Abschied aus der Politik
Margaretens Bezirkschefin Schaefer-Wiery im großen Interview
Am 11. Dezember legt Bezirksvorsteherin Susanne Schaefer-Wiery (parteilos) ihr Amt nieder. Die bz sprach mit ihr über ihre Herzensprojekte, den U-Bahn-Bau und warum ihr Partizipation so wichtig ist.
Wie hat sich Margareten mit den Jahren verändert?
SUSANNE SCHAEFER-WIERY: Ich habe Bilder von Margareten rund um 1980 im Kopf. Da hat es die Gastronomie am Margaretenplatz noch nicht gegeben. Die Geschäfte hatten samstags nicht geöffnet. Dafür gab es sehr viel mehr im Detail spezialisierte Geschäfte. Ich erinnere mich etwa an ein Geschäft für Trauermoden an der Ecke Reinprechtsdorfer Straße/Margaretenstraße. Der Bezirk ist urbaner und selbstbewusster geworden. Er ist nicht mehr nur der Arbeiterbezirk, das ist eine alte Floskel.
Was sind die größten Herausforderungen in Margareten?
Eine große Herausforderung ist sicher die Modernisierung des Bezirks in Hinblick auf den Individualverkehr. Es wird eine U-Bahn gebaut, das wird Entlastung bringen. Aber die Grundproblematik werden wir nicht in Margareten lösen können. Dafür braucht es gesamtheitliche Lösungen. Die Enge des Bezirks ist – was das Wohnen betrifft – gar nicht so eine Schwierigkeit. Es wird aber im Zuge der massiven Klimaerwärmung die Lebensqualität beeinträchtigen.
Was war Ihr erstes großes Projekt als Bezirksvorsteherin?
Vielleicht das wichtigste war die Begegnungszone Wehrgasse 2015. Das war jetzt gar nicht so ein großes Projekt, aber es war im Zuge der vielen Diskussionen über die Begegnungszone Mariahilfer Straße ein richtungsweisendes Konzept. Wie bei jedem Projekt gab es Pro und Contra, aber es war wegweisend. Relativ früh haben wir auch den Unternehmerpreis und den Frauenpreis „Margareta“ ins Leben gerufen. Das waren wichtige Schritte.
Warum waren Ihnen diese Auszeichnungen so wichtig?
Die Feier des Frauentags hatte eine lange Tradition im Bezirk. Wir haben überlegt, wie wir dem Tag noch mehr Gewicht geben können. Wir wollten Frauen vor den Vorhang holen. Es geht nicht darum, einen Preis zu verleihen. Es geht ums Netzwerken. Beim Unternehmerpreis war es ähnlich. Wir sind ein Bezirk, in dem es relativ viele klein und mittlere Betriebe gibt. Es ist wichtig, dass die innerstädtischen Bezirke wirtschaftlich gut dastehen und unterstützt werden. Es sollen nicht alle an den Stadtrand ziehen. Es ist immer mehr als die Preisverleihung. Es gehts ums sichtbar machen.
Gab es ein Lieblingsprojekt?
Zum einen die Sanierung des Kinderfreibads. Es war ein sehr großes Projekt für eine wichtige Zielgruppe. Zum anderen die Einführung des kostenlosen Handykurses für Seniorinnen und Senioren. Ich glaub, dass as eine sehr großartige Entwicklung war, sehr nachhaltig, wenn auch medial nicht so groß.
Gab es ein Projekt, bei dem Sie rückblickend etwas anders machen würden?
Nein. Projekte dauern lang in der Umsetzung. Dadurch ist viel Zeit da, um nachzujustieren. Man hat mit vielen Partnern zu tun, mit denen man sich ja auch austauscht.
Große Aufregung gab es 2016 über die Benennung des "Freundschaftsstegs" zwischen Margareten und Mariahilf ...
... die bis heute nicht vorbei ist (lacht). Ich kann nicht mal sagen, wo da der Wurm drinnen ist. Margareten und Mariahilf haben den Steg beschlossen und die Kosten geteilt. Bei mir war das gar nicht im Fokus, dass der einen Namen haben muss. Markus Rumelhart (Bezirksvorsteher Mariahilf, Anm. d. Red.) und ich haben uns auf "Freundschaftssteg" geeinigt.
Warum kam es nie zur offiziellen Benennung?
Im Margaretner Bezirksparlament wurde der Antrag angenommen, in Mariahilf nicht. Die Grünen im 6. Bezirk wollten die Benennung nach einer Frau. Dagegen spricht auch nichts, aber da liegt auch die Schwierigkeit. Finden Sie mal eine Frau, die in beiden Bezirken relevant war und bereits verstorben ist. Dafür, dass der Steg so unwichtig ist, hat er wirklich sehr viel Wichtigkeit gekriegt. Mindestens einmal im Jahr flammt das Thema wieder auf.
