Warnung vor Folgekosten
Corona und Sport, zwischen Warten, Maßnahmen und Öffnung

#comebackstronger als Devise, aber Warten auf die Sportöffnung ist noch angesagt. Gesundheitspsychologe Martin Kopp forert Öffnung der Sportstätten und warnt vor Folgekosten. | Foto: Pexels Kate Trifo
  • #comebackstronger als Devise, aber Warten auf die Sportöffnung ist noch angesagt. Gesundheitspsychologe Martin Kopp forert Öffnung der Sportstätten und warnt vor Folgekosten.
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INNSBRUCK. "#comebackstronger" als bundesweite Devise für die Rückkehr zum Sport, aber weiterhin ist Warten angesagt, wie Sportminister Werner Kogler festhält. Gleichzeitig fordert der Innsbrucker Gesundheitspsychologe Martin Kopp eine Öffnung der Sportstätten und Gültigkeit von Wohnzimmertests vor dem Training. Man müsse gerade jetzt die Menschen zum Sport animieren.

Selbstkompetenz

"Schon sehr kurze Einheiten von sportlicher Aktivität wirken sich positiv auf das Wohlbefinden aus". 150 Minuten moderater Aktivität pro Woche würden reichen, informierte Kopp, der am Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck forscht und lehrt. Dass etwa Tennishallen noch immer geschlossen seien, könne er nicht verstehen. "Die Selbstkompetenz der Bürger sollte gerade in Krisenzeiten hochgehalten werden", forderte Martin Kopp im APA-Gespräch. Regionale Differenzierungen würde er "sehr, sehr unterstützen".

Uni Projekt

Im Herbst 2020 wurde am Institut das Projekt "Covid-19 und Sport" ins Leben gerufen und vom Förderkreis 1669 der Universität Innsbruck sowie von der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino unterstützt, erzählte Kopp. Von Dezember bis Jänner habe das Institut unter der Leitung von Stefanie Schöttl eine retrospektive Befragung durchgeführt, um zu überprüfen, ob und wie sich das Sportverhalten durch die Covid-19 Pandemie und die getroffenen Maßnahmen verändert hat. Insgesamt nahmen ca. 3.000 Personen aus den Regionen Tirol, Vorarlberg, Oberbayern, Südtirol und Trentino an der Online-Umfrage teil. Derzeit würden die Daten noch ausgewertet. Für das Bundesland Tirol lägen allerdings schon erste vorläufige Zwischenergebnisse vor.

Unsportliche bleiben "auf der Strecke"

Es habe sich gezeigt, dass vor allem jene, die vor der Pandemie wenig Sport trieben, jetzt "auf der Strecke blieben". Das sei schade, habe die Befragung doch gezeigt, dass die Anzahl der befragten Tiroler, die nie oder selten Sport ausüben, während der strengen Covid-19 Maßnahmen im Frühjahr und im November/Dezember um fast zehn Prozent anstieg, berichtete Kopp. Er sah vor allem die Politik gefordert, hier die richtigen Schritte zu setzen. 70 Prozent der Befragten gaben an, dass sie gar nicht oder weniger zufrieden sind mit den Regelungen, die ihre Regierung bezüglich der Sportausübung während der Covid-19 Pandemie getroffen hat. Beim Ausformulieren neuer Maßnahmen sollen Entscheidungsträger deshalb darauf achten, die "Leute wieder mitzunehmen". Bewegung führe zu einem "Stimmungshoch" und sei gerade in herausfordernden Zeiten unverzichtbar. "Die Stimmung sinkt gerade ins Resignative", beobachtete Kopp. Sport sah er als "Aspekt für eine gefühlte Rückkehr zur Normalität". "Beim Sport spürt man die Normalität körperlich und psychisch".

"konstruktive Anregungen"

An Lehrpersonal und Schulen appellierte er, auch im Distance Learning "konstruktive Anregungen" zu geben, und die Schüler zur Bewegung zu animieren. Depressive Verstimmungen seien vor allem unter jungen Menschen stark gestiegen. "Sport macht glücklich", war Kopp überzeugt. Glücksgefühle beim Sport würden zum Teil durch neurophysiologische Prozesse entstehen, erklärte der Psychologe, der Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung diene dem geistig-seelischen Wohlbefinden. "Insgesamt durchbricht Sport negative Gedankenmuster", betonte Kopp, "Bewegung unterbindet das Grübeln und Sinnieren - vor allem bei steigendem Intensitäts- und Komplexitätsgrad". Schlussendlich seien auch Unternehmen gefordert, Anreize für die Arbeitnehmer zu setzen. Motivierende betriebliche Gesundheitsförderungsprojekte würden derzeit häufig ausfallen, berichtete Kopp. Sportmotivation würde sich aus drei Quellen speisen: Der geforderten Kompetenz - dass die Bewegung als interessant empfunden wird, Autonomie - dass selbstständig entschieden werden kann, welche Sportart man in welcher Intensität ausübe, und Beziehung - zu Mannschaft, Partner oder Trainer.

Folgekosten

Die mit dem Ziel der Eindämmung des Coronavirus beschlossenen Maßnahmen würden "Folgekosten mit sich bringen, die man nicht unterschätzen darf", befürchtete Kopp und nannte einen Anstieg von Stoffwechselerkrankungen bei älteren Menschen als Beispiel. Bewegung sei nicht nur "interventionsbezogen" einzusetzen, um die Stimmung und das Wohlbefinden zu heben, fasste er zusammen, sondern auch die "Prophylaxe schlechthin". Personen mit hoher körperlicher Aktivität seien weniger anfällig für psychische Störungsbilder und lebten erwiesenermaßen gesünder und länger.

#comebackstronger

In Zusammenarbeit mit dem organisierten Sport arbeitet das Sportministerium intensiv an der Umsetzung des Maßnahmenprogramms "#comebackstronger" für den Sport nach der Krise gearbeitet, das auf einem Entschließungsantrag des Nationalrats beruht. Laut Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Werner Kogler soll das Konzept viele Elemente beinhalten. In Erarbeitung seien derzeit eine Reihe an Vorschlägen für Medienkampagnen und Sportschulen sowie zu finanziellen Gegebenheiten. Um das Ehrenamt im Sport zu stärken, wäre ein österreichweiter Tag des Sportvereins denkbar. Jedenfalls soll die Autonomie des Sports auch in Zukunft erhalten und Vereinsmitglieder mit dem geplanten "Sport-Scheck" zurück- sowie neugewonnen werden, sagte Kogler. Neben der Verlängerung der entsprechenden COVID-19-Fonds und der steuerlichen Begünstigungen seien auch die Maßnahmen "Kinder gesund bewegen" sowie "Bewegt im Park" bereits aufgestockt worden.

Öffnungsplan für den Sport

Die Ermöglichung des Indoor-Vereinssports für Kinder und Jugendliche mit zusätzlichen Schnelltestverfahren sei jedenfalls das Ziel des schrittweisen Öffnungsplans. Die derzeit in den Schulen durchgeführten Schnelltests sieht Kogler dafür nicht für ausreichend verlässlich. Voraussetzung für die - möglicherweise regional differenzierenden – Öffnungsschritte sei jedenfalls, dass die Bundesländer ausreichend Tests zur Verfügung stellen können, sagte der Sportminister.

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