Besucherlenkung in der Obersteiermark
Die Tragösser zeigen es vor

Der Grüne See gilt als eines der beliebtesten Ausflugsziele der Steiermark. Im Jahr 2015 jedoch ist die Situation eskaliert, seitdem versucht man, Besucherströme aktiv zu lenken. | Foto: Regionaut Johann Schweiger
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  • Der Grüne See gilt als eines der beliebtesten Ausflugsziele der Steiermark. Im Jahr 2015 jedoch ist die Situation eskaliert, seitdem versucht man, Besucherströme aktiv zu lenken.
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Die Forstliche Ausbildungsstätte Schloss (FAST) Pichl in Mitterdorf nimmt sich mit einem hochkarätig besetzten Seminar dem Thema Besucherlenkung an.

BRUCK-MÜRZZUSCHLAG. Das Spannungsfeld Naturnutzer, Forstwirtschaft, Grundbesitzer, Tourismus, Jagd und Naturschutz hat in der Corona-Pandemie zusätzliche Spannung aufgenommen. Wieviel Mensch verträgt unsere Natur? Diese Frage wurde immer öfter gestellt. Mittlerweile gibt es einige sinnbringende Ansätze und bereits umsetzbare Projekte zu einer sanften Besucherlenkung – wie zum Beispiel im Naturpark Mürzer Oberland.

Diese Form der Besucherlenkung kann auch von anderen Regionen übernommen werden – dafür sorgt auch das Leaderprojekt. | Foto: Steininger
  • Diese Form der Besucherlenkung kann auch von anderen Regionen übernommen werden – dafür sorgt auch das Leaderprojekt.
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Wie kann Besucherlenkung funktionieren, so dass alle Beteiligten mit dieser Maßnahme leben können? Dieser Frage ging man im Schloss Pichl in einem ganztägigen Seminar nach. Die Referenten waren so gewählt, dass die wichtigsten Aspekte thematisiert werden konnten.

Beispiel Grüner See

Maria Hell vom Fremdenverkehrsverein Tragöß-St. Katharein (er löst den ehemaligen Tourismusverband ab) erzählte sehr anschaulich, wie sanfte Besucherlenkung  am Beispiel Grüner See funktionieren kann.

Die Tragösserin Maria Hell erläuterte die Besucherlenkundsmodelle rund um den Grünen See. | Foto: Ekatarina Paller
  • Die Tragösserin Maria Hell erläuterte die Besucherlenkundsmodelle rund um den Grünen See.
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Ausgangslage bzw. Knackpunkt war das Jahr 2014: Bis dahin waren die Besucherströme am Grünen See noch überschaubar, es gab aber schon Spitzenzeiten. Im Herbst 2014 passierte Erstaunliches: Angefangen von der ORF-Sendung "9 Plätze, 9 Schätze" – der Grüne See ging damals als Österreich-Sieger hervor, weiter zum millionenfach "gelikten" Unterwasserfotos vom Spitzenfotografen Marc Henauer (sogar Hollywood-Star Aston Kutcher hat das Foto geteilt), weiter zu einem Gösser-Werbespot mit Hans Knauss bis zur Sendung Klingendes Österreich mit Sepp Forcher gab es eine Serie an "unbezahlbarer" und in dieser Geballtheit eher zufällig zustande gekommenen Werbeauftritte, die kein Marketing-Guru je aus dem Boden stampfen könnte.

"Dazu kam mit 1. Jänner 2015 die Gemeindezusammenlegung, die Gemeinde war im Frühjahr nur wenig handlungsfähig, und es kam ab Mai zu einem unüberschaubaren Besucheransturm, der zur Eskalation geführt hat", erzählt Maria Hell.

So idyllisch zeigt sich der Grüne See nicht immer. Die absoluten Spitzenzeiten beschränken sich jedoch auf 10 bis 15 Tage im Jahr. | Foto: Regionautin Ulrike Metzl
  • So idyllisch zeigt sich der Grüne See nicht immer. Die absoluten Spitzenzeiten beschränken sich jedoch auf 10 bis 15 Tage im Jahr.
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Bürgerbefragung und Analyse

Langsam hat sich Tragöß aus dieser Situation zu befreien gewusst. Im Jahr 2018 hat es eine Bürgerbefragung gegeben, mit 554 Rückmeldungen und damit hat eine erste Analyse des Ist-Zustandes begonnen. "Mit einer überraschenden Erkenntnis: es waren tatsächlich nur 10 bis 15 Tage im Jahr, an denen der Parkplatz überlastet war. Gefühlt hätten viele gemeint, dass dies ein Dauerzustand von Mai bis August wäre", so Maria Hell.

