Zeitgeschichte am 27.1.
Gemeinsames Gedenken am Mahnmal für die NS-Opfer

Diese schlichte Tafel in der Rossaugasse erinnert an die Toten des Lagers Reichenau. | Foto: BezirksBlätter
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  • Diese schlichte Tafel in der Rossaugasse erinnert an die Toten des Lagers Reichenau.
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Am internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (Holocaust Gedenktag) findet heuer erstmals eine gemeinsame Kranzniederlegung vom Bund der Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen, von der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und von der Stadt Innsbruck am 27.1. vor dem Mahnmal für die Opfer des Arbeitserziehungslagers in der Rossau statt.

INNSBRUCK. Das Lager Reichenau im heutigen Stadtteil Rossau wurde im August 1941 im Auftrag des Reichssicherheitshauptamtes errichtet. Es diente zunächst als Auffanglager für italienische Zivilarbeiter, später wurden politische Häftlinge der Gestapo sowie Jüdinnen und Juden aus Norditalien auf dem Weg zur Deportation gefangen gehalten. Seit 1972 erinnert am ehemaligen Grundstück ein Gedenkstein an die Opfer des Lagers. Die Kranzniederlegung findet am 27.1. um 12 Uhr statt.

Zeitgeschichte: Beitrag zum Lager Reichenau der BezirksBlätter Innsbruck

Lager Reichenau

Ein Video (Juni 1945) zeigt die Bilder der von der US-Armee organisierten Heimreise der Displaced Persons aus dem ehemaligen Gestapo-Lager Reichenau. Das Lager Reichenau in Innsbruck-Reichenau wurde im August 1941 im Auftrag des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) Berlin in Zusammenarbeit mit dem Landesarbeitsamt Innsbruck errichtet. Bis zum Sommer 1942 diente es seinem ursprünglichen Zweck als Auffanglager für italienische Zivilarbeiter, die aufgrund der zunehmenden Bombenangriffe im Jahre 1942 auf die deutschen Industriezentren nach Italien zurückkehrten. Diese sollten im Lager Reichenau gesammelt und dem Arbeitsamt als Zwangsarbeiter zugeführt werden. Da aber immer weniger italienische Zivilarbeiter aufgegriffen wurden, wurde das Lager zum Arbeitserziehungslager umfunktioniert.

Es unterstand in dieser Form direkt dem jeweiligen Leiter der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeistelle Innsbruck und war dazu bestimmt, „die im Gau Tirol/Vorarlberg wegen Arbeitsvertragsbruchs, Blaumacherei oder Dienstpflichtverweigerung auffallenden männlichen Personen aufzunehmen und durch strikte Disziplin und schwere Arbeit zu brauchbaren Volksgenossen zu erziehen.“

In einigen Videos sind Aufnahmen vom "Camp Reichenau" zu sehen. | Foto: Matthias Breit/youtube
  • In einigen Videos sind Aufnahmen vom "Camp Reichenau" zu sehen.
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Gegen Ende des Krieges wurden zunehmend auch politische Häftlinge der Gestapo Innsbruck in der Reichenau gefangengehalten. Ab 1943 diente das Lager auch als Durchgangslager für Juden aus Norditalien auf dem Weg ihrer Deportation, die seit 1944 vielfach aus dem Durchgangslager Bozen kamen.

Insgesamt waren im Lager Reichenau rund 8500 Personen inhaftiert, von denen nachweislich 130 Menschen ermordet wurden oder durch unmenschliche Behandlung den Tod fanden.

Im April 1945 waren hier die 141 Sonder- und Sippenhäftlinge, die kurz darauf in Südtirol befreit wurden, für ein paar Tage untergebracht. Nach dem Krieg diente das Lager als Unterkunft für sogenannte Displaced Persons und später für Menschen ohne oder mit niedrigem Einkommen, bevor es in den siebziger Jahren abgerissen wurde.

Gedenkstein

Seit 1972 erinnert am ehemaligen Grundstück ein Gedenkstein an die Opfer des Lagers Reichenau. Er trägt die Inschrift:

Hier stand in den Jahren 1941–1945 das Gestapo-Auffanglager Reichenau, in dem Patrioten aus allen von Nationalsozialismus besetzten Ländern inhaftiert und gefoltert wurden.

Johannes Breit (geb. 1989 in Hall) recherchierte die Geschichte des Arbeitserziehungslagers Reichenau und gestaltete darüber 2006 bis 2008 den Dokumentarfilms "Es ist besser, nicht zuviel um sich zu schauen ...".

Würdiges Denkmal für das Lager Reichenau, BezirksBlätter Innsbruck Artikel

Neue Lösung

„In der Stadt Innsbruck ist allen Beteiligten seit etlichen Jahren klar, dass die unwürdige Gedenksituation rund um das Lager Reichenau eine offene Wunde ist“, erklärt die Vorsitzende des gemeinderätlichen Kulturausschusses, SPÖ-GR Irene Heisz. „Ich werde mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Kulturausschuss besprechen, wie wir zu einer würdevolleren, angemessenen neuen Lösung kommen.“ Das 1974 beim Eingang zum heutigen Recyclinghof errichtete Denkmal hatte damals seine Berechtigung, galt sogar als progressiv. Heute ist klar, dass die Inschrift inhaltlich nicht mehr haltbar und der Standort alles andere als ideal ist. Ebenso unbestritten ist, dass es bei einem für die jüngere Stadtgeschichte so wesentlichen Thema nicht mit einer allenfalls erneuerten Bronzetafel getan sein kann, sondern einer umfassenderen, größer gedachten Lösung bedarf.

Diese schlichte Tafel in der Rossaugasse erinnert an die Toten des Lagers Reichenau. | Foto: BezirksBlätter
In einigen Videos sind Aufnahmen vom "Camp Reichenau" zu sehen. | Foto: Matthias Breit/youtube
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