Landeshauptmann Drexler
Steiermark als Vorbild für unsere Bundesregierung

Christopher Drexler: Ich empfinde die Vorgangsweise der Frau Bundesministerin Gewessler als unerhört, zur Ratssitzung zu fahren und ihre Privatmeinung zum Abstimmungsverhalten zu machen.  | Foto: Maximilian Spitzauer
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  • Christopher Drexler: Ich empfinde die Vorgangsweise der Frau Bundesministerin Gewessler als unerhört, zur Ratssitzung zu fahren und ihre Privatmeinung zum Abstimmungsverhalten zu machen.
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Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler im Gespräch mit MeinBezirk über das Renaturierungsgesetz und Umweltschutz sowie seine bevorzugte Koalitionsvariante. 

ÖSTERREICH/STEIERMARK. Nach der Nationalratswahl im Herbst wünscht sich Steiermarks Landeshauptmann Christopher Drexler eine Zusammenarbeit von ÖVP und Sozialdemokraten nach steirischem Vorbild, "allenfalls mit einem dritten Partner". 

MeinBezirk: Herr Landeshauptmann, ich möchte mit dem brisanten Thema Renaturierungsgesetz beginnen. Warum haben Sie nicht zugestimmt? Das Gesetz war ja sogar entschärft worden. Weder können Bauern enteignet werden, noch würde Österreich sonst davon Schaden nehmen?
Christopher Drexler: Das wäre ja das Mindeste, dass Österreich keinen Schaden nimmt. Wir tun sehr viel bei den Themen Naturschutz, Biodiversität, Renaturierung und dergleichen mehr oder auch Entsiegelung. Wir glauben nicht, dass man dazu extra eine weitere europäische Norm braucht. Es gibt ja schon zwei Dutzend europäische Normen zu diesem Thema und ich glaube, dass die Richtlinie ein Bürokratiemonster geworden wäre. Zudem sind die Kosten ungeklärt, und das Dritte ist, dass ich die Vorgangsweise der Frau Bundesministerin Gewessler unerhört empfinde, zur Ratssitzung zu fahren und ihre Privatmeinung zum Abstimmungsverhalten zu machen. Das kann man vielleicht als NGO-Aktivistin, aber nicht als eine auf die Gesetze und die Verfassung angelobte Bundesministerin.

Wobei ja Wien ausgeschert ist, und damit gab es ja keine einheitliche Stellungnahme aller Bundesländer mehr zu dem Gesetz...
Auch das Wiener Vorgehen ist reichlich eigentümlich, weil die Abstimmung der Länder liegt ja nicht zwei, drei Jahre, sondern nur gut zwei Monate zurück. Insofern ist der Meinungswandel in Wien bemerkenswert, insbesondere da die von Ihnen erwähnte überarbeitete Fassung der Richtlinie bereits Gegenstand der Abstimmung in der Landeshauptwertekonferenz war. Während Wien eine besondere Position einnimmt, haben sich die anderen acht Bundesländer einheitlich an die gemeinsame Linie gehalten, und der Beschluss bleibt weiterhin bestehen. Es ist nicht möglich, einen einstimmigen Beschluss durch eine Entscheidung der Wiener Regierungssitzung zu untergraben.

Sie sagen, dass Österreich ohnehin schon genügend in Sachen Umweltschutz macht, auch was Entsiegeln betrifft. Österreich gilt aber als Europameister im Versiegeln von Böden...
Europa hat eine Tendenz dazu, Überreglementierung zu erzeugen. Wenn in Österreich die Dinge ohnehin funktionieren, dann brauche ich keine europäische Norm. Wir sind möglicherweise prozentuell beim Bodenverbrauch relativ weit vorn. Jedenfalls vorn sind wir beim Zuwachs von Wald. Österreich hat eher die Situation, dass viel neuer Wald dazu wächst, als das Problem, dass wir Wald verlieren.