Reagiert hat man mit einem Parkplatzbewirtschaftungskonzept. Seit 2020 gibt es ein Tagesticket um 6 Euro. Rund 45.000 Parktickets pro Jahr werden seitdem ausgegeben; ergibt in Summe Einnahmen für die Gemeinde in Höhe von 270.000 Euro. "Mit diesem Geld wird in die Infrastruktur investiert: von WC-Anlagen, gepflegte Wege, Hinweisschildern, Markierungen, sogar ein Besucherzentrum wurde geschaffen. Es konnten auch drei Arbeitsplätze geschaffen werden", so Maria Hell.

Es geht nur mit Kommunikation

In Tragöß setzt man ganz stark auf Kommunikation. Es ist weniger eine Parkgebühr, sondern vielmehr eine Infrastrukturpauschale. Das wird auch den Besuchern so erklärt, dafür sorgen ehrenamtliche Parkplatzeinweiser, die die Tagesgäste aufklären. "Die Gemeinde hat nicht die Möglichkeit zu strafen, falls jemand kein Parkticket löst. Aber mit dieser sanften Information und einem "höflichen" Brief hinterlegt am Scheibenwischer, schaffen wir eine sehr hohe Zahlungsmoral.

Eine weitere Lenkungsmaßnahme ist die strikte Trennung von Fahr- und Gehwegen zwischen Parkplatz und Grünem See. "Hier hatten wir einen ständigen Nutzungskonflikt, den wir somit ganz sanft aus der Welt schaffen konnte."

Mehrwert für die Gemeinde

Kommuniziert wurde aber auch mit Grundbesitzern und der Bevölkerung. Dazu wurde sehr deutlich der Mehrwert für die Gemeinde und die Bewohner durch den Tourismus aufgezeigt.
Ein Mehrwert ist der öffentliche Verkehr. Seit 2021 gibt es an Werktagen einen Stundentakt zum Bahnhof Bruck, der ab 6 Uhr beginnt. An Wochenenden verkehren zumindest acht Buspaare. Es gab schon Zeiten, da war Tragöß am Wochenende mit öffentlichen Verkehrsmitteln gar nicht erreichbar.

"Wenn wir es jetzt noch schaffen, dass es am Parkplatz Grüner See auch noch eine Haltestelle gibt, dann sind wir noch zufriedener", sagt Maria Hell. Bis jetzt ist die Endstation des Busses im Ort, der Bus muss aber zum Umkehren trotzdem bis zum Parkplatz Grüner See fahren, darf aber keine Personen mitnehmen.

Wobei hier das Angebot erst die Nachfrage gebracht hat. "In den ersten Wochen waren die Busse fast leer, mittlerweile sind sie voll", erzählt Maria Hell aus eigener Erfahrung. Genutzt wird der Bus von Gästen ebenso wie von Einheimischen.

Mittlerweile geben sich die Tragösser pragmatisch: "Biegen wir die acht Wochen im Jahr einfach gut herunter."

Markus Pekoll war selbst aktiver Mountainbikesportler. Jetzt ist er Mountainbikekoordinator des Landes Steiermark. | Foto: KK
  • Markus Pekoll war selbst aktiver Mountainbikesportler. Jetzt ist er Mountainbikekoordinator des Landes Steiermark.
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Lenkung für die Radler

Markus Pekoll ist Mountainbikekoordinator des Landes Steiermark. Er erzählte, wie Besucherlenkung im Mountainbikebereich aussehen könnte. In der Zeit von 2017 bis 2021 gab es 810.000 verkaufte E-Bikes allein in Österreich, mit Zuwachsraten von mehr als 25 Prozent. "Wir müssen uns im Klaren sein: die Radfahrer werden nicht weniger werden, im Gegenteil: mit den E-Bikes kommt auch die Generation 50-Plus wieder zurück zum Sport."

Für umsetzbare Lenkungskonzepte braucht es Klarheit in der Kommunikation und Konsequenz in der Umsetzung. "Mit der Freizeitpolizze ist ein wichtiger Schritt getan, die Haftungsfrage scheint vom Tisch. Weiters wird an einer einheitlichen Beschilderung ähnlich den gelben Tafeln für Wanderwege gearbeitet und es soll eine Norm für den Trailbau geben.

