Jetzt gilt es, Akzente zu setzen

"Industrie sorgt für Wohlstand", Georg Knill.  | Foto: geopho.com

Die Steiermark ist bei Forschung und Entwicklung top. Tatsächlich sind es aber einige wenige große Industriebetriebe, die einen Großteil der F&E abdecken. Warum gibt es hier nicht mehr Breite?
Die großen Industrieunternehmen treiben die Forschung voran. Und das tun sie in enger Zusammenarbeit mit den Universitäten und Fachhochschulen. Die Bedeutung der mittleren und kleineren Unternehmen darf aber nicht unterschätzt werden. Noch mehr Breite wäre natürlich wünschenswert. F&E ist für Betriebe auch immer mit enormen Kosten verbunden – hier sehen wir einen Hebel und drängen auf eine Absicherung der Forschungsförderung. Aktuell ist jedenfalls gültig: Ohne das Engagement der großen Unternehmen gäbe es die Forschungsintensität nicht, auf die wir in der Steiermark stolz sind.

Wie steht die Industrie zur Fridays for Future-Bewegung? Da kommt doch immer viel Kritik an der Industrie.
Dank der jungen Menschen ist viel Dynamik in den Kampf gegen den Klimawandel gekommen. Das ist gut so. Aber wir lösen das Problem nicht, indem wir in Österreich und der Steiermark in Sack und Asche gehen. Zur weltweiten CO2-Belastung trägt Österreich lediglich 0,2 Prozent, die EU 9,3 Prozent bei. Die Industrie ist nicht das Problem, die Industrie ist Teil der Lösung. Mit unseren Technologien und Produkten können wir zur Reduktion von CO2 weltweit beitragen. Nur ein Beispiel: Zement, der in Österreich hergestellt wird, belastet die Umwelt nur halb so stark wie Zement aus China oder den USA. Weil wir viel energiesparender und damit klimaschonender produzieren.

„Industriell“ ist ein Begriff der oft negativ verwendet wird. Was antworten sie den Menschen, die das so sehen?
Industriell heißt in der Steiermark verlässlich und wohlstandsbringend. Industrie bietet gute Arbeitsplätze, enormes Know-how, tolle Produkte, die weltweit gefragt sind. Und sie steht in der Steiermark für mehr als ein Drittel der Wertschöpfung. Ohne industrielle Produktion wäre die Welt ärmer und kränker. Ohne industrielle Fertigung könnten sich viele ihr Leben nicht mehr leisten. Was soll daran negativ sein?

Der Fachkräftemangel ist ein Dauerthema. Warum wurde immer noch keine Lösung gefunden?
Weil es die eine Lösung ähnlich wie im Klimaschutz nicht gibt. Was Arbeitsplatzsicherheit, Einkommen und Möglichkeiten betrifft, sind Industriearbeitsplätze absolut top. Wirtschaft und Schulen stehen in einem Wettbewerb um die Jugendlichen, die in den letzten Jahren immer weniger geworden sind. Und wir reden in der Industrie auch von anspruchsvollen Arbeitsplätzen, die sich nicht alle zutrauen. Berufsorientierung muss also weiter forciert und die Diskussion über qualifizierten Zuzug ohne Populismus geführt werden. Denn eines ist klar: Ohne die Menschen in der Industrie können heimische Unternehmen nicht funktionieren. Darunter würde aber der Wohlstand insgesamt leiden.

Der Freihandel steht in Österreich mehr in der Kritik als anderswo. Früher war es TTIP, jetzt ist es Mercosur. Woher kommt diese Haltung?
Gerade in der aktuellen Diskussion über Zölle mit den USA oder China sehen wir, wie wichtig Freihandelsabkommen für unsere Wirtschaft wären. Allerdings gibt es hierzulande Interessensgruppen, welche durch internationalen Handel zusätzliche Konkurrenz befürchten und daher mit Angstmache und falschen Behauptungen z. B. Mindeststandards bei Lebensmitteln dies mit aller Kraft zu verhindern versuchen. Fairer Handel braucht Regeln und Rahmenbedingungen. Freihandelsabkommen würden dies für beide Seiten genau regeln. Für ein Exportland wie die Steiermark bieten Handelsabkommen zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten.

Konzernsteuern ist ein Reizwort. Wie steht die steirische Industrie dazu?
Konzern ist auch ein zu Unrecht negative behafteter Begriff. Wir haben zum Glück viele hervorragende Konzerne mit Sitz in der Steiermark. Wenn „Digitalkonzerne“ gemeint sind – auch diese sehe ich für Österreich nicht negativ – muss man bedenken, dass sich ihre Besteuerung als Bumerang für die heimische Exportindustrie erweisen. Nämlich dann, wenn nicht mehr dort besteuert wird, wo produziert, sondern dort wo konsumiert wird. Das trifft ein Exportland wie Österreich massiv. 

Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Die Industrie steht wohl eher auf der Seite der Reichen …?
Fakt ist, dass dank einer globalisierten Wirtschaft die weltweite Armut massiv gesunken und die Lebenserwartung deutlich gestiegen ist. In Österreich hat sich der Lebensstandard bei der gesamten Bevölkerung verbessert. Nicht alles ist perfekt, aber vieles sehr viel besser geworden. Am wichtigsten ist mir, dass alle dieselben Chancen haben. Diesem Ziel müssen wir uns Schritt für Schritt annähern.

Die Wirtschaftsprognosen sind zuletzt sehr verhalten. Was sind Ihre Erwartungen?
Die Vielzahl an Unsicherheiten trüben das Zukunftsbild der Wirtschaft. Ob ausgebliebene Reformmaßnahmen aufgrund der Regierungsauflösung, Brexit, Handels- und Zollpolitik von Präsident Trump, dem Iran und viele weitere Krisenherde – stabile Planung und Vorausschau sind kaum möglich. Daher gehen Unternehmen zusehends in eine „Warteposition“. Wichtig wäre es in dieser Zeit wirtschaftspolitische Akzente zu setzen, zB eine Steuerreform, die unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessert, oder eine Klimapolitik, die auf Ideen setzt statt auf Selbstfesselung.

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