Aufträge zum Schein
Wiener Wohnen-Bestechungsprozess mit 53 Angeklagten
Am Wiener Landesgericht müssen sich noch im November 53 Angeklagte verantworten. Der Verdacht der Bestechung rund um Wiener Wohnen-Aufträge steht im Raum.
WIEN. Er dürfte ein Unternehmer mit vielen verschiedenen Leidenschaften und Talenten sein. Ein heute 58-Jähriger leitete von April 2011 bis 2013 eine Glaserei und Malerei, einen Steinmetzbetrieb und mehrere Baufirmen. Heute steht er im Firmenbuch als Chef eines Maler- und Anstrichbetriebes. Mit so vielen Firmen ist natürlich die Chance groß, auch Leistungen für Wiener Wohnen abdecken zu können.
Genau in den zwei Jahren soll diese Betriebe dies auch gemacht haben. Vor allem Reparaturen bei Gemeindebauten standen für den Unternehmer und mehrere Mitarbeiter an. Jetzt muss sich eben jener Geschäftsmann und 52 weitere Angeklagte vor Gericht verantworten. Denn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermutet, dass der Geschäftsmann 45 Mitarbeiter von Wiener Wohnen im Zuge dieser Arbeiten "geschmiert" hat. Sieben Beschäftigte des Unternehmers sind als Bestimmungs- oder Beitragstäter mitangeklagt. Das geht aus der Anklageschrift hervor, welche der "APA" vorliegt.
Verrechnung ohne Leistung
Konkret geht es darum, dass Aufträge verrechnet worden sein sollen, welche gar nicht oder nicht im vollen Umfang durchgeführt wurden. Laut Anklage hätten Werkmeister und Referenten von Wiener Wohnen Einkaufs- oder Tankgutscheine - manchmal auch Sachwerte - bekommen, wenn sie ein Auge zugedrückt haben.
Untermauert wird die Anklage mit „ungewöhnlich vielen Beweisen für die Gewährung und die Annahme von Vorteilen", heißt es in dem Bericht. So sollen die jeweiligen Firmen eigene Gutscheinlisten geführt haben, um den Überblick zu behalten. Ein Ex-Mitarbeiter des 58-Jährigen gab außerdem an, dass ihm schon "am Anfang" gesagt worden sei, "dass man sich bei den Werkmeistern bedanken soll, eben mit Gutscheinen." Auch Excel-Listen seien demnach vorbereitet und Gutscheine im Gegenwert von "circa drei Prozent der Auftragssumme“ gekauft worden. Der Mitarbeiter gibt an, damit zu den Werkmeistern aufgebrochen zu sein - die Reaktionen dieser waren "sehr positiv".
Bei Wiener Wohnen reagierte man rasch, als man von der mutmaßlichen Korruptionsaffäre erfuhr. Unter den angeklagten Wiener Wohnen-Mitarbeiten wurden etliche suspendiert, andere schieden freiwillig aus ihrem Job bei der Stadt aus.
Teils tausende Euros
Wie viel die Bediensteten der Stadt potenziell erhalten haben sollen, sei laut Anklage recht unterschiedlich. Bei einigen gehe es um hundert Euro Gegenwert der Gutscheine, andere erhielten weit mehr. Ein 57-jähriger Beamter soll gar 15.000 Euro erhalten haben. Auch für den Wert der Bestechungszahlungen soll es ein eigenes Evidenzbuch geben.
Es wurde dem Unternehmer scheinbar auch recht einfach gemacht, Scheinaufträge anzufertigen. Denn laut WKStA hätten die Wiener Wohnen-Mitarbeiter weder selbst vorab festgestellt, ob es überhaupt Schäden gab, noch nachher auch kontrolliert, ob diese mutmaßlichen Schäden überhaupt behoben und die erteilten Aufträge ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Es gab sogar die Idee, angeblich Reparaturen nach Glasbruch in Rechnung zu stellen. In Wahrheit hätte man jedoch einfach nur die Scheiben bei Fenstern gereinigt und das Silikon ausgetauscht.
Der Unternehmer belastete sich wegen seiner peniblen Aufzeichnungen noch mehr, erklärt die WKStA. So habe er ein schriftliches Protokoll über wöchentliche Besprechungen mit seinen eingeweihten Mitarbeitern geführt. Ein entsprechendes Dokument fiel den Ermittlern in die Hände. In diesen Gesprächsprotokollen zu lesen sind auch Unterhaltungen, in denen man sich aufgrund der Scheinrechnungen über die Stadt lustig macht.
Verhandlung beginnt im November
Der Fall dürfte ein größerer Prozess werden. Die Angeklagten müssen sich ab 27. November im Großen Schwurgerichtssaal verantworten. Vorerst sind sieben Verhandlungstage bis zum 7. Dezember einberaumt. Bei ehemaligen Gemeindebediensteten, die nur geringe Beträge eingeseift haben, käme im Fall einer geständigen Verantwortung und einer bisherigen Unbescholtenheit wohl eine diversionelle Erledigung in Betracht.
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