Besucherlenkung ist auch für Mountainbiker sinnvoll. Dort, wo es Lenkungsmaßnahmen gibt, gibt es weniger illegale Befahrungen. | Foto: Privat
  • Besucherlenkung ist auch für Mountainbiker sinnvoll. Dort, wo es Lenkungsmaßnahmen gibt, gibt es weniger illegale Befahrungen.
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Probleme würden noch Apps wie Strava oder Kommod bereiten, aus denen nicht ersichtlich ist, ob es sich um legale Strecken oder um Fahrverbote handelt. "Wenn man versteht, wie diese Applikationen funktionieren, kann man als Tourismusverband gut damit arbeiten und selbst Lenkungsmaßnahmen setzen, zu. Beispiel dass Fahrverbote über Open-Street-Maps eingepflegt werden", sagt Pekoll.

Er ist sich der Herausforderung bewusst: "Wir müssen Grundbesitzer dabei unterstützen, mit dem gesellschaftlichen Wandel klar zu kommen", sagt Markus Pekoll.

Dass der Weg dazu ein sehr weiter ist, beweist eine Wortmeldung eines Grundbesitzers aus dem Ennstal: "Ohne uns steht die Musi!" Er fordert eine deutlich stärkere Einbindung der Grundbesitzer.
Seminarleiterin Dagmar Karisch-Gierer vom FAST Pichl brachte es auf den Punkt: "Zurücklehnen und nichts tun wird seitens der Forstwirtschaft künftig nicht mehr möglich sein. Man wird sich aktiv in den Gestaltungsprozess von Lenkungsmaßnahmen einbringen müssen."

Das ist rechtens

Wolfgang Stock, Experte für Freizeitrecht, brachte die rechtlichen Aspekte ins Spiel. Besucher können zum Beispiel mit wirksamen Maßnahmen räumlich verteilt werden: Das geht über die Erreichbarkeit (wo gibt es Parkplätze), über die Zugänglichkeit (Zäune) und über räumliches Bewegungsverhalten wie Wegmarkierungen oder Trassierungen. 

Er ging aber auch auf den Sinn von Besucherlenkung ein: "Touristische Besuche sind ja an sich nichts Unerwünschtes. Lenken bedeutet Steuerung und Regelung. Es bedeutet primär nicht verbieten, sondern in bestimmten Bahnen – räumlich, zeitlich und quantitativ – ermöglichen."

Was ist Gehen, was ist Fahren?

Diskussionsbedarf  gab es bei der Definition von "Gehen" und "Fahren". Das freie Begehen ist durch das Forstgesetz klar geregelt, ebenso ist das Befahren oder nicht Befahren von Forststraßen mit Mountainbikes geregelt. Weniger klar ist die Situation bei Schlitten, oder neuerdings den Yoonern, eine Mischung zwischen Skibob und Schlitten. 

Bergwärts darf man mit dem Schlitten immer – das gilt als Begehen. Wie aber schauts bergab aus? Hier scheiden sich die Rechtsmeinungen. | Foto: Altenmarkt-Zauchensee Tourismus
  • Bergwärts darf man mit dem Schlitten immer – das gilt als Begehen. Wie aber schauts bergab aus? Hier scheiden sich die Rechtsmeinungen.
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Dagmar Karisch-Gierer warf die forstwirtschaftliche Rechtsauslegung ein: "Alles was auf den Füßen montiert ist, gilt als gehen, alles andere gilt als fahren – demnach gilt Rodeln als Befahren.

Wolfgang Stock konterte: "Wo steht das? Das ist in keinem Gesetz so festgeschrieben. Wenn ich mich auf ein Plastiksackerl setze und eine Forststraße runterrutsche, ist das dann auch schon Fahren?"

Lösungen gibts nur gemeinsam

Es wird noch viel Diskussionen geben müssen, bis Besucherlenkung wirkungsvoll funktioniert. Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten eine sachliche Gesprächsbasis erhalten, um Lösungen gemeinsam zu erreichen. Sobald sich eine Seite übergangen fühlt, wird es nicht funktionieren. Und mit diesen Beteiligten muss sich jede Region ein praxistaugliches Lenkungsmodell erarbeiten – so wie es die Tragösser vorzeigen.

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