"Causa Anzengruber", ein Kommentar
6.000 Stimmen, Anzengruber, Tursky und ChatGPT

Johannes Anzengruber will als Bürgermeister kanddiieren. | Foto: zeitungsfoto.at
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Die "Causa Anzengruber" bewegt die Politik und die Stammtische. Über 6.000 Leserinnen und Leser haben an der nicht repräsentativen Umfrage mit der Frage "Soll Vizebgm. Anzengruber zurücktreten?" teilgenommen, Ergebnis 32 % Ja-Stimmen, 68 % Nein-Stimmen. Ein Versuch einer Einordnung der "Causa Anzengruber". 

INNSBRUCK. Wer bei ChatGPT die Frage nach dem Wahlausgang der Gemeinderatswahl 2024 stellt, bekommt eine klare Antwort. "Als AI-Assistent habe ich keinen Zugriff auf Echtzeitinformationen oder die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. Daher kann ich dir leider keine genaue Antwort auf deine Frage geben. Es ist am besten, sich an zuverlässige Quellen wie Nachrichtenagenturen oder offizielle Wahlberichte zu wenden, um Informationen über die Gemeinderatswahlen in Innsbruck am 14.4.2024 zu erhalten."

Die Kandidaten

Am 14.4.2024 wird Innsbruck einen neuen Gemeinderat wählen, zwei Wochen später fällt voraussichtlich die Entscheidung über das Bürgermeisteramt. Georg Willi und Markus Lassenberger stehen als Spitzenkandidaten fest. Die Kandidaturen von Gerald Depaoli steht fest. Die Alternative Liste Innsbruck wird im Oktober den Spitzenkandidaten fixieren. Offen ist die Kandidatur der Liste Lebenswertes Innsbruck sowie ein mögliches Antreten von Helmut Buchacher. Der Tiroler Seniorenbund wird aufgrund der 4-%-Hürde und des Koppelungsverbots nicht mehr antreten. Die Spitzenkandidatinnen oder Kandidaten von Liste Fritz, NEOS und SPÖ sind noch offen. Julia Seidl hat medial angekündigt, als Spitzenkandidatin der NEOS antreten zu wollen. Die Liste für Innsbruck und die ÖVP möchte gemeinsam in die Wahl gehen. Die Frage nach der möglichen Spitzenkandidatin oder Kandidaten spitzt sich zu. Johannes Anzengruber hat sich im BezirksBlätter-Interview klar festgelegt: "Ich habe eine Mission: mich als Bürgermeister um das Wohl der Stadt und der Bürgerinnen und Bürger, die dort leben, zu kümmern. Auch die derzeitigen Funktionäre in der Stadtpartei sind letztlich ihren Mitgliedern verpflichtet! Und in der Basis werden die Stimmen für eine Kandidatur immer lauter." Als Alternative wird Staatssekratär Florian Turky genannt.

Die Wahl 2018

Die ÖVP erreicht bei der schlechtesten Wahlbeteiligung aller Zeit (50,4 Prozent nahmen an der Wahl teil) 12,17 Prozent (-minus 9,74) und 5 Mandate, der mit der ÖVP gekoppelte Tiroler Seniorenbund erreichte ein Mandat. Der ÖVP-Spitzenkandidat Franz X. Gruber blieb im Amt. Die damalige Zusammensetzung des Stadtsenats: Bgm. Georg Willi, Vizebgm. Christine Oppitz-Plörer (28 Ja/12 Nein/0 Enthaltungen), Vizebgm. Franz X. Gruber (23/14/3). Weiters im Stadtsenat Uschi Schwarzl, Elisabeth Mayr, Andrea Dengg und Rudi Federspiel (beide jedoch ohne Ressortführung). Für die ÖVP im Gemeinderat Johannes Anzegruber (er wurde auch für die Vertretung von Gruber im Stadtsenat namhaft gemacht), Mariella Lutz, Andreas Wanker, Birgit Winkel. Anzengruber wurde zum Klubobmann des VP-Gemeinderatsklubs gewählt.

