Kulinarisches
Ruabn, radikal rot
Ich mag ihre Farbe und daß sie abfärben, wenn man sie in die Hand nimmt. Ich mag ihre Konsistenz, irgendwo zwischen weich und fest, die man spürt, wenn man mit der Messerklinge dreinfährt. (Sanfter als bei Kartoffeln.)
Wäre Erde genießbar, würde sie eventuell so schmecken. Das dachte ich zumindest als Kind und war sehr enttäuscht, wie Erde im Vergleich zu Roten Rüben schmeckt. Ich kannte die Rohnen mit Essig, Öl und Kümmel. Da muß dann möglichst frischer Kren dabei sein.
Ich kenne die Rüben in der Suppe püriert. Der Geschmack ist mir nie fad geworden. In meiner Kindheit hab ich mir unter „Rohnen“ nichts vorstellen können, aber so wurden sie genannt. (Niemand meiner Leute sagte je „Rote Rüben“.) Es heißt, diese Feldfrucht sei vermutlich von den Römern aus Nordafrika zu uns gebracht worden.
Die bemerkenswerte Farbe (durch den Wirkstoff Betanin) ist vergleichsweise jung und geht auf Veredelungsprozesse im 19. und 20 Jahrhundert zurück. (Es gibt sie auch in Gelb und Weiß.)
Die kurioseste Art des Nutzens Roter Rüben habe ich in meinen Hamburger Jahren kennengelernt. Dort nennt man sie Rote Bete. Das staunenswerte Gericht heißt Labskaus, ist ein Brei von Kartoffeln und Fleisch, wozu man saure Rollmöpse oder ölige Matjes ißt. Ich kenne aus unserer Gegend nichts Vergleichbares.
Der breiige Labskaus ist als Proviant für die Seefahrt entwickelt worden, da der Vitaminmangel bei Männern unterwegs oft zu Skorbut geführt hat und sie mit ihren beschädigten Zähnen an fester Nahrung scheitern konnten.
Apropos! Ich hab bei „Kraut und Rüben“ das Sauerkraut betont. Es galt einst als wertvolles Nahrungsmittel gegen die Mangelerkrankung Skorbut, ist außerdem in Fässern sehr gut haltbar, war also vorzügliche Verpflegung auf langen Fahrten.
Aktuelle Beschreibungen der Roten Rüben, die in der Steiermark sehr gut gedeihen, quellen über von Erwähnungen wertvoller Inhaltsstoffe. Zugegeben, das interessiert mich überhaupt nicht. Worte wie „Antioxidans“ oder „Folsäure“ lassen meine Aufmerksamkeit kollabieren.
Mich beschäftigt eher, ob so ein Gewächs satt macht, schmeckt, und vor allem: ob es einst geeignet war, Menschen sicher über den Winter zu bringen. Dieser Aspekt der Nahrungsreserve. Man könnte sagen, mich interessiert der Geschmack des Überlebens in den kargen Zeiten.
Das ist ein sozialer und kultureller Aspekt, der eben noch enorm wirksam war, weil es nur wenige Jahrzehnte her ist, daß unser Leben in der Oststeiermark nicht annähernd so komfortabel und sicher ausfiel, wie wir es heute für selbstverständlich halten. Das sind Zusammenhänge, die für mich im Fundament kulturellen Engagements eine Bedeutung haben.
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