85 Jahre Pogromnacht in Innsbruck
Gedenken an eine schreckliche Nacht

Im Sommer 1997 wurde am Eduard-Wallnöfer-Platz (vormals Landhausplatz) ein Denkmal - der Entwurf stammt von einem 18jährigen Schüler der HTL Fulpmes - enthüllt, das an die Opfer des Pogroms von 1938 erinnern soll. | Foto: Ralf Roletschek - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
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  • Im Sommer 1997 wurde am Eduard-Wallnöfer-Platz (vormals Landhausplatz) ein Denkmal - der Entwurf stammt von einem 18jährigen Schüler der HTL Fulpmes - enthüllt, das an die Opfer des Pogroms von 1938 erinnern soll.
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Im Verhältnis zur Größe der jüdischen Gemeinde war Innsbruck einer der blutigsten Schauplätze der Pogromnacht. 85 Jahre später wird mit einigen Veranstaltungen an die Pogromnacht erinnert.

INNSBRUCK. "Gauleiter Franz Hofer erteilte nach seiner Rückkehr von den Parteifeiern in München am 10. November 1938 um ein Uhr früh den lokalen Führern der SS, SA, SIPO, Gestapo und des SD den Auftrag, dass sich „die kochende Volksseele gegen die Juden” erheben müsse." Am 11. November erschien in der „Neuesten Zeitung“ unter der Überschrift „Die Synagoge in Innsbruck wurde zertrümmert“ der folgende Artikel:

"... Wie in allen deutschen Städten ist es auch in Innsbruck zu ähnlichen Zusammenstößen gekommen. Die berechtigte und verständliche Empörung hat auch in unserer Stadt zu Ausschreitungen geführt, die durch ihren elementaren Ausbruch der zutiefst erregten Bevölkerung Opfer gefordert hat. Unter anderem wurde die jüdische Synagoge in der Straße der Sudetendeutschen von einer Menschenmenge in der Nacht zum Donnerstag gestürmt und im Innern zerstört. Die Menge zertrümmerte in ihrer berechtigten Wut über die erbärmliche Blutbad die Einrichtungsgegenstände des jüdischen Hauses und machte in erregten Rufen gegen die Juden ihrer verständlichen Empörung Luft. Auch die wenigen noch nicht entjudeten Geschäfte fielen dieser Empörung zum Opfer. Zwei Innsbrucker Judengeschäfte wurden in den frühen Morgenstunden des Donnerstags gründlich zerstört. Um weitere Ausschreitungen zu verhindern, mußte eine Reihe von Juden in Schutzhaft genommen werden. .... Im übrigen ist durch die großen Fortschritte der Entjudungsaktion gerade Innsbruck und damit unser Gau in der glücklichen Lage, in allerkürzester Zeit von jeglicher jüdischen Belastung endgültig befreit zu werden."

Innsbruck erinnert sich an den November 1938

Mahnmal

Am 17. November 1995 schlugen Jugendliche im „Landtag der Jugend” vor, ein Denkmal für die im November 1938 ermordeten Jüdinnen und Juden der Pogromnacht in der Altstadt von Innsbruck zu errichten. Die Mitglieder dieser Projektgruppe waren Herwig Ostermann, Walter Fuchs, Daniel Knabl, Mirjam Dauber und Sibylle Hammer. Schon im Dezember 1995 wurde dieser Antrag von Bürgermeister Herwig van Staa angenommen, der sich ein solches Denkmal auf dem Landhausplatz in Innsbruck vorstellen konnte. Landesrätin Elisabeth Zanon übernahm die Ausführung und schrieb ein Projekt unter dem Motto „…um nicht zu vergessen” aus. Im Sommer 1997 wurde am Eduard-Wallnöfer-Platz (vormals Landhausplatz) ein Denkmal - der Entwurf stammt von einem 18jährigen Schüler der HTL Fulpmes - enthüllt, das an die Opfer des Pogroms von 1938 erinnern soll; an dessen Sockel sind die Namen der vier jüdischen Bürger verzeichnet, die in Innsbruck ermordet wurden; ein Inschriftentext erinnert an die Opfer der Shoa mit den Worten: „… um nicht zu vergessen, dass Vorurteile, Hass und Unbesonnenheit zu einer grausamen Spirale der Gewalt führen können ... wurde dieses Mahnmal 1997 errichtet. … um nicht zu verschweigen, dass in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938, "Reichskristallnacht" - Novemberpogrom, jüdische Mitbürger in Innsbruck ermordet wurden und ihnen viele Kinder, Frauen und Männer in den Tod folgen mussten“.

Der Spirituosenhandel von Alois Hermann in der Leopoldstraße wurde geplündert und zerstört.  | Foto: Stadtarchiv/Stadtmuseum
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Gedenken 2023