Nach der Angelobung zum Vize: Vizebürgermeisterin Uschi Schwarzl, Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler, Vizebürgermeister Johannes Anzengruber, Bürgermeister Georg Willi.  | Foto: IKM
  • Nach der Angelobung zum Vize: Vizebürgermeisterin Uschi Schwarzl, Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler, Vizebürgermeister Johannes Anzengruber, Bürgermeister Georg Willi.
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Aktuelles aus der Stadtpolitik im Polit-Ticker der BezirksBlätter Innsbruck

Viele Wechsel

Im Jänner 2019 gab es eine erste große Änderung innerhalb der ÖVP. Christoph Appler, bei er GR-Wahl auf Listenplatz Fünf gereiht, jedoch aufgrund des Vorzugstimmenergebnisses von Anzengruber nicht im Gemeinderat, kann durch die Beurlaubung von GR Winkel in den Gemeinderat einziehen. Gleichzeitig wurde Appler zum geschäftsführenden Stadtparteiobmann und Klubobmann des GR-Klubs ernannt. Der Führungsstil von Anzengruber als Klubobmann wurde parteiintern scharf kritisiert. Am 10.10.2019 wurde Christine Oppitz-Plörer im Gemeinderat als Vizebürgermeisterin abgewählt (23/17). Am 21.11.2019 wurde Uschi Schwarzl zur Vizebürgermeisterin gewählt (22/13/4/1 Abwesend). Gruber teilt mit, am 27. Februar 2020 sein Amt als Vizebürgermeister zurückzulegen. In der Gemeinderatssitzung wurde Anzengruber zum 2. Vizebürgermeister gewählt (22/15/3) und erhielt folgende Ressortverantwortung: Tourismus, Soziales, Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheit, Markt- und Veterinärwesen, Land- und Forstwirtschaft, Allgemeine Sicherheit und Veranstaltungen, Berufsfeuerwehr. Am 10.12.2020 wurde Uschi Schwarzl im Gemeinderat als Vizebürgermeisterin abgewählt (21/12/1). Am 21.1.2021 folgte eine Stichwahl zwischen Elisabeth Mayr und Markus Lassenberger um das Amt als Vizebürgermeister. Auf Lassenbeger entfielen 18 Stimmen, auf Mayr 16 Stimmen und sechs Stimmen waren ungültig. Danach löste sich die Koalition zwischen Grüne, Für Innsbruck, SPÖ und ÖVP auf und es regiert in Innsbruck das "Spiel der freien Kräfte".

Tradition

Abspaltungen im bürgerlichen Lager haben in Innsbruck Tradition. 1994 erreichte das bürgerliche Duell mit der von Herwig van Staa unter dem Motto "die bunten Raben" erstellen Liste für Innsbruck gegen die damalige ÖVP von Romuald Niescher einen Höhepunkt. Van Staa, Hilde Zach und Christine Oppitz-Plörer nahmen für die Liste Für Innsbruck den jeweiligen Bürgermeistersessel in Anspruch, ehe Oppitz-Plörer in der Bürgermeisterstichwahl 2018 gegen Georg Willi verlor. Bei der Gemeinderatswahl 2018 hätten Für Innsbruck, ÖVP und Seniorenbund gemeinsam 31,04 Prozent und wären deutlich die stimmenstärkste Kraft. Immer wieder gibt es daher Gespräche, die Liste Für Innsbruck und die ÖVP wieder zusammen zu führen. Die Problematik dabei ist bekannt. Über die Macht und Ohnmacht der Bünde Wirtschaftsbund, ÖAAB, JVP, Bauernbund, Frauen oder Senioenbund wurde viel geschrieben. Die jeweiligen Interessen dieser Bünde auf einer Liste zu berücksichtigen, ist durchaus eine Herausforderung. Nicht unerwähnt darf dabei auch die hohe Anzahl an MKV-, CV und anderen studentischen bürgerlichen Verbindungen bleiben. Dazu passend eine gewisse Wankelmütigkeit der Volkspartei. Höhepunkt im Wahljahr 2012, als sechs Wochen vor der Wahl der damalige Spitzenkandidat Franz X. Gruber gegen Christoph Platzgummer (zurückgetretener ehemalige „Für Innsbruck“-Vizebürgermeister) ausgetauscht wurde. Die ÖVP erreichte damals 14,6 Prozent (+ 3,1), die Liste Für Innsbruck 26,8 % (- 9,5 %). Mit der jetzigen personellen Diskussion über die bürgerliche Spitzenkandidatin oder den bürgerlichen Spitzenkandidaten setzt die ÖVP eine lange Tradition fort.