Der steirische Klimaschützer Arnold Schwarzenegger hat kürzlich im Rahmen des Austrian World Summit zu mehr Umweltschutz und sauberer Energie aufgerufen. Bei sauberer Energie ist Österreich in manchen Bereichen tatsächlich weit vorn. Was für Maßnahmen sind konkret in der Steiermark diesbezüglich geplant?
Bei den Erneuerbaren sind wir in Österreich wirklich gut aufgestellt. Dazu gehören die Wasserkraft, aber zunehmend auch Wind und Photovoltaik und Biomasse. Wir in der Steiermark sind bei der Windkraft, im Vergleich zu den alpin dominierten Bundesländern, eindeutig an der Spitze. Aktuell haben wir 118 Windkraftanlagen in Betrieb. Unser Ziel ist es, bis 2030 insgesamt 250 Windkraftanlagen zu etablieren, die wahrscheinlich auch leistungsstärker sein werden als die derzeitigen Anlagen. Zudem haben wir als erstes Bundesland landesweit Vorrangzonen für frei stehende Photovoltaikanlagen definiert, mit einer Fläche von mehreren hundert Hektar. Vor etwa 14 Tagen wurde die erste große Photovoltaikanlage auf einer solchen Vorrangzone im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld eröffnet, mit einer Fläche von 7,3 Hektar. Dies zeigt, dass die Steiermark und die aktuelle Landesregierung beispielhaft auf dem Weg zur Energiewende unterwegs sind. Dieses Ziel war eine zentrale Vorgabe für diese Legislaturperiode und wir werden diesen Kurs weiterhin verfolgen. Für das kommende Jahr ist eine neue Vorrangzonen-Verordnung für Windkraftanlagen geplant, die bereits die dritte ihrer Art sein wird. Auch bei der Photovoltaik werden wir die Entwicklung fortsetzen; die erste Vorrangzonen-Verordnung war nur der Anfang.
Arnold Schwarzenegger hat beim Austrian World Summit einen wichtigen Punkt angesprochen, der unsere Bemühungen unterstützt. Er berichtete von einem Solarkraftwerk in Kalifornien, wo das Genehmigungsverfahren für eine notwendige Zubringerleitung aus der Wüste in die Ballungsräume sechseinhalb Jahre dauerte. Er betonte, dass Genehmigungsverfahren beschleunigt werden müssen. Man kann nicht zu lange über Studien und Genehmigungen nachdenken, sondern muss schnell handeln, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Dies gilt auch für die Wasserkraft: Wir müssen die Verfahren beschleunigen.

Sie haben kürzlich gesagt, dass die Automobilindustrie ein absoluter Schlüsselzweig für die Wirtschaft in Osteiermark ist, an der viele tausende Arbeitsplätze hängen. Sie haben sich aber auch ausgesprochen gegen das von der EU beschlossene Aus von Verbrennermotoren.
Warum das?
Das ist eine etwas gekürzte Zusammenfassung. Zum einen ist nicht nur die Automobilindustrie eine Schlüsselindustrie für die Steiermark, sondern die gesamte Mobilitätsindustrie spielt eine entscheidende Rolle. Der frühere Autocluster Steiermark hat sich längst zu einem Mobilitätscluster entwickelt, der neben der Automobilbranche auch den Bereich Eisenbahn und Luftfahrt umfasst, mit bemerkenswerten Unternehmen in beiden Bereichen. Aus der Steiermark stammen die besten Schienen, Siemens Mobility betreibt das Kompetenzzentrum für Eisenbahnfahrgestelle in Graz und produziert diese dort. Weichen werden in Zeltweg und Schienen in Donawitz hergestellt, was zeigt, dass wir in diesem Bereich über beträchtliches Know-how verfügen. Die Maschinenfabrik Liezen produziert etwa eine der fortschrittlichsten Waggon-Lösungen für die Verladung von Lastwagen auf die Schiene, die auf jedem herkömmlichen Bahndamm eingesetzt werden können. Unser Kompetenz- und Stärkefeld liegt also sowohl im Eisenbahn- als auch im Luftfahrtsektor. Beim Automobilgipfel von Karl Nehammer ging es mir darum, für Technologieoffenheit zu plädieren. Ich bin der Ansicht, dass es nicht sinnvoll ist, wenn 700 Europaabgeordnete technologische Grundsatzentscheidungen treffen. Ihre Rolle sollte eher darin bestehen, Ziele wie Dekarbonisierung, Klimaneutralität und Zero Emission festzulegen, während die Ingenieure und Forscher die besten Wege finden sollten, diese Ziele zu erreichen.

Wie stehen Sie zu den EU-Strafzöllen für E-Autos aus China? Und welche Auswirkungen könnte das auf die Zulieferindustrie in Österreich haben?
Strafzölle halte ich ganz grundsätzlich für nicht zielführend. Natürlich ist die Frage, wenn sich andere nicht an Regeln halten, wie reagiert man darauf? Aber über die Jahrzehnte hat sich gezeigt, dass internationaler Freihandel zu mehr Wohlstand führt. Insofern können Strafzölle nur das allerletzte Mittel sein. Man muss sich bemühen, insgesamt zu fairem Handel zu kommen. Wenn natürlich China weiterhin mit unlauteren Mitteln hier den Markt zu beeinflussen droht, muss man sich adäquate Mittel überlegen. Ich habe auch aus der Automobilindustrie viele Signale, dass man sich keine Strafzölle für chinesische Produkte wünscht.

