Offener Brief
Ärztekammer Tirol sieht Gefährdung der Gesundheitsversorgung

Die Ärztekammer Tirol fordert in einem offenen Brief die Unterstützung der Politik bei der geplanten Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz. Die geplanten Änderungen würden das Gleichgewicht zwischen der Sozialversicherung als Zahler und der Ärztekammer als Vertreter der Leistungsanbieter aushebeln. | Foto: panthermedia.net/ pressmaster
2Bilder
  • Die Ärztekammer Tirol fordert in einem offenen Brief die Unterstützung der Politik bei der geplanten Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz. Die geplanten Änderungen würden das Gleichgewicht zwischen der Sozialversicherung als Zahler und der Ärztekammer als Vertreter der Leistungsanbieter aushebeln.
  • Foto: panthermedia.net/ pressmaster
  • hochgeladen von BezirksBlätter Tirol

Die Ärztekammer Tirol fordert in einem offenen Brief die Unterstützung der Politik bei der geplanten Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz. Die geplanten Änderungen würden das Gleichgewicht zwischen der Sozialversicherung als Zahler und der Ärztekammer als Vertreter der Leistungsanbieter aushebeln.

TIROL. Konkret soll die Sozialversicherung künftig die Möglichkeit erhalten, Direktverträge mit einzelnen Ärzten zu günstigeren Tarifen abzuschließen. Dies würde die Gesundheitssozialpartnerschaft faktisch abschaffen und dazu führen, dass Ärzte aus dem Kassensystem abwandern.

Ärztekammer sieht Gesundheitsversorgung gefährdet

Die Ärztekammer Tirol befürchtet, dass die geplanten Regelungen die Gesundheitsversorgung in Tirol gefährden. Sie fordert daher, dass die Novelle im öffentlichen Begutachtungsverfahren mit der Ärztekammer diskutiert wird.

Argumente der Ärztekammer

  • Die geplanten Änderungen sind nicht notwendig.
  • Sie würden die Gesundheitssozialpartnerschaft zerstören.
  • Sie würden dazu führen, dass Ärzte aus dem Kassensystem abwandern.
  • Sie würden die Gesundheitsversorgung in Tirol gefährden.

Der offene Brief ergeht an alle niedergelassenen Tiroler Ärzte und Ärztinnen, an alle Tiroler Nationalratsabgeordneten, an alle Tiroler Bundesratsabgeordneten, an Landeshauptmann Anton Mattle, an Landesrätin Cornelia Hagele, an Finanzminister Magnus Brunner und an Sozialminister Johannes Rauch.

Offener Brief der Ärztekammer

Wir bitten Sie in Bezug auf das geplante Legistikpaket zum Finanzausgleichsgesetz um Ihre Unterstützung.

In den uns derzeit vorliegenden Entwürfen einer Gesetzesnovelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz sind für die Gesundheitsversorgung einige extrem negative Entwicklungen vorgesehen.

Insbesondere soll — ohne, dass irgendeine Notwendigkeit besteht — das
Gleichgewicht zwischen der Sozialversicherung als Zahler und der Ärztekammer als Vertreter der Leistungsanbieter in einem System, das dem System der Kollektivvertragspartner vergleichbar ist, ausgehebelt werden.

Der zwischen Kasse und Kammer abgeschlossene ärztliche Gesamtvertrag regelt vor allem die den Kassenärzten zu zahlenden Tarife und Arbeitsbedingungen. Dieser Gesamtvertrag wurde im Jahr 1955 als Gegengewicht zum damals durch das ASVG eingerichteten Monopol der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt, da es sich bei der sozialen Krankenversicherung um einen Nachfragemonopolisten handelt.

Man war sich schon damals bewusst, dass man keine fairen Bedingungen für di Kassenärzteschaft erreichen kann, wenn die Kasse als Monopolnachfrager sich jene Ärzte aussuchen kann, die am billigsten für sie arbeiten. Dieser kollektive Schutz der Kassenärzte soll nun mit den Begleitgesetzen zum Finanzausgleich abgeschafft werden: Die Sozialversicherung (und zwar die Zentralstellen in Wien, nicht die Landesstellen) soll sich künftig aussuchen können, ob sie über einen Gesamtvertrag oder über Direktverträge mit einzelnen Ärzten zu günstigeren Tarifen kommt. Und das nicht nur für zukünftige Verträge.

Damit wird die Gesundheitssozialpartnerschaft (Ärztekammer/Sozialversicherung) faktisch abgeschafft. Das wäre genauso, wie wenn bei Verhandlungen zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern die Dienstgeber bei Nichteinigung einseitig entscheiden könnten. Das ruiniert  diese Sozialpartnerschaft und wird dazu führen, dass künftig verstärkt Ärzte aus dem Kassensystem abwandern werden, weil niemand mehr da ist, der vernünftige Arbeitsbedingungen für die Kassenärzte durchsetzen kann. Dieses System wird uns in eine Oppositionsrolle drängen, bei der wir in Zeiten des Ärztemangels nicht mehr als konstruktiver Verhandlungspartner zur Verfügung stehen können und werden.

Die geplante Novelle soll ohne öffentliches Begutachtungsverfahren und ohne Verhandlungen mit der Ärztekammer in einem nicht themenbezogenen Ausschuss im Nationalrat behandelt und als Beiwerk zu Gesetzen, die unter einem anderen Titel stehen, in Kraft gesetzt werden.

Die geplanten Regelungen zerstören das traditionell sehr gute Miteinander in Tirol. Es ist für die Sicherung der kassenärztlichen Versorgung in Tirol wichtig, dass die Ärztekammer ein Sozialpartner auf Augenhöhe bleibt, um auch die Aspekte der Leistungserbringer in gemeinsame Lösungen einfließen zu lassen. Die Durchsetzung von Lösungen ohne Einbindung der Leistungserbringer bzw. gegen die Leistungserbringer ist zu kurz gedacht und wird nicht funktionieren.

Für Gespräche/Telefonate stehen wir Ihnen allen sehr gerne zur Verfügung. Wir hoffen auf Ihre Unterstützung im Interesse des Tiroler Gesundheitssystems und der Tiroler Patientinnen und Patienten.

Mehr zum Thema

Ärztekammer gegen Abschaffung der Wahlärzte

Aktuelle Nachrichten aus Tirol

Die Ärztekammer Tirol fordert in einem offenen Brief die Unterstützung der Politik bei der geplanten Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz. Die geplanten Änderungen würden das Gleichgewicht zwischen der Sozialversicherung als Zahler und der Ärztekammer als Vertreter der Leistungsanbieter aushebeln. | Foto: panthermedia.net/ pressmaster
Die Ärztekammer Tirol fordert in einem offenen Brief die Unterstützung der Politik bei der geplanten Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz. Die geplanten Änderungen würden das Gleichgewicht zwischen der Sozialversicherung als Zahler und der Ärztekammer als Vertreter der Leistungsanbieter aushebeln. | Foto: pixabay
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.