Johannes Anzengruber, Franz Xaver Gruber, Christoph Appler | Foto: BezirksBlätter
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Anzengruber

Als Wirt der Arzler Alm kandidierte Johannes Anzengruber bei der Gemeinderatswahl in Innsbruck 2018 auf Listenplatz 7 der ÖVP. Anzengruber erhielt 864 Vorzugsstimmen und wirbelte damit die ÖVP-Liste durcheinander. (Anmerk. der Redaktion. Beim Wikipedia-Eintrag zu Johannes Anzengruber ist ein Schnelllöschantrag anhängig). Anzengruber war bis Jänner 2019 Klubobmann des Gemeinderatsklubs, eher er von Christoph Appler abgelöst wurde. Am 27.2. 2020 wurde Anzengruber zum zweiten Vizebürgermeister gewählt. Die politische Arbeit von Anzengruber ist von wenigen mediale Auffälligkeiten begleitet. Seine Fotodokumentation der politischen Alltagsarbeit auf den sozialen Kanälen finden zwar nicht nur Zustimmung, aber der ehemalige Almwirt sowie Ingenieur, Magister und Bsc genießt auch viel Zuspruch. ÖVP-intern wird das Verhalten von Anzengruber genau beobachtet, vor allem da meistens GR Appler und GR Lutz medial gegen Bürgermeister Willi antreten. Beim Thema Singeltrail Hofwald gab es einen medialen Schlagabtausch zwischen Anzengruber und Bgm. Willi. Anzengruber im Juli 2022 zu den BezirksBlättern: "Ich habe meine Aufgabe erledigt und mit meinem Team vom Amt für Wald und Natur sowie dem Trailbauer inkl. Abstimmung mit dem Grundstückeigentümer ÖBF das weitere Vorgehen vereinbart. In weiterer Folge hat mich Bürgermeister Willi aber klar overruled und meine Entscheidung ignoriert." Mit der "Causa Anzengruber" ist der Vizebürgermeister in das Rampenlicht getreten. Seine politische Zukunft definiert Anzengruber per Video auf Facebook: "So arbeite ich voller Zuversicht weiter. Als Kandidat zum Stadtparteiobmann und als Kandidat zur Bürgermeisterwahl 2024. Gemeinsam für unsere Stadt! Und für mehr Fairness in der Politik!"

Tursky

Als möglicher Spitzenkandidat wird immer wieder Florian Turkys genannt. Tursky (Jahrgang 1988) ist Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation. 2006 bis 2010 war Tursky Landesgeschäftsführer der Jungen Volkspartei Tirol. Ab 2017 war er im Büro des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter, zunächst als Pressesprecher, dann ab 2018 als Büroleiter tätig. Am 11. Mai 2022 wurde Tursky von Bundespräsident Van der Bellen zum Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen angelobt. In seiner Schulzeit trat Tursky der katholischen Schülerverbindung K.Ö.St.V. Teutonia Innsbruck im MKV (u. a. Ehrenmitglied Herwig van Staa) bei und während seiner Studentenzeit wurde er Mitglied der katholischen Studentenverbindung A.V. Austria Innsbruck im ÖCV (u. a. Mitglied Magnus Brunner). Zudem ist Tursky Mitglied weiterer katholischer Studentenverbindungen des Österreichischen Cartellverbandes und des Mittelschüler-Kartell-Verbandes. Eine konkrete Entscheidung über ein Antreten als Spitzenkandidat einer gemeinsamen bürgerlichen Liste bei der GR-Wahl 2024 in Innsbruck hat Tursky noch nicht getroffen. Modisch ist Tursky durch seine weißen Sneakers zum Anzug aufgefallen.

Florian Tursky (re.) wird als möglicher Spitzenkandidat genannt, im Bild mit LR Mario Gerber und LH Anton Mattle. | Foto: Land Tirol/Pichler
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"Causa Anzengruber"

Anzengruber hält im BezirksBlätter-Interview fest: "Der Geschäftsführer der ErlebnisCard Tirol wollte die für ihn wertlos gewordenen Erlebniskarten einem sozialen Zweck zuführen. Für Menschen, die sich in unserer Stadt sozial und ehrenamtlich engagieren. Die für das Unternehmen wertlosen Erlebnis Cards waren für jene, die in diesen schwierigen Zeiten immer für die Gesellschaft da sind – die Blaulicht-Organisationen und die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege. Gut gemeint, jedoch sieht das nicht jeder so. Man lernt nie aus." Am 18.08.berichtet der Bezirksfeuerwehrverband Innsbruck auf seiner Homepage von einer Übergabe der ErlebnisCard an den Bezirksfeuerwehrverband Innsbruck durch Anzengruber im Namen der Stadt Innsbruck. Der Bezirsfeuerwehrverband bedankt sich dabei mit den Worten: "Die großzügige Geste des Vizebürgermeisters und der Stadt Innsbruck zeigt deutlich, wie sehr die Arbeit der Feuerwehrmitglieder geschätzt wird. Sie sind stets zur Stelle, wenn Hilfe gebraucht wird, und setzen oft ihr eigenes Wohl aufs Spiel, um das Leben und Eigentum anderer zu schützen. Dieser Akt der Wertschätzung erinnert uns daran, wie wichtig jeder Feuerwehrmann und jede Feuerwehrfrau für die Sicherheit unserer Bevölkerung und Stadt ist. " Am 04.09. berichten die BezirksBlätter von der Übergabe weiterer 130 ErlebnisCards an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegeheims St. Josef am Inn." Die FPÖ stellt darauf eine dringende Gemeinderatsanfrage an Bgm. Georg Willi und Vizebgm. Johannes Anzengruber mit 16 Fragen.  

