Stabilisierung soll erreicht werden
Das steirische Notarztsystem krempelt sich um

Die Steiermark verfügt über 20 bodengebundene Notarztstützpunkte und drei Hubschrauber-Stützpunkte. | Foto: Rotes Kreuz/Maciej Gazda
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  • Die Steiermark verfügt über 20 bodengebundene Notarztstützpunkte und drei Hubschrauber-Stützpunkte.
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Die Steiermark stellt das Notarztsystem um – eigentlich ein Erneuerungsprozess der bereits 2012 gestartet wurde. Primar Klaus Pessenbacher leitet die Koordinationsstelle für Notfall- und Katastrophenmedizin. Er erklärt, wie das System für die 20 steirischen bodengebundenen Notarztstützpunkte und drei Notarzthubschrauber-Stützpunkte künftig funktionieren soll.

STEIERMARK. Derzeit sind die meisten Notärzte in Krankenhäusern angestellt und versehen im Rahmen dieser Anstellung ihre Notarztdienste. Künftig soll die Anstellung in Kliniken von Notarztdiensten getrennt werden und auf separater Honorarbasis über die Gesundheitsversorgungs-GmbH (GVG) abgewickelt werden. Dadurch soll auch anderen Medizinern, wie niedergelassenen Ärzten oder Teilzeitbediensteten die Möglichkeit geboten werden, sich als Notärzte zu betätigen.

Hintergrund ist die dünne Personaldecke bei den Ärzten. Es wird immer schwieriger, Dienstpläne von Krankenhäusern mit der Notarztbereitschaft unter einen Hut zu bringen. Die Änderung des Arbeitszeitgesetzes hat dazu auch sein Scherflein beigetragen; dadurch kann ein Arzt nur mehr drei bis vier Nachtdienste pro Monat übernehmen – für den Notarztdienst bleibt da kaum mehr Zeit.

Ärztemangel schlägt durch

Klaus Pessenbacher, er ist auch medizinischer Geschäftsführer der Gesundheitsversorgung Steiermark GmbH und somit für die Abrechnung der Notärzte zuständig, erklärt die Notwendigkeit dieser Neuausrichtung: "Wir setzen auf ein Mischsystem und wollen zu den bisherigen Notärzten, die übers Krankenhaus kommen, auch neue Personengruppen ansprechen, wie freiberufliche Ärzte oder Mediziner, die oft nur Teilzeit beschäftigt sind." 

Klaus Pessenbacher (l.) mit dem künftigen Landeshauptmann Christopher Drexler bei der Eröffnung des Notarzthubschrauber-Standortes in St. Michael im Jahr 2019. | Foto: Land Stmk./Stolz
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System soll stabil bleiben

"Es ist ein Versuch, das Notarztsystem zu stabilisieren. Der Mangel an Fachpersonal ist kein steirisches Phänomen, es betrifft ganz Europa. "Faktisch alle europäischen Notarztsysteme haben ähnliche Besetzungsprobleme, wie wir hier in Österreich und der Steiermark", so Pessenbacher.

Aktuell sind in der Steiermark 350 bis 380 Notärzte im Einsatz. "400 wären ideal, viel weniger sollten es aber nicht werden. Wobei die Steiermark immer noch ein Vorzeigebundesland im Notarztwesen darstellt. Pessenbacher: "Im Notfall braucht in der Steiermark ein Notarzt durchschnittlich 13 Minuten bis zum Einsatzort, bei einem Hubschraubereinsatz sind es 12 Minuten. Damit unterschreiten wir unser selbstgestecktes Ziel, dass es innerhalb von 15 Minuten zu einer Ersthilfe kommt, doch deutlich. Und an dieser hohen Messlatte werden wir auch nicht rütteln."

Stützpunkte ohne Notärzte?

27.000 Notarzteinsätze gibt es jedes Jahr in der Steiermark. Jeder dritte Einsatz wird storniert, bei jeder zweiten Fahrt wird der Notarzt gar nicht benötigt, und das alles häufig nachts. Am Notarztstützpunkt in Rottenmann konnte über die Pfingstfeiertage kein Notarzt mehr gestellt werden. Droht das künftig auch anderen Regionen in der Steiermark?

Klaus Pessenbacher stellt klar: "Rottenmann zeigt ganz klar auf, wo es am derzeitigen System krankt. Allein im Krankenhaus fehlen 18 Ärzte, da ist es eine enorme Herausforderung, einen regulären Dienstplan fürs Krankenhaus aufrechtzuerhalten. Eine zusätzliche Bereitschaft für den Notarzt ist da kaum möglich."

