Corona in Wien
Krise zeigt Defizite beim Bildungssystem
Die Coronakrise stellt Wiens Pädagogen an Schulen und Kindergärten vor große Herausforderungen.
WIEN. Homeoffice und Homeschooling stellte viele Eltern in der Coronakrise vor große Herausforderungen: Was bisher den Lehrern oblag, nämlich den Kindern den Schulstoff näherzubringen, darum mussten sich plötzlich die Mütter und Väter neben dem Job auch noch kümmern. Aber auch die Lehrer waren durchaus gefordert: Mussten sie doch darauf schauen, dass die Kinder Zuhause irgendwie an die Lehrmaterialien kommen - oft leichter gesagt, als getan: Verfügen doch etwa Volksschullehrer nicht einmal über eine eigene schulische E-Mail-Adresse. "So ist es kein Wunder, wenn rund 3.000 Wiener Schüler in der Coronakrise nicht erreicht werden und damit auch nicht unterstützt werden konnten", regt sich Christoph Wiederkehr (Neos) auf. "Durch die Krise sind die Defizite der Wiener Schulen klar zum Vorschein gekommen."
Monika Dundler lehrt an der Pädagogischen Hochschule in Favoriten: "Die Zeit von März bis Juni war ein Ausnahmezustand, "learning by doing" die alltägliche Devise, denn wir Lehrer kannten uns genauso wenig aus, wie alle anderen: Wie ansteckend ist Covid19? Welche Symptome sind Krankheitsanzeichen und welche nicht? Und vor allem, wie teilen wir den Kindern den Lernstoff mit?", erklärt Dundler. "Dafür fehlte es uns an den Schulen sowohl an IT-Ausstattung, als auch an Know-how."
Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) sprach sich generell gegen Fernunterricht mithilfe von digitalen Technologien als Ersatz für den herkömmlichen Unterricht und für einen Regelbetrieb an den Schulen im Herbst aus. "Denn die Schließung von öffentlichen Bildungseinrichtungen birgt die Gefahr, dass sich soziale, wirtschaftliche und gesundheitliche Ungleichheiten verstärken, insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien", so Generalsekretär Reinhold Kerb.
Coronatests müssen schneller gehen
Besonders große Probleme gab es an den Schulen mit den Coronatests: "Wir brauchen Klarheit, wie wir mit der Situation konkret umgehen sollen. Und: Im Herbst muss ein Coronatest in einem Schultag durchgeführt werden können", so Monika Dundler. Dazu wünscht sich die Pädagogin Beratungs- bzw. Vertrauenslehrer an allen Bildungseinrichtungen.
Auch Sonja Hammerschmid, Bildungssprecherin der SPÖ, forderte zuletzt bundesweite Regeln für Schulen zum Umgang mit Corona-Verdachts- oder Infektionsfällen: "Direktoren, Lehrer und Eltern müssen wissen, was sie im Herbst tun sollen, wenn in den Klassen Erkältungssymptome gehäuft auftreten."
Kleinere Kindergartengruppen gefordert
Elmar Walter leitet die St. Nikolaus-Stiftung, die in ganz Österreich viele Kindergärten betreibt. "Die Regelkinderzahl in österreichischen Kindergärten beträgt 25 Kinder pro Gruppe: Da ist es schwierig bis unmöglich, die Hygienebestimmungen umzusetzen und damit für Sicherheit für Kinder und Eltern zu sorgen", beklagt Walter. "Daher wünsche ich mir nicht nur schnellere Coronatests und auch Grippeimpfungen für unsere Pädagogen, sondern vor allem kleinere Kindergartengruppen."
Christoph Wiederkehr fordert daher einen Fünf-Punkte-Plan: Schnellere Coronatests und die Unterstützung durch Gesundheitsprofis. Sozialarbeiter an allen Wiener Schulen, ein digitales Hilfspaket für alle Lehrer und insgesamt mehr Geld für alle Kindergärten und Schulen!"
Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) erklärte zuletzt, dass in ganz Österreich seit den Schulöffnungen im Mai nur 80 Corona-Fälle bei Schülern und 15 bei Lehrkräften festgestellt worden seien. "Der Normalbetrieb ist ab September das Planungsziel", so Faßmann. Künftig soll bei Verdachtsfällen an Schulen mit der neuen - schnelleren - Gurgelwasser-Methode getestet werden. Im Notfall werde es dann wieder einen Schichtbetrieb oder Distance Learning geben. Laut dem Bildungsminister sei das Schließen einzelner Klassen oder Schulen einem großflächigen Zusperren vorzuziehen.
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