"Witze" über Paralympics
"Solche Bemerkungen sind auch respektlos"

In der Folge von "Die Deutschen" ging es, ironischerweise auch um Künstlerinnen und Künstler, die gecancelt wurden. Das Video ist noch online, der "entscheidende Part" wurde aber entfernt. | Foto: Screenshot/Youtube
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In einem Podcast machten die beiden Hosts und ihr Gast, ein Comedian, abwertende Witze über Menschen mit Behinderung. Das "Gespräch" der drei schlug quer durch die Medienlandschaft hohe Wellen, man ist sich einig, dass die Bemerkungen noch nicht einmal in die Schublade "tiefschwarzer Humor" passen. MeinBezirk hat mit der Lebenshilfe Steiermark darüber gesprochen. 

STEIERMARK. Der Audio- und Video-Podcast "Die Deutschen" der Moderatoren Nizar Akremi und Shayan Garcia ist nicht erst seit der Folge mit Luke Mockridge bekannt. Antisemitische Äußerungen und rassistisches Auftreten standen bereits in Verbindung mit den beiden "Laber"-Podcastern. Jetzt gibt es aber erstmals einen Aufschrei darüber, ob Meinungsfreiheit gleichbedeutend mit Moral ist. Und das berechtigterweise. 

"... wer als Letzter ertrinkt"

Noch bevor die Folge online geht, kündigt Akremi via Twitter an: "Luke Mockridge war heute im Podcast. Macht euch bereit[,] Woke Bubble. Wie es sich für einen Kobold gehört, habe ich eine ganz ekelhafte Seite rausgekitzelt. Ich freue mich auf das Rumgeheule." Lach- und Herzemoji inklusive. Eine leichte Vorahnung, dass das Verhalten der drei nicht schmecken wird? Die angekündigte Provokation geht zumindest auf: Während die drei über Menschen mit Behinderungen sprechen, zieht Akremi seine Ellbogen an den Oberkörper und – wie man es schon bei einem Wahlauftritt von Donald Trump gesehen hat – äfft damit körperliche Behinderungen nach. Schallendes Gelächter der drei Herren. Man scherzt darüber, ihm doch obendrein eine geistige Behinderung zu attestieren, um Kritikerinnen und Kritiker des Podcasts zu besänftigen. 

Nizar Akremi, Luke Mockridge und Shayan Garcia (v.l.) in der besagten Podcast-Folge | Foto: Screenshot/Youtube
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Und die Runde ist sich einig, dass Akremi mit einer geistigen Behinderung bei den Paralympischen Spielen mitmachen und gewinnen kann, denn Arme und Beine hätte er trotzdem noch. Man schaukelt sich gegenseitig auf. Mockridge hinterfragt daraufhin die Etablierung der Paralympics, wie die Idee wohl geboren wurde: "Hey, du kennst doch die Olympischen Spiele. Ich habe eine ähnliche Idee. Ihr habt doch auch Behinderte in eurem Land, oder? Sollen wir 'mal gucken, wer Schnellere hat?" Gefolgt von dem Satz, der ihm (vorläufig) wohl seine Karriere kostet: "Es gibt Menschen ohne Beine und ohne Arme, die wirft man ins Becken – und wer als Letzter ertrinkt, der hat halt gewonnen." Einen Tag nach der Ausstrahlung sind Mockridge und Garcia untergetaucht, Akremi allerdings holt aus und lässt über seine Social Media-Kanäle wissen, dass er die Empörung lustig findet. Die ersten Cancel Culture-Stimmen werden laut, der Großteil der Userinnen und User ist sich jedoch einig, dass die Herren hier eine Linie klar und deutlich überschritten haben. 

"Hier wird gar nichts beendet [Anm. der Podcast]. Never ever, jetzt geht es erst richtig los. Ihr wolltet die letzten Tage ein ganz bestimmtes Bild von uns malen. [...] Zuallererst: Wir werden uns bei der Cancel Cultur nicht entschuldigen. Da könnt ihr lange warten. Ihr habt ja anscheinend eh nichts anders zu tun, als den ganzen Tag im Internet gegen uns zu hetzen. [...] Wir grenzen niemanden aus, das ist wahre Inklusion. Und selbst wenn sich der ein oder andere angegriffen fühlt: Das ist immer noch Humor, der nicht jedem gefallen muss."
Auszug aus dem offiziellen Statement-Video zu dem Vorfall von Nizar Akremi und Shayan Garcia

Inklusion ist nicht angekommen

"Ich finde das ein frustrierendes Gefühl, wenn man solche Videos sieht. Ich habe ohnehin oft das Gefühl, dass man sich noch mehr beweisen muss, wenn man eine Behinderung hat. Und dann kommen solche Videos und Aussagen daher", sagt Nicole Braunstein im Gespräch mit MeinBezirk. Die Trofaiacherin ist Selbstvertreterin der Lebenshilfe Steiermark. Das heißt, sie setzt sich für die Interessen von Menschen mit Behinderung ein: bei Konferenzen und Workshops, in Stellungnahmen und in Gesprächen mit der Politik. Sie ist Expertin in den Bereichen Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit.

