Vom Wunder einer Osternacht - Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kindgebliebene - Teil 26

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Karfreitag und Osternacht haben mich immer schon zum Nachdenken angeregt. Es sind Tage, an denen man das Leben gerne Revuepassieren lässt: Was hab' ich aus meinem Leben bisher gemacht? Wo steh ich...? Bin ich zufrieden...? Dabei wird mir immer mehr bewusst, wie gut wir es eigentlich haben und dass es andere Orte gibt, wo es nicht um Oberflächlichkeiten geht, sondern ums nackte Überleben selbst. Orte, an denen das letzte bisschen Überlebenskraft oft aus dem Glauben stammt. Aus den Bildern, die dabei in mir hochgestiegen sind, ist die folgende Geschichte entstanden:

Vom Wunder einer Osternacht

Ringsumher züngelten die Flammen hell und gierig empor. Die Luft war erfüllt vom Pfeifen der Granaten und ihren Splittern, die beim Bersten wie Hagel hernieder prasselten. Es stank nach Rauch und Verbranntem. Das Atmen tat weh, auch wenn man nicht auf der Flucht war und immer weiter laufen musste. Immer weiter und weiter auf der Flucht vor einem Krieg, der scheinbar niemals enden würde.

Ostara irrte schon tagelang umher - als Nahrung dienten ihr lediglich die paar Beeren, die sie von den zerzausten Sträuchern am Wegrand pflückte. Gott sei Dank hatte es heftig geregnet - so fand sie wenigstens genug Wasser um nicht zu verdursten.

Ostaras Familie war von umherziehenden, plündernden Horden ermordet worden als sie noch ganz klein war. "Sei ganz still und rühr dich nicht!", hatte ihr die Mutter ins Ohr geflüstert, als sie sie ins kleine Versteck unter den Bodendielen schubste. "Wir spielen jetzt verstecken!" Ostara hatte gut mitgespielt. Sie überlebte als einzige den brutalen Überfall.

Jetzt, vier Jahre später, fingen die schrecklichen Bilder langsam an zu verblassen. Schmerz und Seelenqual jedoch blieben. Sie war noch so klein gewesen damals, an das Gesicht der Mutter konnte sie sich kaum mehr erinnern. Auch wenn sie ihren Geruch nach Seife und Lavendel noch immer auf zehn Meter Entfernung erkennen würde...

So wie das Feuer in Ostara weiterbrannte und ihrer jungen Seele keine Ruhe lies, so loderten auch die Flammen dieses furchtbaren Krieges - weiter und immer weiter... .

Vor Tagen - sie hatte aufgehört zu zählen wie viele es waren - ist auch noch das Kinderheim zerbombt worden, in dem sie notdürftig Unterschlupf gefunden hatte. Das Schreien und Weinen hörte sie noch immer zermürbend real in ihrem Kopf. In ihrer Angst hatte das Mädchen aus einem Instinkt heraus die Beine in die Hand genommen und war gelaufen. Weg - nur weit weit weg - sagte ihr Herz während sie ihre dürren Beine in seinem gleichmäßigen Rhythmus immer weiter davon trugen. Fort - fort in eine neue Zukunft: ohne Krieg, ohne Flammen, ohne Schreie und ohne Tod.

"Lieber Gott", betete Ostara inbrünstig. "Wenn es dich wirklich gibt, dann hilf mir! Du hast doch auch Jesus auferstehen lassen. So ein großes Wunder will ich ja gar nicht! Mach das ich da nur heil rauskomme und bitte bitte bitte schenk mir ein neues Zuhause. Und wenn dann noch ein klitzekleiner Wunsch übrig ist, dann schenk mir eine Mama."

Tag für Tag quälte sich die kleine Waise vorwärts. Doch ihr Kräfte begannen langsam zu schwinden. Trotzdem glaubte sie noch immer unerschütterlich daran, dass ihr der liebe Gott helfen würde. "Man muss nur immer fest an Gott glauben! Das hat uns Schwester Franziska vom Waisenhaus jeden Abend erzählt!"

Als aber in der Ferne, weit draußen vor der großen Stadt die Osterfeuer zu brennen begannen und sich die Glocken bereit machten um schon bald den Ostermorgen einzuläuten, brach das Kleine Mädchen zusammen: "Gott hat mich vergessen... Er hat mich nicht lieb genug...", hauchten ihre aufgesprungenen Lippen als sie reglos im Staub liegen blieb.

Im abgelegenen Hirtendorf Hankusch war vom Krieg kaum etwas zu spüren. Für Alvira hingegen war er so allgegenwärtig, dass es weh tat. Ihr Mann war im Krieg verschollen und ihr kleiner Sohn Levi war von der Schule nicht mehr heimgekehrt. "Warum mussten wir ihn auch in die Stadt zur Schule schicken. Gott hat unsere Eitelkeit hart bestraft!" Alvira zweifelte keine Sekunde daran, dass es Gott gab. Aber für sie war er ein harter, strafender Gott. Ein Gott, den sie zu hassen gelernt hatte.

"Ich wende mich von dir ab, Gott! Hörst du mich?", hatte sie voll Abscheu geschrien, als sie die Nachricht vom Tod ihres Sohnes ereilt hatte. "Auf so einen Gott pfeife ich! Nimmt mir das Liebste das ich habe und fordert immer noch, ich soll ihn und meine Nächsten lieben. Liebe? Was zählt das noch! Gib mir mein Liebstes zurück! Gott! Dann wirst du ja sehen ob ich wieder bereit bin, mit dir zu verhandeln!"

Dieses Osterfest war das Härteste, das Alvira je erlebt hatte. Die Einsamkeit drohte sie innerlich zu zerfressen. Das Leben hatte jeglichen Sinn verloren. Einsam, traurig und verhärmt stolperte sie über die Schwelle um nach den Tieren im Stall zusehen, als ihr Fuß im Dunkeln an etwas weiches, lebloses stieß. Der spitze Schrei, den sie vor Schreck ausstoßen wollte, blieb ihr jedoch in der Kehle stecken als sie merkte, was da im Staub vor ihrer Haustür lag. "Das ist ja ein Kind! Ein Mädchen - oh Gott und so mager! Hoffentlich ist es noch am Leben!

Vorsichtig hob sie die Kleine auf, trug sie ins Haus und bettete sie auf ihr Lager. Das Kind hatte Fieber, sein Puls war schwach, aber instinktiv spürte Alvira, dass sie da eine kleine Kämpferin vor sich hatte. "Gib nur nicht auf!", flüsterte die Frau als sie ihr wieder etwas Wasser einflößte. "Du sollst leben, Kleine - und wie du leben sollst!"

Gottes Wege sind oft verworren und unergründlich. Geschehen Wunder, so kommen diese selten "on time" und manchmal in einem Zusammenhang, den wahrscheinlich nur Gott selbst versteht.

Trotzdem hatte er in Alviras und Ostaras Fall, beider Leben gerettet, indem er sie - wie durch ein Wunder - zusammenführte. Denn Alvira nahm die kleine an Kindesstatt zu sich. Endlich hatte das Kind eine Mutter gefunden.

"Glaubst du jetzt an Gott?", fragte Ostara, als sie wieder zu Kräften gekommen war und vor Glück und Erleichterung strahlte. Eines wusste das kleine Mädchen mit hundertprozentiger Sicherheit: Dieses Wunder hat uns wirklich der liebe Gott geschickt: das Wunder einer Osternacht.

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