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Almbauern diskutierten mit Wolfsbeauftragten des WWF

Johann und Hannes Schipflinger, Christian Pichler und seine Assistentin Magdalena Erich und Schafbauer Christoph Astner. | Foto: Schipflinger
  • Johann und Hannes Schipflinger, Christian Pichler und seine Assistentin Magdalena Erich und Schafbauer Christoph Astner.
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Familie fühlt sich von der Politik hintergangen.

ITTER (be). Die Familie Schipflinger in Itter hat drei Almen in Kelchsau. In den vergangenen Monaten wurden dort etliche Schafe vom Wolf gerissen (die BEZIRKSBLÄTTER berichteten).
Am 11. August hat sich Hannes Schipflinger mit Christian Pichler, dem Wolfsbeauftragten des WWF Österreich getroffen. Dessen Antworten waren jedoch für die Bauersleute mehr als ernüchternd.

"Auf Augenhöhe diskutiert"

„Was unsere Politiker sagen, das wusste ich bereits und deshalb suchte ich das Gespräch mit dem Wolfsbeauftragten“, erklärt Christian Schipflinger. „Ein großes Lob der Familie, sie war sehr höflich und zuvorkommend. Wir haben auf Augenhöhe diskutiert, sie wollten ihren Standpunkt auf den Tisch bringen“, bedankte sich Pichler beim telefonischen Interview. Beim Termin selbst wollte man keine Pressevertreter dabei haben.  „Unser Hauptproblem ist, dass er unbedingt den Herdenschutz fördern will“, klagt Johann Schipflinger.

Pircher widerlegt Theorie

Ein wahrer Schock für Vater und Sohn war jedoch die Aussage, dass Österreich verpflichtet sei, etwa 38 Wolfrudel sesshaft werden zu lassen. Bei einem Rudel spricht man in der Regel von fünf bis zehn Wölfen. Die Theorie der Politiker, dass es sich hierzulande um einzelne, durchziehende Wölfe handelt, widerlegt Pichler. Demnach gibt es seit heuer in Österreich 20 genetisch nachgewiesene Wölfe, acht davon in Tirol. Diese warten auf ein Weibchen, damit sie mit der Rudelbildung beginnen können.

Almen aufgeben?

Seit 35 Jahren hat Johann Schipflinger seine Tiere auf der Alm und erstmals denkt er daran, bei seinen Almgängen zur eigenen Sicherheit die Jagdwaffe mitzunehmen. „Es mag schon sein, dass ein Wolf normalerweise keinen Menschen anfällt, aber was ist, wenn es sich um ein krankes Tier handelt oder wenn er keine Beute findet?“, überlegt er.
Zudem hat er Angst um seine Tiere. Die Schafbauern haben bereits kundgetan, dass sie ihre Schafe nicht mehr auftreiben werden, solange der Wolf umgeht. Um die Kühe macht sich der Bauer weniger sorgen, aber die Kälber und das Jungvieh will auch er dann nicht mehr auftreiben.

Herdenschutz unumgänglich

Pichler hingegen verweist auf die Politik, die schon etliche Jahre verschlafen habe. „Auch in Indien reißen Tiger immer wieder mal Ziegen oder in Afrika zerstören Elefanten Getreidefelder. Wir setzen uns auch dort ein, dass diese Tiere trotzdem nicht ausgerottet werden“, führt er als Argument an. Der Herdenschutz sei unumgänglich. Der Wolf würde dabei lernen, dass es weh tut, Schafe zu fangen, wenn man dabei einen elektrischen Schlag bekommt. Es seien nur vereinzelte Tiere, die diese Hürde überwinden würden und wenn erst die geforderten 38 Rudel ansässig sind, dann könne man auch sogenannte Problemwölfe entnehmen.

"Es rentiert sich nicht"

Unumgänglich ist für Pichler, dass künftig wieder Hirten auf den Weiden sein müssen. Seiner Meinung nach würde sich das ohnehin auf eine bessere Gesundheit der Tiere auswirken, wenn ständig eine Person auf sie achten würde.
Dass sich das Vieh auf den Almen wohlfühlt und gesund ist, davon überzeugt sich die Familie Schipflinger täglich. Waren es früher kleine Schürfwunden, auf die man achtete, so geht es heute nur mehr um die Frage: War der Wolf da oder nicht. Denn wenn die Herde ihn gesehen hat, ist sie verstört und viele Tage traumatisiert. Auf die Frage, was man jetzt auf dieser Alm machen könnte, weiß Pichler auch nur eine Antwort: „Nichts, die Herde ist zu klein, da rentiert es sich nicht.“

Herdenschutz oder Naturschutz

Wenn die Schafe, Kühe und Kälber nicht mehr auf die Alm aufgetrieben werden, dann wird das Gras nicht mehr „gemäht“. Regnet es, dann legt sich das hohe Gras nieder und das Wasser rinnt direkt ins Tal ab. „Ja, es wird dann vermehrt zu Vermurungen und dergleichen kommen“, sagt Pichler.
Der Wolfsbeauftragte hat aber auch die Folgen des Unwetters in der Kelchsau gesehen und meint nur, dass man offensichtlich sehr wohl Geld dafür habe, um wieder alles zur richten. Besser wäre es, wenn man vorher in Herdenschutz investieren würde, dann käme es nicht dazu.
Der Sommer auf der Alm ist für Rinder und Schafe ein absolutes Muss. Eine wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass die ideale Temperatur für Rinder bei 0 Grad liegt. Die Temperaturen in den Tälern sind für sie ein absoluter Stressfaktor, doch auf den Almen ist es wesentlich kühler. „Wir wollen nicht wieder Förderempfänger werden“, sagt Christian Schipflinger hinsichtlich der Unfinanzierbarkeit des Herdenschutzes.
Hirtenhunde würden lediglich drei bis vier Monate im Jahr gebraucht. „Und die restliche Zeit soll ich dann die scharf gezüchteten Hunde im Zwinger halten oder was soll ich damit machen?“
Der Wolf muss weg – darüber sind sich die Bauern einig.

Erneut Risse, verfrühter Almabtrieb in der Kelchsau
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