Wilder Wiener Wein
Zu Besuch bei Winzer Stefan Fuchs-Steinklammer
Bianca Blasl und Willy Geiger von BauertothePeople waren in Mauer unterwegs und haben den jungen wilden Wiener Winzer Stefan Fuchs Steinklammer getroffen.
WIEN/LIESING. Wir lieben unsere traditionsschweren Heurigen und den Wiener Wein. Doch was steckt dahinter? Und vor allem wer? Was ist anders am Wein in Wien? Was passiert hinter den Kulissen im Keller und im Heurigen? Und was hat der Wiener Gemischte Satz mit nachhaltigem Konsum und Bio-Landwirtschaft zu tun?
Die Journalisten von BauertothePeople haben es sich zur Aufgabe gemacht, einen Blick hinter die Kulissen von unserem Essen zu werfen. Dieses Mal sind die rasenden Reporter zu Besuch beim Heurigen Fuchs-Steinklammer.
Auf einen Spritzer beim Wiener Heurigen
Am Wochenende mit Blick über ganz Wien durch die Weingärten flanieren. Einen derben Spruch hinter der Schank. Ein Buffet mit den Heurigen-Klassikern. Ein gemütlicher Gastgarten mit Heurigenbankerln. Das sind die Wiener Weinbauern, das sind die Wiener Heurigen. Doch da ist mehr. Viel mehr. Sie sind alle Bauern. Arbeiten mit und in der Natur.
Wien ist die einzige Hauptstadt der Welt, in der es kommerziellen Weinbau innerhalb der Stadtgrenzen gibt. Winzer sind Techniker, arbeiten im Weinkeller von der Traube bis in die Flasche. Sind Verkäufer, sind Wirte, sind Mütter, sind Brüder, sind Menschen. Stefan Fuchs-Steinklammer und seine Mutter Heli sind zwei von Ihnen. Sie kommen uns hier am Jesuitensteig in Mauer entgegen. Eine verschlafene unscheinbare Gasse im Mai. Ein idyllischer Heurigengarten, eine wunderschöne alte Gaststube. Man kommt herein und das Wienerherz weiß: ein klassischer Heuriger: Stefan drückt jedem von uns ein Glas in die Hand.
Wiener Wein - von klassisch zu wild
Seit 1637 baut die Familie Steinklammer hier in Wien Mauer Wein an und schenkt im Heurigen aus. Stefan ist die 10. Generation. Wir merken schnell, außer dem Heurigenlokal ist hier wenig klassisch. Heli, hat den Heurigen im 23. Bezirk in Wien damals nicht ganz freiwillig übernommen und einen Weinbauern aus dem 21. geheiratet. Das Unkonventionelle daran: Weingärten in beiden Bezirken und den Fokus auf Rotwein in Wien. „Weil´s sonst keiner gemacht hat“, sagt Helene Fuchs-Steinklammer.
Den Fuchs hat sie von Kurt, ihrem Mann. Die Eltern haben gleichzeitig zwei Heurigen und die zugehörigen 15 Hektar Weingarten in Floridsdorf und Liesing geschmissen. Konventionell und recht klassisch. Die nächste Generation rührt um: Mittlerweile werden alle Weingärten biologisch bewirtschaftet. Warum? „Weil meine Tochter vielleicht auch Weinbäuerin werden will.“, sagt Stefan. „Da sehe ich keinen anderen Weg als Bio-Wein zu produzieren.“
Gemischter Satz, aber rot bitte
Auch die Weine, die hier über die Budl laufen, sind anders: Ein roter Gemischter Satz, ein Co-Ferment – ein Wein halb aus Trauben- halb aus Apfelsaft – und noch fünf andere Gemischte Sätze, seltene Rotweinsorten. Wir merken im Gespräch: Stefan und sein Bruder Alex sind innovativ und machen Wein in Wien anders. Vom Weingarten bis in den Keller. Nur mehr das Heurigenlokal ist klassisch. Das, was ins Glas kommt, ist wild. Ist Wien. Ist anders.