Vizebürgermeister Johannes Anzengruber überreichte die Erlebniscard Tirol an die 130 Bediensteten im Pflegeheim St. Josef am Inn.  | Foto: Pflegeheim St. Josef am Inn
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Anzeigepflicht

Auch die Stadt Innsbruck hat reagiert und eine Prüfung durch die Rechtsabteilung im Magistrat veranlasst. Ergebnis: Es besteht nach § 78f StPO eine Anzeigepflicht, wenn in amtlicher Eigenschaft der Verdacht einer strafbaren Handlung bekannt wird. Um keinerlei Vorwürfen der Untätigkeit ausgesetzt zu sein, wurde von der Rechtsabteilung geraten, die gesamten bekannten Unterlagen zur Prüfung einer möglichen strafrechtlichen Relevanz an die Staatsanwaltschaft Innsbruck zu senden, insbesondere nachdem auch klar ist, dass tatsächlich zwischen der Stadt Innsbruck (und zwar in den Ressorts von Vizebürgermeister Anzengruber) und der betreffenden Firma nicht unbedeutende Geschäftsbeziehungen bestanden. 

Überprüfung der Apps

Eine Erhebung der Magistratsdirektion in Bezug auf die Geschäftsbeziehungen mit der Firma, deren Geschäftsführer Vizebürgermeister Anzengruber die ErlebnisCards zur Verfügung stellte, und der Stadt Innsbruck ergab: Es ergingen zumindest vier Aufträge an die bereits genannten Firmen. Die einzelnen Aufträge, es handelt sich dabei um verschiedene Module für eine App, blieben jeweils unter der Stadtsenats-pflichtigen Grenze von 25.000 Euro. Insgesamt betrug das Auftragsvolumen rund 47.000 Euro. Die Rechnungen wurden jeweils direkt aus dem Büro des Vizebürgermeisters Johannes Anzengruber, mit dem Auftrag zur Begleichung, an die Ämter in seinen Ressorts übermittelt. Eine von der Magistratsdirektion durchgeführte Recherche ergab, dass den mit Datenschutz, Personalentwicklung und Bürgerservice befassten Ämtern die App nicht bekannt war. Gemäß DSGVO wird die Stadt Innsbruck als Verantwortliche in der App angeführt, eine erste Sichtung durch die Datenschutzbeauftragte der Stadt weist auf Mängel hinsichtlich der DSGVO hin. Die Magistratsdirektion wird die App daher vom Netz nehmen lassen, um entsprechende Prüfungen auf DSGVO-Konformität und Überarbeitungen nachzuholen. 

Übermittlung an Staatsanwaltschaft

Auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse und der dringenden Empfehlung von Frau Magistratsdirektorin Gabriele Herlitschka wird Herr Bürgermeister Georg Willi als zuständige Behörde der Staatsanwaltschaft alle vorhandenen bekannten Unterlagen in dieser Angelegenheit und eine Aufstellung der angesprochenen Geschäftsbeziehungen zur Verfügung stellen. Die Mitglieder des Stadtsenats wurden über diese Notwendigkeit informiert.

ÖVP-Gutachten

Laut juristischer Expertise der ÖVP kann ausgeschlossen werden, dass die Übergabe der „ErlebnisCards Tirol“ seitens der digital card solutions GmbH eine unmittelbare Spende an die ÖVP Innsbruck oder an die Tiroler Volkspartei im Sinne des Parteiengesetzes darstellt. Nicht ausgeschlossen wird jedoch, dass es sich um eine Spende an einen Abgeordneten gemäß §2 Z 5 lit e des Parteiengesetzes handelt. "Um etwaigen Schaden von der Tiroler Volkspartei abzuwenden, habe ich deshalb in meiner Funktion als Landesgeschäftsführer mit Vizebürgermeister Johannes Anzengruber vereinbart, dass – sollte der Rechnungshof bzw. der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat aufgrund der Weitergabe der „ErlebnisTirol Cards“ Forderungen gegenüber der Volkspartei erheben – diese vollumfänglich von Johannes Anzengruber übernommen werden", hält VP-Landesgeschäftsführer Sebastian Kolland abschließend fest. In den gemeinderätlichen Ausschüssen ist es bis Klärung des Sachverhaltes zu einem ÖVP-internen Austausch gekommen. Im Finanzausschuss sitzt GR Andreas Wanker, im Bauausschuss GR Appler. Im Ausschuss für Digitalisierung wird weiterhin Johannes Anzengruber geführt. 

