Eine neue Lebensaufgabe für engagierte Menschen

Eva Surma legt die Fakten auf den Tisch. | Foto: KK
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Im Einwanderungsland Österreich war Integration schon lange da, bevor Wissenschaft und Politik den Begriff für sich entdeckten. Integrationspolitik ist selbstredend ein integrativer Teil des österreichischen Alltags. Man hat 2013 das Integrationsstaatssekretariat eingerichtet, um einem europäischen und österreichischen Bedürfnis nach Klarheit in Organisation und Management von Zuwanderung zu entsprechen. Integrationsvereinbarungen wurden Zuwanderungsgruppen spezifisch klarer gegeneinander abgegrenzt. DrittstaatenbürgerInnen müssen andere Voraussetzungen erfüllen als Anerkannte Flüchtlinge. Subsidiär Schutzberechtigte sind rechtlich weder Rot-Weiß-Rot-PluskartenbesitzerInnen noch StaatsbürgerInnen gleichgestellt.
Trüge das Maßnahmenbündel, das sie Steiermärkische Landesregierung nun erarbeitet hat, auch dazu bei, die Öffentlichkeit zu informieren, mit welcherlei Maßen da gemessen wird, könnten Autochtone erahnen, auf welchem Minenfeld von gesetzliche Regelungen sich im Integrationsbereich Agierende bewegen.

Dass die Steirerinnen und Steirer Menschen aufnehmen wollen und können, wurde praktisch aus dem Stand vor mehr als einem Jahr in Spielfeld an der Grenze und seither in der gesamten Steiermark von Unzähligen bewiesen. Im Ehrenamt haben quer durch die Bevölkerung engagierte Menschen eine neue Lebensaufgabe, eine sinnvolle Bereicherung, aber nicht selten auch die vollkommene Erschöpfung gefunden. Inwiefern unser Staat an der Verzweiflung vieler Ehrenamtlicher teilhat – und Integration ist Teilhabe – sei dahingestellt.

Flüchtlinge sollen sich integrieren! Sie sollen lernen, dass man sich bei uns nicht aussuchen kann, welche Ärztin, welcher Arzt einen behandelt. Das wird immer wieder lautstark gefordert. Dass freie Arztwahl ein Privileg ist, das in Österreich nicht für sie nicht gilt, ist rasch gelernt. Als Menschen zweiter Klasse stehen AsylwerberInnen auch nach jahrelangem Aufenthalt in Österreich nicht einmal Plastik-eCards zu. Zerknitterte Papierfetzen, auf Geldbörsengröße gefaltet, für alle Familienmitglieder, werden zusätzlich zu grünen und weißen Ausweiskarten, zu Meldezetteln und Bescheiden sicherheitshalber immer am Leib getragen. Man kann nie wissen, was passiert, wohin man verlegt oder geschoben wird, wo man morgen aufwacht.

Unsere Ärztinnen und Ärzte versorgen diese Menschen. Obwohl seit mehr als einem Jahr auch in ländlichen Gegenden Ärzte durchaus mit dem Zustrom und den Anliegen von Flüchtlingen kalkulieren, schreiben Ordinationsgehilfinnen auf Terminzettel „!mit Dolmetscher!“.
Deutsch lernt man von dieser Alltagsnotiz nicht, aber man weiß, was gemeint ist: Organisier dir deinen Sprachmittler selbst! Der Arzt zahlt ihn nicht. Und sonst zahlt ihn auch keiner. Organisierst du dir dann jemanden, gelten bei Übersetzungsfehlern und daraus resultierenden Behandlungsschäden die Regeln für Nachbarschaftshilfe. Selber Schuld!
Abgesehen davon sind die zur Verfügung stehenden „Dolmetscher“ stets Privatpersonen, meist ohne medizinische Ausbildung, ohne Sprachprüfung, vielleicht minderjährige Kinder, andere Familienangehörige oder Nachbarn. Stellen Sie sich doch ihr letztes Arztgespräch im Beisein Ihrer Nachbarin vor!