Mittwoch, 08. November 2023
19 Uhr – Gedenkkonzert 85 Jahre Novemberpogrom
Ursulinensaal, Innrain 7, Innsbruck
Der 85. Jahrestag ist Anlass für eine Gedenkveranstaltung am Mittwoch, 8. November, um 19 Uhr im Ursulinensaal (Innrain 7). Mit einem Konzert des Akademischen Symphonieorchesters Luhansk gedenkt die Stadt Innsbruck all jener Menschen, die im Zuge dieser gewalttätigen Ausschreitungen vertrieben, verschleppt oder ermordet wurden. Das Musikprogramm wurde von den beiden Dirigenten Wolfram Rosenberger und Lukas Beikircher zusammengestellt. Es berücksichtigt jüdische KomponistInnen wie Oscar Straus oder Ilse Weber genauso wie österreichische Komponisten wie Anton Webern oder Paul Hindemith, die unter der NS-Herrschaft massive berufliche Einschränkungen auferlegt bekamen und deren Werke als entartet galten. Eingeladen für das Konzert wurde das „Akademische Symphonieorchester Luhansk“ – ein 13-köpfiges ukrainisches Streicherensemble – deren Mitglieder selbst zweimal fliehen mussten: 2014 nach Beginn der russischen Invasion von Luhansk nach Sjewerodonezk und nach Beginn des Krieges im Februar 2022 nach Lemberg. Chefdirigent des Orchesters ist Prof. Kurt Schmid, ständiger Gastdirigent Dr. Wolfram Rosenberger, Leiter der Musikschule Innsbruck.

Foto: IKM

Ausführende sind zudem Günter Lieder und Horst Schreiber (Lesung), Susanne Langbein (Gesang), Paraskevas Tsenikoglou (Klavier) und ein Querflötenquartett der Musikschule Innsbruck (Leitung: Cornelia Senoner). Ansprachen: Georg Willi – Bürgermeister / Günter Lieder – Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg / Horst Schreiber – Historiker
Anmeldung erforderlich unter: viviane.seiter@magibk.at

Ingeborg Brüll erinnert sich

Donnerstag, 09. November 2023
17:30 Uhr – Gedenkfeier des sozialdemokratischen Freiheitskämpfer:innen Tirol
Jüdischer Friedhof (Westfriedhof), Fritz-Pregl-Straße 2, Innsbruck
Traditionelle Gedenkveranstaltung
Grußworte sprechen Günter Lieder, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Tirol, und SPÖ-Klubobfrau Elisabeth Fleischanderl als Tiroler Vorsitzende der Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen. Die Gedenkrede hält Anton Pelinka, musikalisch umrahmt wird das Erinnern von der Klezmermusik und dem Chor der Vielfalt. Anschließend wird gegen 18.30 Uhr zur Teilnahme am Kaddish der Israelitischen Kultusgemeinde am Landhausplatz eingeladen. 

Ergänzend zum Pogromgedenken am Donnerstag findet am Samstag, dem 11. November, ein antifaschistischer Stadtspaziergang unter Leitung von Andrea Sommerauer statt. Treffpunkt ist um 14 Uhr bei der Synagoge (Sillgasse 15, 6020 Innsbruck), gebeten wird um Anmeldung via E-Mail an: helmut.muigg@gmx.at 

18:30 Uhr – Kaddisch. Gedenken der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg
Menora am Landhausplatz / Eduard-Wallnöfer-Platz, Innsbruck

19 Uhr – Gespräch: Die letzte Zeitzeugin. Marion Fischer, Überlebende des Holocaust, im Gespräch mit Horst Schreiber
Landhaus Innsbruck, Großer Saal
„Es war schon damals kein Honiglecken, Flüchtling zu sein, wie auch heute nicht“, betont Marion Fischer, geboren im Burgenland, 1938 gezwungen zur Flucht, aufgewachsen in Lagern des faschistischen Italien und knapp der Deportation ins KZ Auschwitz entkommen. Vier Jahre lang ist sie mit ihrer Familie in der Schweiz geduldet, dann wird sie nach Meran abgeschoben, ab 1951 ist Tirol ihre neue Heimat. Seit Jahren besucht Marion Fischer als Zeitzeugin Schulen in Tirol und Italien: „Es ist meine Pflicht, jungen Menschen meine Erfahrungen weiterzugeben und über mein Leben als jüdischer Flüchtling zu sprechen.“ – In Kooperation mit erinnern.at

Donnerstag, 16. November 2023
19 Uhr – „Café Schindler“ – Lesung und Podiumsgespräch. Meriel Schindler liest aus ihrer außergewöhnlichen Geschichte, die zwei Jahrhunderte, zwei Weltkriege und ein Familienunternehmen umspannt.
Gymnasium der Ursulinen, Fürstenweg 86, Innsbruck
„Kurt Schindler ist eine schillernde „verkrachte Existenz“. Seine Tochter Meriel, Anwältin in London, hat ihre liebe Not damit, ihn in Schach zu halten. Immer wieder fragt sie sich, was dran ist an den Geschichten, die ihr Vater zum Besten gibt: Ist die Familie wirklich verwandt mit Franz Kafka und Oskar Schindler? Oder mit Hitlers jüdischem Arzt, Dr. Bloch? Was ist in der Pogromnacht am 9. November 1938 in Innsbruck passiert, als die Nationalsozialisten Kurts Vater halb zu Tode prügelten und das Haus durchsuchten? Als ihr Vater 2017 stirbt, beschließt Meriel, den Geheimnissen auf den Grund zu gehen und begibt sich auf eine atemberaubende Entdeckungsreise, von der sie an diesem Abend an ihrem ehemaligen Gymnasium erzählt.“ Quelle: Diözese Innsbruck Mit: Meriel Schindler, Vertreter:in der Israelitischen Kultusgemeinde Tirol und Vorarlberg, Diözesanbischof MMag. Hermann Glettler und Ass.-Prof. Dr. Nikolaus Hagen

Herschel Grynszpan bei seiner Verhaftung, 7.11.1938 | Foto: http://data.onb.ac.at/rec/baa1253126
  • Herschel Grynszpan bei seiner Verhaftung, 7.11.1938
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