Leoben-Waasen
Kunstinstallation zeigt, wie schmal die Armutsgrenze ist
Wie nah Armut und Reichtum in unserer Gesellschaft beieinander liegen, das zeigt derzeit eine Kunstinstallation am Vorplatz der Pfarrkirche Leoben-Waasen. Jede von insgesamt sechs Silhouetten aus Stahl erzählt zwei Geschichten - einer Person, die in Armut lebt und einer, die in Reichtum lebt.
LEOBEN. Boris ist 70 Jahre, taucht seinen Löffel in den schwarzen Kaffee. Auf der abgegriffenen Plastiktischdecke erkennt er drei winzige Zuckerbrösel, die er zu zählen beginnt. Dieses Zählen lenkt ihn ab und hilft ihm, nicht an seine Tochter denken zu müssen, der er gerade eben sagen musste, dass sie nicht an der Klassenreise teilnehmen kann, da seine winzige dafür Pension nicht reicht – auch für sonst nichts. Ein anderer Boris, ebenfalls 70 Jahre alt, atmet zur gleichen Zeit den Duft des Meeres ein, welcher sich mit dem Aroma seines Espressos vermischt. Sein Blick schweift über das Türkis des Wassers. Gleich wird er ins kristallklare Wasser steigen. Wie schön doch diese zwei Monate an der Küste Dalmatiens sind.
Ein Name, zwei Schicksale, die einzig die symbolische Kaffeetasse verbindet. Beide Geschichten werden im Rahmen der Kunstinstallation "Armut versus Reichtum", die derzeit am Vorplatz der Pfarre Leoben-Waasen zu sehen ist, vor den Vorhang geholt und gegenübergestellt. Es sind echte Biografien, in die man mittels QR-Code für einen kurzen Moment eintauchen kann.
Zum Nachdenken anregen
Die Grundidee der Ausstellung entstand im November 2019 vom Familienreferat der Katholischen Kirche, "Rainbows" und sechs weiteren Organisationen. Jelena Ristic und Rainer Juriatti setzten die Intentionen der Organisationen schließlich konzeptionell und künstlerisch um, und ließen sechs Silhouetten aus Stahl entstehen: Kinder, junge Erwachsene und ältere Erwachsene – jeweils als Paar dargestellt, die zeigen, wie nahe beieinander Armut und Reichtum in unserer Gesellschaft liegen.
Das Künstlerduo aus Graz wurde von den Auswirkungen des Corona-Virus selbst in eine prekäre Situation gedrängt. „Wir alle kennen inzwischen die Situation, viele Monate hindurch weder etwas verdienen zu können, noch durch soziale Auffangnetze ausreichend unterstützt zu werden. Wer Glück hat, hat Ersparnisse, wer Pech hat - und das sind sehr viele unter uns - muss Sozialhilfe beantragen“, so das Duo. In diesem Projekt sehen sie die Chance, dass Menschen, die zufrieden und mit einem ausreichenden Einkommen beschenkt sind, einpaar Sekunden nachdenken, auf welcher „Seite“ der Armutsgrenze sie selbst stehen – oder bald stehen könnten.
Ein schmaler Grat
Ähnlich sieht das auch Gudrun Binder Pfarrgemeinderat Waasen, auf deren Anfrage hin die Kunstinstallation nach Leoben "wanderte".
"Wie nahe Armut und Reichtum auch bei uns und in unserer Zeit beieinander liegen, das ist erschreckend. Man braucht nur ein paar Meter weiter zu schauen, beispielsweise zum Leobener Sozialmarkt oder auch in die Leobener Notschlafstelle. Das sind teilweise junge Menschen, die sich plötzlich in einer prekären Situation befinden und Hilfe brauchen."
Gudrun Binder, Pfarrgemeinderat Waasen
Binder lädt auch Volksschulklassen ein, sich die Kunstinstallation anzusehen, und in die Schicksale der Menschen einzutauschen. Es sei wichtig, so viele Menschen wie möglich für das Thema zu sensibilisieren und zum Nachdenken zu bewegen.
Für Infos steht Gudrun Binder unter der Nummer 0664 / 88615792 zur Verfügung. Die Ausstellung ist voraussichtlich bis Mitte November zu besuchen.
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