Nicole Braunstein, Selbstvertreterin der Lebenshilfe Steiermark, weiß, wie schwer es im öffentlichen Raum ist, Inklusion erreichen zu können und macht sich stark. | Foto: Harry Schiffer
  • Nicole Braunstein, Selbstvertreterin der Lebenshilfe Steiermark, weiß, wie schwer es im öffentlichen Raum ist, Inklusion erreichen zu können und macht sich stark.
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Der Comedian hat versucht, "Schäden" zu begleichen und dem deutschen Behindertensport-Verband um ein Treffen gebeten. Dieser hat allerdings dankend abgelehnt. Versteht man die Reaktion? "Ich finde diese Reaktion verständlich. Ich bin der Meinung, dass es mit einem 'Es tut mir leid' nicht getan ist. Ich finde, man sollte vorher denken und gut überlegen, wie weit man geht und wann es genug ist", so Braunstein. Übrigens: Bei den Paralympics galt es, sich in 23 unterschiedlichen Disziplinen zu messen. Die österreichischen Sportlerinnen und Sportler holten sich vier Medaillen, die deutschen 49.

Noch große Hürden

Die Lebenshilfe ist die größte Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung - was sind die wichtigsten Interessen, die aktuell in die Öffentlichkeit gehören? Wo gibt es Nachholbedarf, was läuft besser als noch vor fünf, zehn Jahren? Für Sandra Walla-Trippl, Generalsekretärin der Lebenshilfe Steiermark, gibt es darauf klare Antworten: "Die Inklusion von Menschen mit Behinderung hat in den letzten Jahren Fortschritte gemacht, doch es bleibt noch viel zu tun. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, zu der sich Österreich vor über 15 Jahren bekannt hat, ist noch immer nicht umgesetzt. Trotz der Bemühungen gibt es nach wie vor große Hürden, besonders im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt. Viele Menschen mit Behinderung sind nicht ausreichend in die Gesellschaft eingebunden, und Barrieren bestehen weiterhin", sagt sie.

Der Steirer Thomas Frühwirth trat bei den Paralympics an, er radelt mit den Händen.  | Foto: GEPA
  • Der Steirer Thomas Frühwirth trat bei den Paralympics an, er radelt mit den Händen.
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Inklusion von Menschen mit Behinderungen hat einen langen Weg hinter sich, die Akzeptanz und auch der Stolz auf die Paralympics/Special Olympics ist "neuzeitlich." "Leider wurde mir mit solchen Videos und Aussagen bewiesen, dass das Thema Inklusion noch nicht überall angekommen ist. Vor allem in den Medien ist leider noch viel zu tun. Das Thema Inklusion wird in den Medien noch nicht so wahr- und erstgenommen, wie es eigentlich nach sein sollte. Deswegen bin ich der Meinung, es gibt noch viel zu tun und aufzuklären."

Diskriminierend und respektlos

"Ihr alle seid die besten Athleten der Welt", ließ Arnold Schwarzenegger bei den Special Olympics (bei den Special Olympics treten Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, bei den Paralympics Menschen mit körperlichen Einschränkungen gegeneinander an) der World Winter Games 2017 wissen. Dem User, der sich in der Kommentarspalte darüber echauffierte, dass die Special Olympics gar keinen Sinn ergeben würden, immerhin seien die Spiele für die besten der Besten und nicht für "Vollidioten" gedacht, kontert die Steirische Eiche: "So dumm und böse dieser Kommentar auch ist, ich werde es nicht löschen und dich (noch) nicht sperren, denn es ist ein lehrreicher Moment", denn die Athletinnen und Athleten beweisen "mehr Mut, Leidenschaft, Hirn und Fähigkeiten" als er. 

Sandra Walla-Trippl, Generalsekretärin der Lebenshilfe Steiermark, sieht reichlich Nachholbedarf für Akzeptanz und Toleranz. | Foto: Simon Fortmüller
  • Sandra Walla-Trippl, Generalsekretärin der Lebenshilfe Steiermark, sieht reichlich Nachholbedarf für Akzeptanz und Toleranz.
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Trotz der Akzeptanz im öffentlichen Raum braucht es also noch Nachhilfe. "Was man gerade an diesem aktuellen Fall sehen kann: Solche Bemerkungen sind nicht nur diskriminierend, sondern auch respektlos gegenüber den Leistungen von Menschen mit Behinderung", sagt Walla-Trippl. Und sie ergänzt: "Auch wenn das öffentliche Bewusstsein und die Sichtbarkeit gewachsen sind, müssen wir uns noch stärker dafür einsetzen, dass Menschen mit Behinderung in allen Bereichen des Lebens gleichberechtigt teilhaben können. Vorurteile werden nur durch Wissen abgebaut."

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