Volkskultur
Reise mit der Zeitmaschine
Kompetenz plus Eigenverantwortung ergibt Selbstbestimmung. Nein, keine Werbespot! Ich denke gerade über Volkskultur nach, über ihre Wurzeln und Zusammenhänge. In einer ständischen Gesellschaft war es einst den höherrangigen Kreisen ja eher Schnurz, womit die Subalternen ihre Zeit verbringen, solange die geforderte Arbeit erledigt wird.
Hat sich das fundamental geändert? Interessante Frage, aber im Moment nicht mein Thema, denn: mindestens seit dem Ende der 1950er Jahre befaßt sich die Ethnologie mit einer Volkskultur in der technischen Welt. Das hat verschiedene Ursachen. Zwei davon sind die Mechanisierung der Landwirtschaft und die Volksmotorisierung in vielen Ländern.
Dadurch wurden ganz wesentlich Fahrzeuge, aber auch andere technische Vorrichtungen, zum Objekt privater Leidenschaften, in denen sich Handfertigkeit, Gestaltungslust und Problemlösungs-Kompetenzen der Menschen ausdrücken können; und zwar ohne ordnende Zurufe von oben, von außen, von wo auch immer.
Das ist ein wichtiger Aspekt der Volkskultur. Sie ist vor allem einmal Freiraum der einzelnen Personen, die sonst in allerhand Verpflichtungen oder sogar Abhängigkeiten eingebunden sind. Damit meine ich, daß des Menschen Bedürfnis nach Selbstbestimmung seine Gelegenheiten und Orte braucht, sonst wachsen soziale Probleme.
Das spricht keineswegs gegen Verpflichtungen, weil menschliche Gemeinschaft einfach zerfliegen würde, wenn wir einander nicht mehr im Wort sein wollen. Volkskultur ist dann aber in einem ursprünglichen Sinn jener Zusammenhang, in dem sich Menschen frei bewegen können, um ihren kulturellen und spirituellen Bedürfnissen nachzugehen.
Das kennt zwar auch Codes und Konventionen, aber da bleibt einfach mehr individueller Spielraum als in Fragen der Alltagsbewältigung.
Das alles berührt dann zum Beispiel auch jene Schrauber- und Sammler-Szene, von der alte Fahrzeuge restauriert, erhalten und genutzt werden. Ich habe gerade ein schönes Beispiel zugeschickt bekommen, in dessen Zentrum ein Puch-Schammerl rollt. Dieser Fahrzeugtyp ist mit der Steiermark eng verbunden, in Deutschland dagegen höchst selten.
Aufgrund ihrer Kooperation mit Fiat mußte die Steyr-Daimler-Puch AG in den 1950ern eine Sperrklausel akzeptieren, weil man bei Fiat keine Toleranz kannte, daß sich auf anderen Märkten eine effiziente Konkurrenz zu deren Fiat Nuova 500 ausbreitet. (Einer der Gründe für den Raritäten-Status der Pucherln in Deutschland.)
Was nun Martin Vormann aus dem Sauerland an diesem Grazer Automobil zu schätzen weiß, zeigen seine Reiseschilderungen, die noch etwas Spezielles betonen. Das ist eine andere Art des Unterwegsseins und ein anderes Verhältnis zur Geschwindigkeit; obwohl es selbst ein Porsche in den Bergen nicht leicht hat, so ein Puch-Schammerl herzubrennen. Aber gesamt sind technischer Status, Komfort und Fahrverhalten dieses Kleinwagens von ganz anderer Natur als bei heutigen Automobilen. Daher ist das gewissermaßen eine Zeitmaschine.
Den Reisebericht finden Sie im Austria-Forum: „Puch in den Bergen“ (Tourenfahren mit dem Steyr Puch 650 T in Zeiten von Covid 19, in Zeiten einer Pandemie) von Martin Vormann
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