Zähneknirschen im Verordnungswald

Nicht mehr frei arbeiten zu können ist für Johann Ilsinger "ein Stich ins Herz".
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  • hochgeladen von Markus Weilbuchner

BEZIRK LIEZEN. "Diese Liste ..." - Johann Ilsinger Landwirt, Almwirt und Direktvermarkter aus Donnersbach, wedelt mit einem dichtbeschriebenen Blatt Papier - "... ist alleine für das laufende Jahr abzuarbeiten." Von der "Freiheit im eigenen Betrieb" sei mittlerweile überhaupt nichts mehr übrig, klagt er. Die gegenwärtige Situation sei - im Originalton - "ein Stich ins Herz".
Schulung für Landschaftselemente, Schulungen im Rahmen der Jagdgesetznovelle, Allergen-Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, Schulung für Almpersonal, der Ausweis für den Umgang mit Tieren bei Transport von über 65 Kilometern, die Aufzeichnungspflicht für Direktvermarkter sowie die Einrichtung der "vernetzten Registrierkassa" für die Almausschank. "Alles verbunden mit teilweise hohen Kosten und langen Wegen, da vergeht es einem", klagt der "freie" Bauer. "Ich kann nur weitermachen, weil ich großen Rückhalt in der Familie habe und weil ich Patriot bin! Wir kleinen Selbstständigen tragen schließlich nicht nur die Region", erklärt er in einer Mischung aus Frust und Stolz.
Angesprochen auf die 2016 schlagend werdende Novellierung des Barrierefreiheits-Gesetzes, welche in zahlreichen Fällen weitgreifende bauliche Änderungen an Geschäftsgebäuden notwendig macht, reagiert Ilsinger überrascht. "Darüber haben wir so wenige Informationen, dass wir uns bis dato keine Gedanken gemacht haben", sagt er mit leichter Verunsicherung.

Umbau unmöglich
"Mit der Registrierkassenverordnung können wir ja noch leben, aber: die 'Barrierefreiheit' ist schlicht und ergreifend finanziell in so kurzer Zeit nicht umsetzbar", erklärt Sportartikelhändler Harald Scherz aus Wörschach. Über Jahrzehnte gewachsen sei die Bausubstanz seines Haupthauses direkt im Ort - 50.000 bis 100.000 Euro würde eine Adaptierung an die neuen Vorschriften kosten, rechnet er sich aus. Vor sich hin köchelte das Thema zwar schon seit längerer Zeit - Konkretes wisse er (seines Zeichens Spartenobamm der regionalen Wirtschaftskammer) allerdings erst seit weingen Monaten.
Außerdem zehrten die neue Ersthelferpflicht und Angestellten-Quoten an seinen Nerven wie an seinem Budget. "Die Lust daran, Geschäftsmann zu sein, wird einem von Tag zu Tag mehr genommen", ärgert sich Scherz. Er verstehe voll und ganz, wenn Kollegen ihre Betriebe verkleinern oder zur Gänze das Handtuch werfen. "Diese Entwicklung kostet dabei hauptsächlich eines: Arbeitsplätze in den Re- gionen".

"Päpstlicher als der Papst"
"Auflagen und Verordnungen treffen unsere Unternehmer in einem Ausmaß, das völlig überbordend ist", kommentiert Helmut Blaser, Regionalstellenleiter der WKO Liezen, die Situation. "In Österreich sind wir in vielen Dingen päpstlicher als der Papst und das behindert die Unternhmen gewaltig in ihrer Handlungsfreiheit", setzt er hinzu. Sich voll und ganz auf ihr Geschäft zu konzentieren, werde den Betrieben alleine schon durch die überzogenen Dokumentationspflichten unmöglich gemacht.

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