Carmen Brucic erzählt
Schlingensiefs Reise in Bildern

Carmen Brucic: Blick auf das Himalayagebirge 2020 | Foto: Carmen Brucic
  • Carmen Brucic: Blick auf das Himalayagebirge 2020
  • Foto: Carmen Brucic
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INNSBRUCK. Christoph Schlingensiefs Inszenierung von Richard Wagners Parsifal wurde im Juli 2004 in Bayreuth uraufgeführt, bejubelt und verkannt, wie viele seiner Werke zuvor. Weniger bekannt ist bis heute die Reise, die der Regisseur 2003 durch Nepal und Thailand auf der Suche nach Parsifal und Kundry unternahm und von der Carmen Brucic siebzehn Jahre später in dieser Ausstellung erzählt.

Die gemeinsame Recherche hatte in Bayreuth bei der Entdeckung eines Bestands hinduistischer Literatur in Wagners Bibliothek in der Villa Wahnfried begonnen, wo Carmen Brucic Schlingensief am berühmten Liszt Flügel fotografierte. Die Reiseabfolge ist den Hinweisen des Ethnomusikologen und Nepalkenners Gert-Matthias Wegner zu verdanken.

Ausstellung

Die Ausstellung ist bereits seit 3. November in der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman zu sehen und wird noch bis 13. Februar zur Bewunderung bereitstehen. Auf der Website www.galeriethoman.com können Sie sich einen Überblick über die Fotografien verschaffen.

Einzigartige Erlebnisse

Auszug aus einem Gespräch von Christoph Schlingensief mit Gregor Gysi im ZDF über die Erfahrungen mit der Inszenierung in Bayreuth: „Ich war in Nepal, da gibt es ein Reinkarnationsfestival. (…) Da erlebt man Bhaktapur – bei Kathmandu ist das –, eine Landschaft mit 62 Ethnien (…). Das Gelände war interessant, weil ich natürlich als Katholik immer bis zum Altar laufe und dann ist Schluss, weil da irgendwie Marmor ist. Aber die laufen da durch. Sie haben über 5000 Götter. (…) Das war ein gigantisches Durcheinander an Glaubensbekenntnissen, ein Strudel an Ereignissen. Und dann die Frage der Erlösung: Da habe ich praktisch studiert, was Erlösung ist. Das hatte ich hier nicht gefunden. Wir reden zwar immer von Erlösung, die Politik will eine Erlösung, alle wollen eine Erlösung, aber ich glaube da nicht daran. (…) Ich habe nur Inszenierungen von Parsifal, die immer so christlich verschmiert waren und dann habe ich einfach gedacht, man müsste mal in was Konkretes rein, in was Spirituelles und vielleicht auch etwas Metaphysisches. Die haben aber gedacht, ich komme und mache BDM-Mädchen und Hakenkreuze auf die Bühne, dann wären sie zufrieden gewesen. (…) Aber genau das war es nicht! Es ging um Erlösung und die Frage, was ist dieses Mitleid, das der Parsifal lernen soll. Was ist das Mitleid Behinderten gegenüber? Was ist das Mitleid Jesus gegenüber? Warum hat jemand, der drei Tage am Kreuz hängt, mehr gelitten als jemand, der ein Leben lang im Rollstuhl oder als Wachkomapatient lebt, was ist da der Unterschied im Leid? Wie soll ich da überhaupt mitleiden, ich kann nicht einmal mitreden. Diese Fragen waren alle drinnen.“

KUNDRY
Dich nannt’ ich, tör’ger Reiner,
“Fal parsi”, –
Dich, reinen Toren: “Parsifal”.
(Richard Wagner, Parsifal, Zweiter Aufzug)


Fotos als Kunstwerke

Die oben zitierten Sätze aus dem Artikel von Reinhard Brembeck bringen uns auf richtigen Pfad für eine Annäherung an Carmen Brucic‘ fotografisches Werk. Die Fotografien, die in den letzten zwanzig Jahren in Brasilien, Mexiko, Spanien, Italien, Österreich und einigen anderen Ländern entstanden sind, zeichnen einen nicht religiösen und doch die Religion berührenden Weg der menschlichen Erlösung, die von den Gegensätzen Nähe und Distanz, Liebe und Trennung, Abschied und Aufbruch versprochen wird. Ihre Arbeit charakterisiert eine unverwechselbare Poetik, die fotografische Bildausschnitte zu barocken Monumenten verwandelt. Barockartig verflüssigt sich in dieser frühen fotografischen Serie die Trennung zwischen Erde und Himmel. Der Horizont ist nur kurz zu sehen, zu Beginn der Reise: Christoph Schlingensief im Boot, vor dem Eintauchen in eine Welt, in der sich die Dimensionen durchmischen werden.

Zur Fotografin

Carmen Brucic (geb. 1972) ist sowohl als Fotografin als auch für ihre partizipativen Arbeitsmethoden bekannt. Eine fruchtvolle Verbindung von Fotografie, Theater, Inszenierung und performativer Intervention prägt ihr Schaffen. Seit 2001 verwirklicht Brucic künstlerisch-wissenschaftliche Formate zu emotionalen Themen, welche sie in verschiedenen Medien ausarbeitet. Für wichtige europäische Theater konzipierte und leitete sie einzigartige Kongresse wie „LovepangsTM. Ausrufung der liebeskranken Gesellschaft“, erstmalig an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Patz in Berlin, in dessen Rahmen sie Christoph Schlingensief kennenlernte. Ihre künstlerischen Arbeiten als Fotografin wurden bisher in Österreich, Deutschland, Slowenien, der Schweiz, Belgien, Mexiko sowie in den USA gezeigt. Sie lebt und arbeitet in Innsbruck und Gnadenwald.

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