Sie haben das partizipative Budget ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Mir liegen Projekte mit Selbstbestimmung am Herzen. Jedes Projekt, bei dem man einen positiven Lerneffekt für sich selbst herausholen kann, ist für mich ein gutes Projekte. Wenn man Menschen auf Augenhöhe begegnet, dann kommt eine Kommunikation zustande. Partizipation hat mich als Thema interessiert. Wir haben eine Städtepartnerschaft mit Berlin-Lichtenberg. Dort gibt es einen Bürgerhaushalt. Ich dachte, was dort geht, geht auch bei uns.
Im Bereich Kunst und Kultur hat sich viel weiterentwickelt.
Ich denke, der Bezirk war längst reif, für eine deutlichere Entwicklung als Kunst- und Kulturbezirk. Die urbane Lage und die damaligen sehr günstigen Mietpreise für einen Innenstadtbezirk waren sehr attraktiv. Als Führungsperson muss man nicht immer alles selbst erfinden, man muss es meist nur zulassen können. Wenn man merkt, da ist etwas reif und man macht die Tür auf, dann funktioniert es auch. Aber natürlich kann der nächste die Tür auch wieder zu machen. Ich glaub, dieser Bereich ist sehr wichtig für einen Bezirk, für eine Stadt.
Stichwort U-Bahn-Bau: Wie kam es zur Station „Reinprechtsdorfer Straße“? Der Name sollte doch ein anderer sein?
(lacht) Viele Stunden meines Lebens hab ich mit dem U-Bahn-Bau verbracht. Die ursprüngliche Routenplanung sah gar keine Station zwischen Pilgramgasse und Matzleinsdorfer Platz vor. Als dann doch die Rede von einer Station war, sollte diese „Bacherpark“ heißen. Ich hab in einer dieser großen Sitzungen gesagt, dass es mir sehr wichtig wäre, die Station doch "Reinprechtsdorfer Straße" zu nennen. Unser Ziel war es natürlich, die Straße zu attraktivieren und wieder zu einem Zentrum im Bezirk zu machen. Das ist geglückt, darüber freue ich mich noch heute.
Es gab auch viele kleine Projekte, von denen vielleicht nur wenige etwas mitbekommen haben. Warum waren Ihnen diese wichtig?
Als Bezirksvorsteherin muss man alle Menschen im Bezirk erreichen können. Man ist ja auch für alle Menschen im Bezirk da, nicht nur für eine ausgewählte Gruppe. Man versucht, den Zugang zu allen Gruppen zu gewinnen: da sind die Kinder genauso wichtig, wie die LGBTIQ*-Bewegung. Es gibt niemanden, der mehr oder weniger wichtig ist. Daher gibt es auch immer viele kleine Projekte, die aber für das große Ganze genauso wichtig sind.
Hat Sie die Politik verändert?
Ja, alles, was man tut, verändert einen. Man muss nur aufpassen, dass es einen nicht zum Schlechteren verändert.
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie nochmal in die Politik gehen?
Das ist eine schwierige Frage, die ich mir selbst oft gestellt habe. Es war nie mein Wunsch, es hat sich so ergeben. Es ist schon spannend, wenn man das einmal kennenlernt – dazu stehe ich auch heute noch. Ob das jetzt gut ist, ist ein anderes Kapitel.
Was haben Sie als Bezirkschefin gelernt?
Ich habe gelernt, dass das Vernetzen, der starke Austausch viel ausmacht. Als Bezirksvorsteherin vernetzt man sich viel breiter als in klassischen Führungspositionen, nämlich mit der gesamten Bevölkerung. Über mich persönlich habe ich nichts neues gelernt, ich war mir schon gut bekannt (lacht).
Was hat es mit Ihrem Bruch mit der SPÖ und Ihrem Parteiaustritt auf sich?
Ich mag keine intriganten Situationen, das ist nicht meine persönliche Art. Damit will ich auch meine Zeit nicht vergeuden. Ich erwarte mir Professionalität. Und, ich habe mir immer eine modernere SPÖ Margareten gewünscht. Vor einigen Jahren gab es Ansätze, diese sind – aus meiner Sicht – verschwunden. Ich glaube zudem, wenn man sich ich einer inhaltlichen Diskussion stellen will, muss man auch die Kraft der Argumente haben.
Brauchen Politikerinnen und Politiker ein dickes Fell?
Ja, das ist kein Klischee. Man braucht ein dickes Fell, viel mehr als ich selbst anfangs dachte. Das ist für Jüngere sicherlich schwieriger als damals für mich, mit über Fünfzig.
Wie geht es für Sie nach dem 11. Dezember weiter?
Meine drei Schwerpunkte Partizipation, Klimapolitik im weitesten Sinn und Kultur werden mich sicher auch im neuen Jahr beschäftigen. Mehr sage ich dazu nicht.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Bezirks?
Ich wünsche mir eine Verwaltung und eine Politik, die dem Bezirk gerecht wird. Margareten ist modern und urban. So stelle ich mir auch vor, dass man mit dem Bezirk in Zukunft verfährt.
Interview: Barbara Schuster
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