ich eine kurze Ansprache (Predigt) zu einem Evangeliums bezogenen Thema. Mit einem gemeinsamen Schlusslied und einem Gebet wurde der Heim-Gottesdienst beendet.

Corona und Ausgangssperre hin oder her, für uns war dieser Sonntagvormittag nicht nur ein gelungener und freudiger Auftakt an diesen ersten Tag der Ausgangssperre, sondern auch eine enorme Bereicherung die positiven und fördernden Aspekte eines Lebens im Evangelium Jesu Christi genauso mitzunehmen, als wären wir in einen regulären Gottesdienst in ein Kirchengebäude gegangen. Ich bin dankbar für diese Möglichkeit, unseren Glauben trotz Coronavirus aktiv ausüben zu können. 

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