Wer Deutsch kann, muss Dritte nicht mit seinem intimen Privatleben befassen. Aber von ausgebildetem Personal angeleitete Sprachkurse sind rar. Menschen, die sowohl Deutsch als Fremdsprache als auch Migrationsassistenz zu ihren beruflichen Kernkompetenzen zählen, sind schwer zu finden. Man könnte meinen, dass Bund und Länder in den letzten Jahren vorausschauend in die Ausbildung solcher SprachlehrerInnen und MigrationsbegleiterInnen investiert hätten. Weit gefehlt! Der österreichischen Bildungsmisere schulden wir, dass niemand sich Gedanken darüber macht, wie eine bestehende DaF-Ausbildung an die Bedürfnisse von Kriegsflüchtlingen angepasst werden kann. Ob der Europäische Referenzrahmen im Sinne einer Verwertbarkeit von abgelegten Prüfungen für die Flüchtlinge taugt, wurde niemals überprüft. AsylwerberInnen durften, heuer erstmals, pro Person 50 Stunden Deutschkurse bei ausgebildetem Lehrpersonal besuchen. Wer versuchte, zwei Kurse zu belegen, um mehr zu lernen, wurde belehrt und abgewiesen. Die mit der Durchführung von oben betrauten Organisationen müssen genauestens kontrollieren, wer wo lernt. Sie widmen sich konsequent der schematisierten Abtestung der Kurssuchenden. Oberste Priorität haben behördliche Verwaltung und Zuweisung, die Listenführung der Namen, um sicherzustellen, dass nicht jemand zwei Kurse vom selben Niveau besucht, auch wenn er das Niveau nicht beherrscht. Kompetenzerhebungen und Dokumentenkatalogisierung allenthalben. Erschwert wird das Verwalten unter anderem durch oft vertauschte Buchstaben in Vor- und Familiennamen, die auch nicht auf den ersten Blick auseinanderzuhalten sind. Einen Namen aus dem Arabischen in die lateinische Schrift zu übertragen ist brenzlig, umso mehr als sich die deutsche Phonetik gerne an Vokalen orientiert, während in anderen Sprachen anderen Phonemen, verschiedenen S-Z-C- und CH- H-Lauten, wesentlich mehr Aufmerksamkeit zukommt.

Der Zugang zur Wohnversorgung und das Abschließen von Verträgen schließlich fallen schwer, wenn der Name und damit die Identität des Vertragspartners nicht eindeutig geklärt sind. 4 Monate nach der Positivbescheidung endet die Grundversorgung und die Begleitung durch Hilfsorganisationen. Das AMS ist verwaltungsmäßig nun am Zug. Nolens volens hat der Flüchtling für sich und seine Familie einen Mietvertrag unterschrieben. Ob Wertekurse vor nachteiligen Mietverträgen schützen, sei dahingestellt. Klar ist, dass schier unerschöpflich viel Arbeit und damit auch Arbeitsplätze für qualifizierte Personen am Land vorhanden wären, um Lebensqualität sicherzustellen. Die Frage ist: Wollen wir den ruralen Raum als Lebensraum aufwerten und für die hier Ansässigen lebenswert erhalten bzw. weiterentwickeln und an die Bedürfnisse der Menschen anpassen? Dann müssen unseren Erkenntnissen Taten folgen.


Eva Surma, MA

Universitär zertifizierte DaF Trainerin
Äquivalent Akdemische Expertin für Migrationsmanagement am Universitätslehrgang der Donau Uni Krems
Zertifizierte Steirische Erwachsenenbildnerin
Gründungsmitglied der Frauenberatungsstelle verein-freiraum in Leibnitz
Zur Zeit Projektmitarbeiterin bei ISOP Innovative Sozialprojekte in Leibnitz

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