Queer und gender / Psychologie
Bisexuelle Menschen und Vorurteile Teil 2: Treue, Fremdgehen, Monogamie, Polygamie und Polyamorie
Bisexuelle Menschen fühlen sich romantisch und/oder sexuell zu Menschen beider oder mehrerer Geschlechter hingezogen.
Bisexuelle Menschen werden immer wieder mit schweren Vorurteilen und dummen Sprüchen konfrontiert. Insgesamt haben bisexuelle Menschen eine schlechtere Lobby als homosexuelle Menschen und bleiben oft unsichtbar, indem sie sich etwa als schwul, lesbisch oder heterosexuell outen, aber eben nicht als bisexuell.
2. Ein weiteres Vorurteil ist, dass bisexuelle Menschen jeden attraktiv und erotisch fänden und ständig Lust auf Sex hätten. Dieses Klischee ist natürlich falsch. Es gibt bisexuelle Menschen, die jeden Tag mehrmals Sex wollen, manche wollen einmal in der Woche Sex, manche haben nur einmal im Jahr Lust, und dann gibt es jene Menschen, die asexuell sind, sich aber in beide Geschlechter verlieben (Biromantik). Wie stark die sexuelle Lust eines Menschen ist, hängt von seinen individuellen genetischen, psychologischen und sozialen Voraussetzungen ab und hat nichts mit seiner sexuellen Orientierung zu tun.
Das oben genannte Vorurteil suggeriert, dass bisexuelle Menschen weniger wählerisch seien und stimmt natürlich so nicht. Auch eine heterosexuelle oder homosexuelle Person kann sich nicht mit jedem anderen Menschen eine Partner*innenschaft oder Sexualität vorstellen und bei bisexuellen Menschen ist das genauso.
3. Viele bisexuelle Personen kämpfen auch gegen das hartnäckige Vorurteil an, dass bisexuelle Menschen angeblich nicht monogam leben könnten. Outet sich etwa ein Mann gegenüber seiner Partnerin als bisexuell, so wird ihm häufig von seiner Partnerin unterstellt, dass er gewiss mit Männern fremdgehen würde. Manche Partner*innen beenden dann auch sofort die Partnerschaft, weil sie mit ihren Verlustängsten nicht umgehen können oder nun auf alle Männer und Frauen eifersüchtig werden. Dies kann für bisexuelle Menschen sehr kränkend und verletzend sein, wenn sie in ihrer Individualität und als Person nicht gesehen werden, vor allem dann, wenn sie keine Chance bekommen, ihre Treue zu beweisen. Viele bisexuelle Personen verheimlichen deshalb ihre Bisexualität und bezeichnen sich selbst als homo- oder heterosexuell, um nicht derartige schlimme Erfahrungen erneut machen zu müssen.
Dies könnte einer der Gründe sein, warum bisexuelle Menschen in unserer Gesellschaft kaum sichtbar sind. Schätzungen zufolge sind mindestens 25-30 Prozent der Gesamtbevölkerung bisexuell. Dennoch gibt es viel mehr Personen, die sich als schwul oder lesbisch denn als bisexuell bezeichnen, obwohl nur etwa sieben Prozent aller Menschen homosexuell sind.
Monogamie hat somit nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun. Es gibt heterosexuelle, bisexuelle und homosexuelle Personen, die streng monogam leben und dann gibt es heterosexuelle, homosexuelle und bisexuelle Menschen, welche heimlich fremdgehen, in einer offenen Partner*innenschaft leben, polygam oder polyamor leben. Monogamie und sexuelle Orientierung bedingen sich nicht gegenseitig, und bisexuelle Menschen sind nicht mehr oder weniger sexuell treu als die Gesamtbevölkerung.
Vielen bisexuellen Menschen reicht ein Partner/eine Partnerin und sie sind völlig zufrieden. Lebt etwa eine bisexuelle Frau in einer Partnerschaft mit einer anderen Frau, so unterliegt es ihrer bewussten Entscheidung, ob sie monogam lebt oder heimlich oder offen fremdgeht.
Übrigens: Bisexuelle Personen fühlen sich auch nicht innerlich zerrissen oder hin und hergerissen zwischen ihrer Affinität zu beiden Geschlechtern. Ihre Fähigkeit und ihr romantisches, erotisches und sexuelles Potential ist einfach nur breiter als das von hetero- oder homosexuellen Menschen. U.U. kann es natürlich für einen bisexuellen Menschen stimmig und passend sein, polygam zu leben, aber genauso oft spüren bisexuelle Personen, dass sie monogam leben möchten. Hier gibt es kein richtig oder falsch, sondern es unterliegt der Freiheit des einzelnen Menschen, seine Bedürfnisse nach Polygamie oder Polyamorie zu spüren und sich dann bewusst zu entscheiden, wie er mit diesen Bedürfnissen umgeht.
Jedes Beziehungsmodell hat seine gleiche Berechtigung, falsch ist es nur dann, wenn Menschen sich in ein Beziehungsmodell hineinzwängen, das ihnen in ihrem tiefsten Innersten gar nicht entspricht und ihren Bedürfnissen zuwiderläuft.
In einer Partner*innenschaft kann es hilfreich und konstruktiv sein, derartige Vorurteile oder Sorgen offen anzusprechen, damit diese nicht die Paardynamik belasten. Das Mitteilen von Sorgen und Ängsten kann alles viel leichter machen: „mit-TEILEN“ im Sinne von geteiltes Leid ist halbes Leid.
Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision
(Logotherapie und Existenzanalyse)
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