Gesundheit
Ein Gespräch mit Parkinson-Experte Dr. Walter Pirker
In den nächsten Jahren ist wohl mit einer deutlichen Zunahme von Parkinson-Betroffenen auch in Österreich zu rechnen. Über die Hintergründe, Therapien und psychische Belastungen spricht Experte Dr. Walter Pirker.
ÖSTERREICH. Morbus Parkinson ist weltweit auf dem Vormarsch. Obwohl die neurologische Erkrankung auch in Österreich weit verbreitet ist, fristet sie immer noch ein Schattendasein. Jemand, der sich mit dem Thema seit Jahren auseinandersetzt, ist Dr. Walter Pirker, Präsident der Österreichischen Parkinson Gesellschaft (ÖPG). Der Arzt von der Neurologischen Abteilung der Klinik Ottakring hat sich mit der BezirksZeitung getroffen.
Herr Doktor Pirker, wie verbreitet ist Parkinson in Österreich?
WALTER PIRKER: Die Parkinson-Krankheit ist relativ häufig. Nach neueren Untersuchungen rechnen wir mit etwa 2.000 bis 3.400 Neuerkrankungen pro Jahr. Wir schätzen, dass es in ganz Österreich rund 25.000 Betroffene gibt. In den nächsten Jahren ist aber mit einer deutlichen Zunahme dieser Zahlen zu rechnen. Es gibt Schätzungen, dass sich die Zahl der Parkinson-Patienten bis zum Jahr 2040 verdoppeln wird.
Weshalb?
Die Hauptursache ist, dass wir alle älter werden. Es ist am Ende halt doch eine altersassoziierte Erkrankung.
Was sind die Ursprünge von Parkinson?
Parkinson ist eine Erkrankung, in der Nervenzellen zugrunde gehen. Allgemein gesehen ist das Alter der wichtigste Risikofaktor. Es gibt dann aber auch andere Faktoren. Das kann zum Beispiel eine Familiengeschichte sein, in der Parkinson häufiger vorkommt. Bei etwa fünf bis zehn Prozent tritt die Erkrankung familiär auf. Aber auch Umweltfaktoren können hier mit einwirken. Etwa eine Belastung mit Pestiziden, wie sie in der Landwirtschaft eingesetzt werden oder auch Belastungen durch Schwermetalle oder Luftschadstoffe sind hier zu nennen.
Wie wichtig ist die Früherkennung bei dieser Krankheit?
Die ist absolut wichtig, sie kann großes Leid ersparen. Viele Menschen leiden ja mehrere Jahre unter einem verlangsamten Gangbild und einer eingeschränkten Beweglichkeit. Sie führen das oft auf das Alter zurück. Daneben kann es Stimmungsschwankungen, Depressionen, oder verstärkte Ängstlichkeit geben. Aber auch unklare Schmerzen, die sich über Jahre ziehen, bis dann schließlich Parkinson diagnostiziert wird. Wenn es aber diagnostiziert wird, versucht man gleich die Krankheit zu behandeln. Das führt dann häufig zu einer Verbesserung der Situation. Zudem wissen wir auch, dass man Parkinson früh behandeln soll, um das Fortschreiten zu bremsen. Je länger gewartet wird, umso schwerer ist meist die Therapierbarkeit.
Wie sieht die Therapie aus?
Hintergrund der Erkrankung ist der Verlust von Dopamin-Nervenzellen im Gehirn. Dopamin ist ein wichtiger Nervenüberträgerstoff für die Bewegung und Stimmung. Die Therapie fußt also auf einem Dopamin-Ersatz. Das wichtigste Medikament ist dabei L-Dopa. Man schluckt es als Tablette. Es wird im Darm aufgenommen und gelangt schließlich über den Blutstrom ins Gehirn. Dort wird es in Dopamin umgewandelt und entfaltet seine Wirkung. Ein Problem bleibt dabei aber.
Und welches?
Während Dopamin im Normalfall regelmäßig gebildet wird und der Spiegel dadurch immer ähnlich ist, verhält sich dies mit den Tabletten etwas anders. Durch die Einnahmephasen kann es zu Wirkungsschwankungen kommen. Deshalb gibt es neben Dopa auch viele andere Parkinson-Medikamente. Ihr Ziel ist es, die Wirkung von Dopa zu verlängern und auszugleichen. Ein Teil der Patienten kann sehr starke Schwankungen ihrer Beweglichkeit im Tagesverlauf entwickeln. Bei ihnen braucht es sehr viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung in der Medikamenteneinstellung. Teilweise kann man Patienten mit Tabletten nicht optimal behandeln. Da kommen dann Geräte ins Spiel, mit denen beispielsweise das Gehirn stimuliert wird. Oder auch Pumpen, mit denen Medikamente kontinuierlich hinzugeführt werden können.
Was zeichnet sich hier für die Zukunft noch ab?
In naher Zukunft wird wohl noch ein Aspekt hinzukommen. Wir rechnen in Österreich Ende dieses Jahres oder Anfang 2024 mit neuen Formen von Dopa, die man auch mit einem kleinen Schlauch unter die Haut infundieren kann.
Die Diagnose ist zu Beginn sicherlich ein Schock. Was raten Sie Betroffenen in diesen Augenblicken?
Wichtig ist eine gute ärztliche Betreuung durch eine Neurologin oder einen Neurologen. Das Entscheidende ist, dass die Diagnose richtig gestellt ist. Begleitet sollte sie von einem ausführlichen Aufklärungsgespräch sein. Da gibt es in der Praxis leider manchmal ein Zeitproblem. Aber Betroffene brauchen viele Informationen und Aufklärung. Zudem unterscheiden sich die Reaktionen natürlich. Einige Menschen haben sehr mit so einer Diagnose zu kämpfen. Sie können dadurch am Anfang auch depressiv werden. Da ist wichtig, den Betroffenen Aufklärung über die guten Behandlungsmöglichkeiten einer Parkinson-Erkrankung zu geben. Auch psychologische Unterstützung oder eine antidepressive Therapie kann nötig sein. Aber wichtig zu wissen ist, dass ein großer Teil der Betroffenen gut auf die Medikamente anspricht. Doch die Therapie besteht nicht nur aus Medikamenten.
Was gehört noch dazu?
Die Zweitschiene heißt Bewegung. Der Patient soll sich sehr viel bewegen. Nach Möglichkeit auch Gymnastik und Sport betreiben. Wenn man stärker betroffen ist, gehört auch eine Betreuung durch Physiotherapeuten dazu.
Aber auch für die Angehörigen ist die Situation häufig schwierig ...
Genau. Auch für sie ist Information sehr wichtig. Es ist schließlich schwer zu akzeptieren, dass ein geliebter Mensch plötzlich an einer chronischen Erkrankung leidet, die sich mit der Zeit auch verschlechtert. Also auch Angehörige brauchen hier Unterstützung. Der Austausch mit anderen Angehörigen oder mit Menschen, die eine ähnliche Situation erleben, kann hier hilfreich sein. Da spielen Parkinson-Selbsthilfegruppen eine wichtige Rolle. Ich finde es auch gut, wenn die Betroffenen Vertrauenspersonen zum ärztlichen Gespräch mitnehmen. So erhalten alle Seiten mehr Informationen.
Das könnte dich auch interessieren:
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.