Am 29. September finden in Österreich die Nationalratswahlen statt. Bei der EU-Wahl hat die ÖVP nicht so gut abgeschnitten, wie gewünscht. Welche Bedeutung hat das Ergebnis Ihrer Meinung nach für die Wahl im Herbst?
So ungewöhnlich es klingen mag, das Ergebnis der Europawahl war für viele Funktionäre der ÖVP ein Motivationsschub und eine Art Mut-Injektion. Obwohl es eine deutliche Niederlage war, fiel das Ergebnis doch besser aus als von den Prognosen vorhergesagt. Letztlich war der Unterschied viel geringer als von den Experten erwartet, nur etwa ein Prozent oder sogar weniger, was definitiv aufholbar ist und in Reichweite liegt. Ich bin überzeugt, dass die ÖVP unter Karl Nehammer bei den Nationalratswahlen alle Chancen hat.

Ist für Sie persönlich eine Neuauflage mit den Grünen nach diesen Turbulenzen denkbar, wenn es sich rechnerisch ausgehen würde?
Ich zweifle stark daran, dass sich dies rechnerisch ausgehen wird. Andererseits muss ich sagen, dass die Hoffnung auf das Beste aus beiden Welten sich nicht erfüllt hat. Punkt. Die ideologiegetriebene Politik der Grünen, wie sie es zuletzt durch den Alleingang von Leonore Gewessler bewiesen haben, scheint mir keine solide Grundlage für künftige Koalitionen zu sein.

Und welche Koalition würden Sie sich für Österreich wünschen?
Zuallererst muss man schauen, wie konkret die Wahl ausgeht. Wer hätte vor der Nationalratswahl 2019 gedacht, dass sich schwarz-grün ausgeht? Ich wünsche mir eine Bundesregierung, die eine vernünftige Politik der Mitte anstrebt, die sich der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts annimmt und die sich auch bemüht, die politische Kultur in diesem Land wieder positiver zu gestalten. Ich glaube, dass das am ehesten mit einer Zusammenarbeit von ÖVP und Sozialdemokraten, allenfalls mit einem dritten Partner der Fall wäre.

Wäre das auch ein Wunsch für die Landtagswahlen in der Steiermark, die im Herbst anstehen?
Das ist mit Sicherheit meine präferierte Option für die Steiermark, denn wir haben einen ganz besonderen steirischer Stil der Zusammenarbeit entwickelt. Unsere Koalition lebt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wir sind eine Regierung, die nicht nur arbeitet, sondern buchstäblich zusammenarbeitet. Jetzt weiß ich schon, dass man in keine Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene hineinschreiben kann: "Vertraut einander!"
Als Idealbeispiel wäre es aber anzustreben. Und insofern kann ich schon sagen, dass diese steirische Kultur der Zusammenarbeit, des Miteinanders, auch des Zusammenhalts, eigentlich durchaus ein Positivbeispiel für andere Ebenen wäre.

Stichwort Hochwasser: Die Hochwasser der letzten Wochen haben zu bisher nicht ganz abschätzbaren Millionenschäden geführt. Die Bundesregierung hat erst letzte Woche angekündigt, mehr Geld für die heimischen Feuerwehren flüssig zu machen, aber die Steiermark fordert heute zusätzlich noch mehr Geld vom Bund für den Schutz vor Hochwasser. In welcher Höhe, und wie soll das finanziert werden?
Ich war erst kürzlich bei der Eröffnung eines der ehrgeizigsten Hochwasserschutzprojekte der letzten Jahre. In Gasen im Bezirk Weiz hat es bereits 2005 eine verheerende Hochwasserkatastrophe gegeben, die sich 2016, 2017 und 2018 fast wiederholt hat. Deshalb wurde 2019 gemeinsam mit der Bundesregierung ein spezielles Hochwasserschutzprogramm für diese Gemeinde initiiert, aufgrund der topografisch besonders steilen Hänge, die zu einer besonderen Gefahrensituation führen können. Nach diesem Vorbild fordert das Land Steiermark die Bundesregierung erneut auf, ähnliche Spezialprogramme für besonders gefährdete Regionen oder Gemeinden zu entwickeln. Ich halte das für äußerst legitim, da ich persönlich die Auswirkungen solcher Naturereignisse sowohl im letzten Jahr als auch in diesem Jahr an den betroffenen Orten gesehen habe. Man sieht verzweifelte Gesichter von Menschen, die um ihre Existenz fürchten, die vor Trümmern stehen. Verbesserter Hochwasserschutz kann in solchen Situationen vieles verhindern. Deshalb müssen wir alle möglichen Initiativen ergreifen. Derzeit werden in der Steiermark etwa 50 Millionen Euro pro Jahr in diese Maßnahmen investiert. Daher glaube ich, dass es spezielle Pakete braucht, um diese Mittel zumindest vorübergehend um ein Viertel oder sogar die Hälfte zu erhöhen, um einige dieser Projekte schneller umsetzen zu können.

Danke für das Gespräch.

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