10 Jahre "Nachbarinnen"
Ein Wiener Verein von Frauen für Frauen
Der Wiener Verein "Nachbarinnen" unterstützt Migrantinnen auf dem Weg zu mehr Selbstbewusstsein und Integration.
WIEN. Als Firdes Acar mit 14 Jahren aus der Türkei nach Österreich kam, durfte sie nicht in die Schule gehen und musste sich um den Haushalt und die bald geborenen Kinder kümmern. „Ich hatte kaum Selbstbewusstsein und keine Perspektive“, erzählt sie heute. Ihr ist der Weg aus der Isolation gelungen. Firdes Acar hat sich gegen die Familie durchgesetzt, Deutsch gelernt und einen Beruf ergriffen.
So wie Acar ergeht es vielen immigrierten Frauen, die jedoch den Sprung in die Selbstbestimmung nicht schaffen. Der gemeinnützige Verein "Nachbarinnen" hilft mit den eigens ausgebildeten Sozialassistentinnen auf die zurückgezogen lebenden Landsleuten zuzugehen, deren soziale Schieflage zu sortieren und zu verändern.
„Jede Nachbarin betreut rund zehn Familien und besucht diese Menschen in deren Wohnungen“, so Ayten Pacariz, operative Leiterin der Nachbarinnen. Durch die vertraute Umgebung öffnen sich die Frauen leichter und sind offen für Methoden und Strategien zur positiven Veränderung der eigenen Lebensverhältnisse. „Zu den Methoden gehört der Familienkalender mit Zielvorgaben, um Probleme zu definieren und Strukturen zu erlernen“, so Acar, die eine der Nachbarinnen ist.
Verein feiert zehn Jahre
Die Kardiologin Christine Scholten und die Leiterin des Grätzl-Zentrums Schöpfwerk, Renate Schnee, gründeten den Verein Nachbarinnen, um mit den Frauen interagieren zu können. „Zunächst kamen nur wenige Frauen zu den Gesundheitskreisen, doch durch Mundpropaganda hast sich der Kreis rasch erweitert“, weiß Pacariz.
Zum zehn-jährigen Jubiläum des Vereins sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache: 11.884 Hausbesuche wurden absolviert, 3.678 Familien betreut, zu 4.230 Amtswege begleitet oder 3.162 Teilnehmerinnen am Bildungsfrühstück. Selbstverständlich erfolgen alle Gespräche in der eigenen Muttersprache, denn im Verein sprechen die Frauen Türkisch, Arabisch, Somali, Farsi, Tschetschenisch, Russisch oder Ukrainisch. Durch das breite Angebot und die zeitaufwendigen Hilfen gibt es für neue Familien Wartezeiten bis zu drei Monaten.
Hilfe bei Gewalt oder Wohnproblemen
Die Nachbarinnen erhalten die Familien über die MA 11 – Amt für Jugend und Familie – über Schulen, Ärzte, Kindergärten oder direkt bei Problemen wie Gewalt, Schulprobleme, Existenzängste, Wohnprobleme oder Isoliertheit. Die Tätigkeiten der Nachbarinnen sind für die Familien kostenfrei, die Finanzierung erfolgt über die Stadt, den Bund und über Sponsoren. Die Nachbarinnen sind beim Verein angestellt.
Neben der eigentlichen Arbeit mit den Familien haben die Nachbarinnen 2015 eine Nähwerkstatt für Upcycling-Projekte eröffnet, häusliche Lernhilfen mit insgesamt 16.956 Lernstunden organisiert oder Kulturprogramme ins Leben gerufen. Für die kommenden Jahre sind Kooperationen und Förderungen mit dem AMS geplant, um für die Frauen Ausbildungen und Arbeitsplätze zu finden. „Arbeit ist der Schlüssel zur Integration“, sind sich Acar und Pacariz einig.
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