Problem Compliance

Die Causa Anzengruber ist ein Compliance-Regel-Problem. Wie eine Gemeinderatsanfrage von GR Mesut Onay zeigt, existiert eine derartige Regelung für Innsbrucks Politiker nicht. Zwar gibt es eine Korruptions- und Compliance-Richtlinien der Stadt Innsbruck, in der eine Geschenkannahme wie folgt beschrieben: "Jede Annahme von ungerechtfertigten Vorteilen durch Mitarbeiter des Stadtmagistrates Innsbruck in Ausübung ihres Dienstes fällt unter Korruption." In der Beantwortung wird aber festgehalten: "die Compliance-Richtlinie und die Geschäftsordnung zur Umsetzung der Compliance-Richtlinie für den ordnungsgemäßen Dienst beim Stadtmagistrat Innsbruck gelten nur für Bedienstete des Stadtmagistrates Innsbruck; die diesbezüglichen Regelungen für die Vorteilsannahme gelten sohin auch nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter." Eine Korruptions- und Compliance-Richtlinie für Politiker der Stadt Innsbruck ist dem Amt nicht bekannt.

Graubereich

Die Aktion von Vizebgm. Anzengruber wirft Fragen auf. Darf er? Kann er? Soll er? Die Nutzung der bald auslaufenden ErlebnisCards ist durchaus eine gute Idee. Auch die Verteilung an Personen, die im großen sozialen Einsatz für die Innsbrucker Bevölkerung stehen. Der "bürokratische" Ablauf wurde aber vollkommen falsch gewählt. Ein einfacher Hinweis von Vizebgm. ANzengruber auf das Angebot und seine Überlegungen zur Verteilung in der Stadtsenatssitzung hätten die "Causa Anzengruber" wohl gänzlich verhindert. Dass jetzt eine "moralische" Diskussion geführt, scheint nachvollziehbar. Erstens ist das Thema Moral durchaus situationselastisch, zweitens befindet sich die Stadt eben schon im Wahlkampf und in den entsprechenden Mobilisierungsphasen der politischen Mitstreiter. Erkennbar auch an der BezirksBlätter-Umfrage, die nicht repräsentativ ist. Über 6.000 Abstimmungen hat es zur Frage "Soll Vizebgm. Anzengruber zurücktreten?" gegeben. 32 % Ja zu 68 % Nein-Stimmen lautet das Ergebnis. Rund 2.000 Stimmen wurden zwischen 4 und 8 Uhr früh abgegeben. 

Wer wird es werden?

Johannes Anzengruber hat seine Kandidatur beim Stadtparteitag bereits angekündigt. Eine von ihm gewünschte Mitgliederabstimmung scheint unrealistisch. Ob Florian Tursky antreten wird, wird sich zeigen. Barbara Thaler, die bei der EU-Wahl 2019 über 38.000 Vorzugsstimmen erhielt, wird auch 2024 bei der EU-Wahl antreten. Christoph Appler fühlt sich Landtagsabgeordneter wohl, Mario Gerber ist als Landesrat tätig. Ob Mariella Lutz die Brücken zwischen ÖVP und Für Innsbruck bauen könnte, wurde bisher kaum diskutiert. Lorenz Jahn, ehemals für St. Nikolaus im Gemeinderat, ist zwar aus Wien nach Innsbruck zurückgekehrt, der Wahltermin scheint für ihn aber zu früh. Bei manch erfolgreichen Unternehmer in Innsbruck, ist der Wohnsitz nicht passend. Bei der Liste Für Innsbruck hat Christine Oppitz-Plörer das Sagen, eine Spitzenkandidatur scheint aber ausgeschlossen. Markus Stoll und Lucas Krackl werden kaum genannt. Norbert Ried würde wohl die breite Unterstützung fehlen und Theresa Ringler scheint für das Amt noch ein wenig zu jung. Somit bleibt es zumindest namenstechnisch an den Stammtischen noch einige Zeit spannend. 

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