Negative Auswirkungen auf die medizinische Grundversorgung hat dieser Zwischenfall nicht gebracht: "Der Hubschrauberstandort Niederöblarn ist drei Minuten entfernt und Rottenmann kann von den umliegenden Notarztstützpunkten gut abgedeckt werden."

Ob künftig nicht noch mehr Rettungseinsätze auf die Flugrettung abgewälzt wird? "Die Flugrettung ist dann am Teuersten, wenn sie am Stützpunkt steht. Hier gebe es noch genügend Luft nach oben."

In der Steiermark ist ein Notarzt in 13 Minuten am Einsatzort. Ein statistischer Wert, der europäische Spitze ist. | Foto: Felix Abraham/Fotolia
  • In der Steiermark ist ein Notarzt in 13 Minuten am Einsatzort. Ein statistischer Wert, der europäische Spitze ist.
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Kein Sparzwang

Der Sparstift ist es ganz sicher nicht, der für eine Neustrukturierung bei den Notärzten ausschlaggebend ist. "Ganz im Gegenteil. Wir schießen rund zwei Millionen Euro pro Jahr mehr in die Honorierung der Notarzt-Leistungen zu. Mit dem neuen Honorarsystem können Notärzte künftig deutlich verdienen als bisher", so Pessenbacher.

Vor allem freiberufliche Ärzte profitieren deutlich vom neuen Verrechnungssystem. Seit 2012 konnten bereits 100 freiberufliche Ärzte als Notärzte gewonnen werden, eine Zahl, die noch kräftig anwachsen soll, hofft Pessenbacher, der auch gleich mit weiteren Hoffnungen anknüpft: "Wir erhoffen uns einen größeren Personalpool und mehr zeitliche und örtliche Flexibilität, weiters eine stärkere Einbindung von Teilzeitkräften, sprich Ärztinnen, die nach der Kinderbetreuung wieder in den Beruf einsteigen wollen. Und die dritte Hoffnung: dass wir künftig auch andere Ärztegruppen ansprechen, wie etwa Chirurgen oder Traumatologen." 

Kritikpunkte am System

Es gibt auch Kritiker des neuen Systems: Kärnten und Niederösterreich würden vorzeigen, dass das geplante neue Modell nicht funktioniere, sagen beispielsweise Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Notfallmediziner. Hier soll es fast keine Notärzte mehr geben. "Ja das stimmt. Hier hat man zu spät auf ein effizientes Mischsystem gesetzt. Wir in der Steiermark können auch weiterhin auf die vorhandene Rückfallebene mit den Krankenhäusern vertrauen. Dieses Auffangnetz haben andere Bundesländer nicht mehr", erklärt Pessenbacher.

Fraglich, wie viele Ärzte mitmachen?

Anreiz für eine freiberuflichen Notarzt-Tätigkeit zusätzlich zum Spitalsjob soll nicht nur das Honorar auf Stundenbasis sein – auch will man den Ärzten künftig die Möglichkeit geben, in mehreren Regionen tätig zu sein. Bisher sind sie über ihren Dienstvertrag an den Spitalsstandort gebunden: „Selbst wenn die persönliche Bereitschaft besteht, ist es derzeit nur ganz schwer möglich, dass beispielsweise vom Stützpunkt Leoben Notärzte am Stützpunkt Bruck aushelfen."

So zufrieden bin ich mit dem Notarztsystem in der Steiermark!

Keine Frage des Standortes

Das Notarztsystem ist so aufgebaut, dass die Rettungsorganisation des Roten Kreuz Infrastruktur wie Stützpunkt, Notarztfahrzeug und Notfallsanitäter sowie Fahrer zur Verfügung stellen. Der Notarzt wird zumeist vom Krankenhausbetreiber bereitgestellt. Deshalb sind Notarztstützpunkte oft auch an Krankenhäuser angedockt.

Die 20 Notarztstützpunkte in der Steiermark sind derzeit laut Pessenbacher nicht gefährdet. "Wobei dies stets eine politische Entscheidung ist. Dort, wo es kein Krankenhaus mehr gibt, muss auch ein Notarztstützpunkt hinterfragt werden", erklärt Pessenbacher. Aber, das entscheidet die Politik.

Wie das Notarztsystem in der Praxis funktioniert, das erzählt ein Stützpunktleiter. Sein Statement wird alsbald nachgereicht.

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