Hackeln, hackeln und hackeln
Wir fragen, wie denn die einzelnen Arbeitsschritte heißen, vom Weingarten bis in unser Glas. Stefan zieht eine Augenbraue hoch, seine Mutter Heli lacht: „Hackeln am Weinberg, hackeln im Keller, hackeln beim Verkaufen.“ Jetzt lachen wir alle. Der Weg in die Flasche ist komplex. Was in so einem Glas Wein steckt, fasziniert uns: Jetzt im Mai explodiert der Weingarten: Der Wein blüht, der Boden muss bearbeitet, zwischen den Weinreihen muss eine Begrünung gepflanzt werden. Neue Rebzeilen werden gesetzt.
Stefan erklärt uns den ganzen Weg. Wir schauen ehrfürchtig in die Weingläser in unsere Hand. „Gleichzeitig ist der Heurige offen, wir suchen ein Küchenteam und wir fahren auf Messen und zu Verkostungen“, erzählt Stefan. Er lebt für seinen Wein und will dessen Geschichte an die Menschen bringen. Seine Augen leuchten beim Erzählen. Seine kleine Tochter wuselt hinter der frisch polierten Buffet-Vitrine hervor. Der Heurige hatte gerade zwei Wochen „Ausgesteckt“. Also offen. Die Familie ist erschöpft.
Zwischen Weinreben und Müll
Am Maurerberg mit Blick Richtung Alterlaa liegt einer von Stefans Weingärten. Zischen Gelbem Muskateller und Gemischtem Satz steht eine kleine Hütte. Dort schenkt der Heurige zu Sturmzeiten selbigen aus. „Vor allem, um die Menschen zu uns in den Weingarten einzuladen.“
Stefan will zeigen, dass hier ist Landwirtschaft und uns bewusst machen: Komm gerne in meinen Weingarten zum Spazieren und Entspannen. Doch wir arbeiten hier, damit ihr da jetzt sitzen und Wein und Sturm trinken könnt. Mitten in Wien. Er wünscht sich mehr Verständnis und Miteinander. Oft sammelt er viel Müll aus seinen Weingärten, oft gehen wir Menschen hier arglos spazieren und denken nicht, dass da einer auf dem Traktor konzentriert arbeitet. Ein Bauer, der unseren Wein macht.
Der Wiener Gemischter Satz
Natürlich beschäftigt uns auch die Frage: Was ist denn ein Gemischter Satz? Stefan klärt uns auf. Verschiedene Weinsorten werden gemischt in denselben Weingarten gesetzt. Gemischter Satz. Ahha! Die werden dann gemeinsam gelesen, gepresst und zu Wein vergoren. Und wie ist er entstanden? Jede Weinsorte blüht zu einem anderen Zeitpunkt und wird auch zu einem anderen Zeitpunkt reif. Der Wiener Gemischte Satz war schlicht und ergreifend ein Backup. Wenn im Frühjahr doch noch mal der Frost kommt, gibt’s keinen Totalausfall im Weingarten. Und der Spritzwein für das nächste Jahr ist gesichert.
Ein Mittel gegen den Klimawandel
Was im 19. Jahrhundert aus einer Not entstanden ist, ist heute eine Tugend. Das Klima wandelt sich. Es wird extrem. Ob Spätfrost oder extreme Trockenheit, auch die Weinstöcke leiden. Ernten fallen aus. Der Gemischte Satz sieht's entspannt. Er arbeitet im Team.
Wenn eine Sorte dem Klimawandel zum Opfer fällt, springen die anderen ein. Der Wiener Winzer sieht's somit auch entspannt. Der Wiener Gemischte Satz ist jedes Jahr anders. So wie seine Heimat. Seit 2013 ist das auch amtlich: Er hat das Beiwagerl „DAC“ bekommen. Darf also nur so heißen, wenn er wirklich aus Wien kommt und ganz spezielle Qualitätskriterien erfüllt und nach alter Tradition produziert wird. Und ja, das ist Alter Wein in neuen Schläuchen. Im besten Sinne.
Den ganzen Blick hinter die Kulissen von Wiener Wein und Wiener Heurigen gibt’s im BauertothePeople Podcast mit Stefan und Heli Fuchs-Steinklammer.
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