Kulturpolitik
Funkenflug XII
Ich mag dieses Bonmot, das nicht verschwinden möchte, um möglichst ewig an uns Vätern zu rütteln: „Die beste Erziehung nützt gar nichts, die Kinder machen uns trotzdem alles nach.“ Genau so funktioniert es natürlich nicht, aber es ist ein amüsanter Denkanstoß. Es betont den Unterschied zwischen jemandem etwas predigen und jemandem etwas vorleben.
Wir sind alle drei Väter. Auf ganz unterschiedliche Art. Klar, das handelt ja auch von völlig verschiedenen Lebenskonzepten und Laufbahnen. Wissenschafter Hermann Maurer hat den 80er hinter sich, nachdem er als Informatiker eine Weltkarriere absolvierte.
Graphic Novelist Chris Scheuer hat den 70er hinter sich. Er ist von einem Leben rund um den halben Erdball etwas zerzaust. Ein virtuoser Zeichner, der sich eigentlich nichts ausdenken muß, weil seine Biographie von Geschichten überquillt.
Ich bin nun nicht gerade das Küken in der Runde, aber mein nächster Geburtstag ist erst der 67. und wenn ich etwas mit Sicherheit nie gehabt hab, dann eine Karriere. (Ich sollte mich also dahinterklemmen, falls das noch was werden will.)
Mit Maurer genieße ich regelmäßig Arbeitsessen in wechselnden Gasthäusern unserer Region, um anstehende Fragen zu debattieren. Mit Scheuer komme ich stets anlaßbezogen zusammen. In jüngster Zeit haben unsere Gedanken ein paar auffallende Schnittpunkte. Da wir auf unterschiedliche Weisen ins kulturelle Geschehen der Steiermark verstrickt sind, fällt uns auf: Es wird immer weniger gelesen. Wissenserwerb gilt zunehmend als Lachnummer, als Witz.
Wissenserwerb, das bedeutet: sich nach oben irren. Informationen aufnehmen, reflektieren, sich so eine Meinung bilden, die man bei guter Gelegenheit umgehend in Frage stellt, weil man sich kritischen Debatten aussetzt.
Ich denke, es hat keinen Sinn, das zu predigen. Zurufe? Was wollen Sie jemandem in dieser Sache zurufen? Beeindruckende Bildungsprogramme? Kenne ich keine. Ich vermute, es ist in solchen Fragen mit Erwachsenen letztlich gleich wie mit Kindern. Was ich lebe, kann etwas bewirken, sobald es etwas Resonanz findet, wenn es also wenigstens einen Hauch Gravitation entwickelt. Anziehungskraft. Derart braucht es tausende Flecken und Felder im Land.
Ich denke, da liegen Aufgaben einer aktuellen Kulturpolitik. Den Wißbegierigen und Einfallsreichen gute Rahmenbedingungen schaffen. Begleiten und verstärken, was sie tun, was sie entwickeln, hervorbringen. Diese Vorstellung handelt nicht von Kursprogrammen, von Animations-Personal, von Trainerinnen und Coaches, denn damit bläst man die Verwaltung auf und finanziert ein Funktionärswesen, das umgehend verduftet, sobald Budgets verbraucht sind.
Ich wünschte, in der Kulturpolitik entstünden wieder klarerer Vorstellungen, wer und was die primären Kräfte sind, von denen etwas ausgeht, mit denen etwas entsteht, deren Arbeitsbedingungen verbessert werden können.
Sowas wirkt mitten ins Leben hinein und stärkt jene, die was vorhaben, statt jene mitzuschleppen, denen alles zu blöd ist. Lebhafte Felder bereiten und ausbauen. Den Wissenserwerb rehabilitieren. Eine Vorstellung entwickelt, was es bedeutet, wenn man eine Sache um ihrer selbst willen gut machen will, statt Funktionäre zu beeindrucken.
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